Willkommen in der Warteschlange
Dafür muss ich aber zunächst die Login-Warteschlange und die typischen Startprobleme überwinden, die Blizzard auch mit dem Overwatch 2-Launch immer noch nicht im Griff hat. Klar, dass es ausgerechnet in den ersten Tagen DDOS-Attacken auf die Serverinfrastruktur gab, half jetzt wirklich niemandem. Trotzdem ist auffällig, dass anscheinend nicht genug Kapazitäten zur Verfügung stehen. Wenn ich stundenlang vor einer Einblendung „20000 Spieler sind vor dir“ sitze aber schon längst nicht mehr Start-Dienstag sondern Donnerstagabend ist, dann stimmt wohl ganz eindeutig etwas bei den Server-Kapazitäten nicht.
Neue Helden können über den Battlepass freigespielt werden. Premium-Käufer erhalten die Figuren sofort.
Dazu kommen nervige Fehler, die mal das ganze Heldenroster wieder sperren, Freundeslisten verschwinden lassen oder, so zumindest in Reddit-Threads nachlesbar, auch mal den über sechs Jahre freigeschalteten Fortschritt der ganzen Spielhistorie verschwinden lassen. Klar, das alles wird vermutlich schnell behoben und vor allem die Start-Schmerzen werden in wenigen Wochen vergessen sein. Trotzdem nervt mich die Tatsache, dass AAA-Entwickler auch knapp zehn Jahre nach „Error 37“ immer noch nicht genug stabile Infrastruktur zum Start eines sehnlich erwarteten Mehrspieler-Titels bereithält.
Achtung, Reizüberflutung
Unterstützungs-Charaktere wie Mercy sind essentiell für den Erfolg des Teams. Ohne Heilung oder Buff geht nichts.
Im Standard-Unranked, dem ersten zentralen Overwatch-2-Spielmodus, kann ich mich vor dem Start zunächst auf eine Klasse festlegen, bevor ich mich ins Gefecht stürze. Nach dem Helden-Pick werde ich dann auf eine der hier verfügbaren 27 Karten (davon sind sechs völlig neu) geworfen, die mich mit den genannten Zielen konfrontieren. Tatsächlich ist aber auch hier die Erklärung für den Anfänger eher spärlich gehalten. Dass ich mal einen Punkt erobern und dann die Ladung ins Ziel bringen muss, mal aber direkt losfahren kann – darüber schweigt sich Overwatch 2 aus. Da es keine Mini-Map gibt und die Karten mit mehreren Laufwegen, Chokepoints und Flankierungsoptionen recht unübersichtlich sind, war ich in meinen ersten Matches komplett „lost“, wie die Generation Fortnite wohl sagen würde. Dazu kommt ein unglaublicher Effekt-Overload aus Waffen, Fähigkeiten und Ultimates, die die Schießereien zunächst in völliges Chaos ausarten lassen – zumindest für mich. Bis ich mich zwischen Audio-Hinweisen, Schild-Radien und farbenfrohen Explosionen zurechtfand, vergingen einige Partien. Nicht falsch verstehen: Das macht trotzdem Spaß.
Denn die Gefechte sind schnell, bunt und knackig. Sowohl Schuss- als auch Bewegungsmechanik sind angenehm responsiv und direkt, fühlen sich dabei aber nicht ganz so extrem reaktionsgetrieben an wie bei Valorant. Durch die längeren Lebensleisten hat man oft mehr Zeit zu reagieren und Feinden auszuweichen. Zudem dauern Schusswechsel länger, da Supports heilen und Mercy Verbündete auch wiederbeleben kann. Dadurch entsteht oft ein taktierendes Ringen an den Zielen, bei dem der vom Support unterstützte Tank versuchen den Weg freizumachen, während die Damage Dealer den Feind flankieren, im Nahkampf bearbeiten oder von hohen Positionen aus der Distanz mit Scharfschützengewehren bekämpfen. Außerdem gibt es Respawns, was dem Ganzen in Kombination einen stärkeren MOBA-Touch verleiht, ohne den Shooter zu sehr hintenanzustellen. Trotzdem bleibt meine Einschätzung: Während Valorant primär ein Shooter mit Fähigkeiten ist, ist Overwatch ein Fähigkeitenspiel mit viel Shooter-Mechanik. Es ist dabei wirklich erstaunlich, wie einzigartig sich diese Ausrichtung nach all der Zeit und dem Einfluss, den Overwatch auf seine Genre-Kollegen hatte, immer noch anfühlt.
Einmal mit Profis
Als Soldier 76 spielt sich Overwatch 2 fast wie ein "normaler" Shooter. Fast.
Und das wird verdammt taktisch – zumindest hat mir das ein Overwatch-2-Abend im Squad mit einer Bekannten verdeutlicht, die in ihrem Lieblingsspiel seit 2016 ungefähr so viel Zeit verbracht hat wie ich mit meiner gesamten Steam-Bibliothek. Wo ich nach wie vor nur Chaos sehe, sieht sie taktische Winkelzüge und wo ich hauptsächlich schlecht abgepasste Ultimates ins Nichts feuere, eröffnet sie geschickt neue strategische Möglichkeiten. Ihre Tipps und Spielstil zeigten mir: Da muss was dran sein, an dieser eSport-Tauglichkeit von Overwatch. Und im Gespräch mit ihr ging mir auch endlich auf, warum Blizzard eine „2“ hinter diesen vordergründig wie ein Free-to-Play-Patch wirkenden Nachfolger geschrieben hat.
Mit Overwatch 2 fällt nämlich eine Tank-Rolle weg – statt jede Klasse gleichmäßig mit zwei Spielern zu besetzen gibt es im 5v5 nur noch ein einzelnes Schwergewicht. Und das bricht laut meiner Kampfpartnerin die Gefechte deutlich auf, da Chokepoints nicht mehr mit doppelter Schildpower gehalten werden können. Außerdem wurden auch Fähigkeiten von Helden umverteilt. Vor allem die sogenannte „Crowd Control“, also Angriffe mit Schadensbereichen oder generell großflächigere Effekte, wurde den DPS-Figuren aus der Hand genommen. Das schreibt einerseits den Tanks eine andere Position zu und verändert gleichzeitig die Rolle der Damage Dealer. Insgesamt ist Overwatch 2 durch diese Änderungen laut meiner Ausbilderin wohl spürbar schneller und intensiver als der Vorgänger.