Über Stock und Stein
Eigentlich ist es purer Wahnsinn, was Rallye-Piloten da hinter dem Steuer veranstalten: Da wird mit waghalsigen Geschwindigkeiten über unebene Straßen geprescht, die stellenweise kaum breiter sind als der eigene Bolide, während man sich bei der Streckenführung nicht nur auf die eigenen Augen, sondern vor allem auf die präzisen Ansagen des Ko-Piloten verlässt, um bei fiesen Haarnadelkurven, Abgründen oder krassen Sprungeinlagen nicht abzufliegen. Im Gegensatz zu anderen Rennserien gibt es beim Kampf gegen die Uhr zwar keine spektakulären Überholmanöver und Zweikämpfe, aber auch nur selten Auslaufzonen. Entsprechend fatal können sich schon kleine Unachtsamkeiten auswirken. Es zeugt daher von hoher fahrerischer Klasse, unter solchen Bedingungen die Kontrolle über die Fahrzeuge zu behalten und ich zolle den Rallye-Piloten immer wieder höchsten Respekt, dass sie sich immer wieder auf diesen Ritt auf der Rasierklinge bei Pisten rund um den Globus einlassen.
Eng, enger, WRC
In WRC 8 kann man jetzt selbst einen guten Eindruck davon bekommen, welchen Strapazen sich die Fahrer aussetzen, die dank offizieller Lizenz zusammen mit ihren Teams im Spiel vertreten sind. Dabei sticht vor allem das Streckendesign positiv hervor: Die Wertungsprüfungen überzeugen durch extrem enge und fordernde Abschnitte, die vor allem auf langen Etappen von bis zu 14 Kilometern höchste Konzentration erfordern. Manchmal reichen schon wenige Zentimeter aus, um von einem Hindernis oder einer Bodenwelle aus der Bahn geworfen zu werden. Genauso eng wie die Straßen ist daher häufig auch die Fehlertoleranz, wenn man sich auf diesen PS-Tanz über Asphalt, Schotter sowie Schnee und Eis einlässt. Hinzu kommt der Faktor Wetter: Neben den üblichen Voreinstellungen wie sonnig, bewölkt, regnerisch oder (Schnee-)Stürmen sorgt auf Wunsch erstmals auch ein dynamisches Wettersystem für Überraschungen. Verschiedene Tageszeiten sind ebenfalls an Bord, Nachtrennen inklusive. Da es hier keine Rückspulfunktion gibt und die Anzahl der Versuche zumindest in der Karriere sowie WM-Läufen begrenzt sind oder auf Wunsch sogar in einem Permacrash enden, könnten Anfänger daher trotz gebotener Fahrhilfen vom ABS über die Traktionskontrolle bis hin zur Automatik-Schaltung und einem abgeschwächten Schadensmodell angesichts der anspruchsvollen Streckenführung schnell ihre Frustgrenze erreichen. Doch genau so müssen Rallye-Kurse sein: eng, fordernd und abwechslungsreich. In dieser
Bei der ADAC Rallye Deutschland prescht man durch die Weinberge an der Mosel.
Hinsicht hat Kylotonn enorm gute Arbeit geleistet und befindet sich mindestens auf dem hohen Niveau von DiRT Rally.
Mehr Simulation als Arcade
Hinsichtlich der Fahrphysik kommt man dagegen (noch) nicht an den derzeitigen Champion aus dem Hause Codemasters heran, doch mit dem größeren Fokus auf ein authentisches Fahrmodell macht man in diesem Jahr zumindest einen großen Schritt nach vorne. Endlich verhalten sich die Boliden meist nachvollziehbar und man kann ein Gefühl für Gewichtsverlagerungen, das Gripniveau sowie die verschiedenen Bodenbeläge samt Witterungsverhältnissen entwickeln. Der stärkere Hang zur Simulation spiegelt sich auch in den Setup-Einstellungen wider: Neben dem oberflächlichen Herumschrauben an Federung, Differenzial, Bremsen, Getriebe und der Aerodynamik lassen sich auch Bedienflächen für Fortgeschrittene öffnen, die weitere Detailanpassungen erlauben.
Das dynamische Wettersystem kann für Überraschungen sorgen.
Abseits der Pisten oder bei Unfällen verlässt man allerdings häufig den Pfad der realen Physik und genau wie das inkonsequente Schadensmodell wirkt auch das Verhalten der Boliden in diesen Situationen nicht immer nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die Controller-Steuerung in den Standard-Einstellungen mitunter arg sensibel reagiert und trotz Anpassungen nicht so präzise oder reaktionsfreudig ausfällt wie bei Dirt Rally. Das gilt auch bei der Verwendung eines Lenkrads, wobei sich hier nach ein paar kleinen Anpassungen ein gelungenes Fahrgefühl mit einem ordentlichen Force Feedback einstellt, das zwar ebenfalls noch nicht ans Vorbild heran reicht, aber ihm zumindest näher kommt. Ein Grund dafür liegt ohne Zweifel in der Darstellung: Während der Rallye-Titel von Codemasters auch auf den Konsolen überwiegend stabile 60 Bilder pro Sekunde auf die Bildschirme zaubert, muss man sich bei WRC selbst auf der PS4 Pro mit nur 30 Bildern pro Sekunde begnügen, was sich auch bei der Physik und Steuerung niederschlägt.