Nachholbedarf
Eine maskierte Person, die klettert wie Link in
Breath of the Wild, eine geheimnisvolle Wüstenwelt in Pastellfarben und das Herumdüsen mit einem an Star Wars erinnernden Gleiter. Dieses vielversprechende Bild zeichnete
der Enthüllungstrailer der E3 2018 von Sable, dann zogen – verkürzt gesagt – ein paar Jährchen samt Verschiebungen ins Land und im letzten Jahr erschien das Abenteuer dann, dezent verbuggt und ruckelig, für PC und Xbox. Das überwiegend positive Medienecho war rasch verhallt, hier auf 4Players ging uns der Test im September 2021 gar durch die Lappen. Das möchte ich nun unbedingt nachholen: Ich hatte Sable zunächst auf dem PC gezockt und dann – gerade nachgeschaut! – 2.891 Minuten damit auf der Xbox Series X verbracht. Das sind übrigens knapp 50 Stunden, obendrein gab es volle 1.000 Gamescore-Punkte – zum Schluss verhinderte nur ein fieser Kletterbug bei Erklimmen der "Seven Sisters"-Gipfel, dass ich dieses wundervolle Spiel bis zum letzten Nebenquest auspressen konnte. Ende November ist nun die Fassung für PlayStation 5 erschienen – der perfekte Grund für mich, erneut ins Land Midden zu reisen…
Farbige Flächen dominieren das Bild, auch hier im Inneren eines Zelts. Die Gefühle der sprechenden Personen werden, zwischen den eigentlichen Dialogzeilen, ebenfalls in Textform wiedergegeben.
Die erste Ernüchterung folgt auf den Fuß: Denn auch auf der Sony-Konsole geht die Framerate schon im ersten kleinen Tempel deftig in die Knie – sogar noch mehr als ich es auf der Xbox Series X erlebt hatte. Das ist komplett unverständlich und zeigt leider, dass das kleine Team um Creative Director Gregorios Kythreotis und Technik-Chef Daniel Fineberg mit den kraftvollen Konsolen leider nicht so umgehen kann wie es andere Indie-Studios hinbekommen. In den Außenarealen ist der Bildraten-Schluckauf deutlich weniger heftig, die Kameraschwenks sind flüssig und in spielerischer Hinsicht ist dieses technische Manko zu keinem Zeitpunkt problematisch. Mich hat es nicht daran gehindert, Sable in vollen Zügen zu genießen – ich denke nur, ihr solltet es wissen! Bugs und Glitches sind mir auf der PS5 erfreulicherweise nicht begegnet, davon gab es – vor allem auf PC – in den Tagen nach dem Release 2021 reichlich, doch schon ein paar Wochen später ließ sich das Spiel, etlichen Ungereimtheiten bei der Kamera zum Trotz, anständig durchspielen.
Zelda ohne Kämpfe?
Wer möchte beim Anblick dieses Screenshots nicht sofort loscruisen?
Worum es in Sable geht, wollt ihr wissen? Das erzähle ich gern: Im Zentrum der Handlung steht die Heranwachsende Sable – sie lebt in einer kleinen, von Sandwüste umgebenen Siedlung und soll bald den Ritus des "Gleitens" beginnen. Dies markiert in jener Kultur den Übergang von der Jugend zum Erwachsenenalter – ein junger Mensch geht, einen SciFi-Motorgleiter unter dem Hintern, auf eine spirituelle Selbstfindungsreise, erkundet die verschiedenen Regionen, verdient sich seine erste Meriten und findet am Ende der Reise im Idealfall seinen Platz in der Welt. Ich lenke Sable in Third-Person-Sicht durch die Welt, lerne mit ihr zunächst das Klettern – geht auf Kosten eurer Ausdauerleiste wie in Breath of the Wild – und das sanfte Herabgleiten, um größere Distanzen zwischen Häusern oder in Felsschluchten zu überbrücken. Hüpfen, kraxeln, emporsteigen, schweben werde ich in den kommenden Stunden reichlich – es gibt keinerlei Kämpfe im Spiel, alle Haupt- und Nebenquests laufen auf Dialoge, Bringdienste, Sammelaufgaben, das Suchen und Finden oder eben akrobatische Klettereinlagen hinaus. Ich habe diese fehlende Actionkomponente zu keinem Zeitpunkt vermisst, aber auch hier gilt – wie vorhin bei den Ruckeleinlagen –, ihr solltet es zumindest wissen.
Sable kann mithilfe einer Lichtkugel langsam zu Boden gleiten - perfekt um längere Distanzen in der Luft zu überbrücken. Im Hintergrund sehen wir Sables Heimatdort.
Nach knapp zwei Stunden voller Mini-Ausflüge, einem Besuch im Käfernest und wirklich schön geschriebenen Dialogen (leider ohne Sprachausgabe, dafür jetzt auch mit deutschen Texten) besteigt Sable ihren persönlichen Gleiter: Es hat etwas Magisches, wenn man damit über die sanften Dünen der Spielwelt cruist und nur den Horizont (oder eine senkrecht aufragende Bergkette) als Grenze hat. Ähnlich wie in Breath of the Wild sind eurem Entdeckerdrang kaum Grenzen gesetzt – könnt ihr einen Ort sehen, dann könnt ihr auch fast immer dorthin gelangen. Euren Gleiter dürft ihr in den folgenden Stunden mit neuen Bauteilen aufbrezeln sowie auf Knopfdruck rufen, woraufhin er mit sanft schnurrendem Motor heransaust. Das ruft einem schon ziemlich Agro-Vibes ins Gedächtnis (Agro ist das treue Ross in
Shadow of the Colossus) und auch ansonsten erinnert das Spielgefühl vielfach an das PlayStation-Kultspiel. Denn man fühlt sich einsam in Sable, und trotzdem wohl. Die Weite und Leere der Welt tragen ebenso zu einem unvergleichlichen Erlebnis bei wie die an Karawansereien und Beduinenlager erinnernden Siedlungen mit ihren schrulligen Händlern und Bewohnern.