Seiner Zeit weit voraus
Wie heutzutage PlayStation und Xbox die Spielerschaft in zwei Lager spalten, waren es Ende der 80er Jahr Amiga und Atari ST, die für hitzige Diskussionen sorgten. Wobei die "Freundin", wie der Amiga von seinen Fans liebevoll genannte wurde, aus dem Rennen als klarer Gewinner hervorgehen sollte, wies sie doch die deutlich beeindruckenden Verkaufszahlen auf. Als der Amiga 500 im Jahr 1987 erschien, war für Spiele-Fans die Welt plötzlich eine andere...
So sieht der A500 Mini verpackt aus. Ziemlich actiongeladen also.
Ein Blick auf den Monitor genügte, schon war man Feuer und Flamme. Optik, Animationen und die Pracht von 4.096 darstellbaren Farben bei Titeln wie It Came from the Desert, Dungeon Master, Apydia, Lotus Esprit Turbo Challenge oder Defender of the Crown ließen mit Leichtigkeit alles hinter sich, was man bisher von Computerspielen gewohnt war. Dagegen hatte ein damaliger PC mit EGA-Optik nicht den Hauch einer Chance! So gut wie jeder Zocker nahm es damals mit Freude auf sich, ein paar Zeitungen mehr auszutragen, um sich den Amiga irgendwann leisten zu können. Mit einer Speichererweiterung von 512 KB auf 1 MB und einem zusätzlichen Laufwerk war man für ein paar Jahre weit vorne, wenn es um die neusten und coolsten Spiele ging. Eine für heutige Verhältnisse riesige Hacker-Szene, die mit abstrus hübschen Intros beim Spielen einer jeden „Sicherheitskopie“ auf sich aufmerksam machte, sorgte für stetigen Nachschub, ohne dass man sich große Gedanken über den monetären Aufwand für neue Titel machen musste. Das ging so lange gut, bis sich der VGA-Standard am PC durchsetzte, dort Wing- und Strike Commander über den Bildschirm flimmerten und man absolut keine Lust mehr hatte, mit den zehn Disketten von Monkey Island 2 auf dem Amiga zu jonglieren.
Retro hat ein Herz für Retronauten
Und das steckt drin: Der Lieferumfang umfasst den Nachbau, Gamepad, Maus, HDMI-Kabel und USB-C-Kabel. Den Stecker muss der Nutzer selber auftreiben.
Jene wunderbare Zeit bringt Hersteller Retro Games nun zurück: Nach dem C64 Mini kommt mit dem A500 Mini eine Zwergen-Variante des erfolgreichen Commodore-Computers, inklusive 25 vorinstallierter Spiele. Mit roten, weißen und gelben Steckern muss man sich natürlich nicht mehr herumplagen, die Ausgabe von Bild und Ton erfolgt über einen HDMI-Anschluss. Auf der Rückseite befinden sich drei USB-Ports, dazu gibt es einen Stromanschluss per USB-C-Kabel, ein entsprechender Adapter für die Stromzufuhr ist nicht im Lieferumfang enthalten. Der erste, echte Downer ist die Entscheidung des Herstellers, beim Eingabegerät auf ein billig wirkendes Plagiat des Gamepads vom Rohrkrepierer Amiga CD32 zu setzen. Da wäre ein fein nachgearbeiteter Competion Pro, am liebsten in durchsichtigem Blau mit silbernen Tasten, die deutlich originalgetreuere und sicher auch bessere Wahl gewesen. Das Gehäuse des kleinen Nachbaus ist dagegen von recht guter Qualität, die Mini-Tasten sind allerdings nicht drückbar; der Rauchergilb, der sich in verqualmten Daddelhöhlen nach ein paar Wochen über das einst eher weißgraue Gehäuse des Amiga 500 legte, ist hier bereits ab Werk aufgetragen. Netter Gag! Zusätzlich zum Gamepad gibt es eine Maus, die fast an das Original heranreicht, aber natürlich nun nicht mehr über ein eingelassenes Bällchen an der Unterseite verfügt.
Alle Spiele bieten eine praktische Speicherfunktionen. Die hätten sich viele Amiga-Besitzer damals sicher auch gewünscht.
Die kleine Daddelkiste ist fix aufgebaut, die Inbetriebnahme dauert keine Viertelstund - trotzdem steigert sich die Spannung vor dem ersten Einschalten derweil fast ins Unermessliche. Zwar finden sich unter den 25 vorinstallierten Spielen kaum echte Highlights, trotzdem ist man verdammt gespannt zu sehen, wie sehr der Zahn der Zeit an der damals fabulösen Optik geknabbert hat. Bevor es losgeht, sind noch ein paar Einstellungen im übersichtlich gestalteten Menü des A500 Mini vorzunehmen: Sollen die Spiele mit 50 oder 60 Hertz dargestellt werden? Bildausgabe als Vollbild, mit schwarzen Streifen oder kultigen Scan-Lines als nostalgisches Extra? Der Geschmack des Käufers entscheidet. Für den Test haben wir uns für das Vollformat entschieden, angeschlossen an einen 82-Zoll-Bildschirm, kommt dann das nächste Manko zum Tragen: Für einen Sitzabstand von rund 2,5 Metern sind die Kabel des Gamepads (1,80 m) und der Maus viel zu kurz, da muss also die Kabelverlängerung zum Einsatz kommen, die schon für das SNES Mini herhalten musste. Von so einem Setup, ein „Amiga“ an einem riesigen Bildschirm, hätte man damals nicht einmal zu träumen gewagt.