Der Blick zurück
Mafia. Das steht für mich für eine stilvolle Zeitreise in das Amerika der 30-er Jahre. Für Autofahrten über Kopfsteinpflaster, Männer in feinem Zwirn. Und natürlich für eine Geschichte über die „Familie“ von Tommy Angelo, der als Taxifahrer in eine Verfolgungsjagd gerät und von da mittendrin steckt in den Auseinandersetzungen der Familien Salieri und Morello. Geht es anfangs noch um das Zerstören gegenseitigen Eigentums, stehen schon bald viel Geld und Menschenleben auf dem Spiel. So beschreibt es Tommy jedenfalls einem Detektiv, denn die Unterhaltung der beiden stellt den Rahmen der episodenhaften, viele Jahre umfassenden Erzählung.
Und die wird wie im Original in zahlreichen, ausgesprochen stimmungsvollen Filmszenen gezeigt. Wobei die Handlung natürlich die gleiche ist, Einzelheiten aber ergänzt oder verändert wurden. Das fängt damit an, dass im Remake nicht Tommy zu dem Gespräch mit dem Ermittler kommt, sondern der Detektiv den bereits wartenden Mafiosi trifft. Später erlebt man, wie Tommy seine Frau kennenlernt sowie andere Details, die der Geschichte ein wenig mehr Substanz verleihen, was vor allem von einer glaubwürdigen Mimik getragen wird.
Kein Mafia ohne aufwändige Filmszenen - und auch dem Remake sind sie wichtig. Leider wird die Erzählung nicht so erweitert, dass Charaktere und Beziehungen greifbar werden.
Dennoch fehlt dem Skript aus heutiger Sicht ein tieferer Einblick in die Charaktere und ihre Entwicklung. Der Gangsterkrieg als einziges durchgehendes Motiv ist für einen erstklassigen Krimi einfach nicht genug – ein tiefes Verständnis für die gezeigten Freundschaften, die Liebe oder Tommys Loyalität entwickelt man nie. Zusätzlich fällt auf, dass die Technik nicht ganz zeitgemäß wirkt und Gesichter an die „Wachsfiguren“ älterer Yakuza-Spiele erinnern. Auf amüsante Art passt das thematisch zwar, ist aber natürlich ein Dämpfer. Oder dreht die Grafik im eigentlichen Spiel voll auf?
Vom Damm auf Wolkenkratzer
Die größte Stärke des Krimis ist nach wie vor das Erkunden von Lost Heaven am Lenkrad eines Autos oder Motorrads.
Tatsächlich gelingt dem kalifornischen Studio Hangar 13, das vor dem Remake schon
Mafia 3 entwickelt hat, eines richtig gut: Fährt man durch die Straßen von Lost Heaven, befindet man sich wie in einer anderen Zeit. Aus dem Radio schwingt sanfter Jazz, während man an Backsteinbauten, Art-Deco-Architektur und kunstvollen Werbetafeln sowie farbenfroher Leuchtstoff-Reklame vorbeizieht. Spätestens im Regen, wo sich grelle Scheinwerfer durch nebliges Gegenlicht schieben, entstehen eindrucksvolle Kulissen. Ich könnte ewig so durch die Nacht fahren!
Man wird ja nicht ständig daran erinnert, dass man hier dieses, dort jenes tun könnte, denn in Mafia dient die Stadt ausschließlich als Fassade. Es gibt keine Nebenmissionen, keine Events, keine Herausforderungen – und es tut unheimlich gut, einfach nur die Umgebung zu genießen. Zumal die ländliche Umgebung jetzt ohne Ladepausen erreichbar ist, was dem Schauplatz zusätzliche Tiefe verleiht. Vom Staudamm aus auf die Skyline zu zu fahren, versetzt mich beinahe in eine andere Welt.
Fassade ohne Faszination
Aber eben nur beinahe. Ja, es tut gut, diese Kulisse ungestört zu genießen. Doch leider gelingt Hangar 13 etwas ganz Wichtiges mit diesem Remake nicht: Mafia so zu modernisieren, dass es heute dieselbe Faszination ausübt wie vor 18 Jahren. Ich rede nicht davon das Spielprinzip zu verändern! Ich rede davon das ursprüngliche Konzept mit einem modernen Spieldesign zu vereinen.