Erst das Radio anmachen
Ihr habt
The Outer Worlds noch nicht beendet? Kein Problem, ihr müsst auch nicht ganz durch sein, um diese Erweiterung zu spielen. Allerdings müsst ihr die Hauptquest "Radio Freies Monarch" abgeschlossen und dem bekloppten Professor Phineas davon berichtet haben. Das heißt, dass eure Charaktere irgendwo zwischen Level 20 und 25 liegen, was auch empfehlenswert für den Trip der nächsten sechs bis zehn Stunden ist. Denn auf dem Asteroiden Gorgon geht es mit Blaster, Spezialattacken, Zeitlupe & Co richtig zur Sache.
Aber im Zentrum dieser Erweiterung steht eine coole Detektiv-Geschichte, in der Obsidian mal wieder all seine Story- und Dialogqualitäten ausspielt. Eure Crew wird also nicht nur im eher soliden als spektakulären Kampf, sondern auch investigativ sowie rhetorisch gefordert. Es gibt allerdings keine neuen Gefährten, also könnt ihr nur zwei der sechs bekannten Kollegen von der Unreliable in eure Party aufnehmen. Mein Trio habe ich meist mit Nyoka und Parvati vervollständigt. Dabei hat mich gefreut, dass die NSC die Ereignisse mal wieder lebendig kommentieren, selbst wenn Mimik und Gestik statisch wirken. Aber worum geht es überhaupt?
Wenn der Postmann klingelt...
Wer schickt denn bitte einen abgetrennten Arm mit Audio-Botschaft?
...dann kann da auch mal was Komisches passieren. Sobald man von Phineas den neuen Hauptauftrag "Die Stadt und die Sterne" bekommt, meldet sich ein Bote des Halcyon Parcel Service bei der Unreliable und lädt ein Paket im Frachtraum ab. Darin befindet sich der abgetrennte Arm sowie eine Audiobotschaft des Freelancers Lucky Montoya. Der scheiterte scheinbar bei einem mysteriösen Auftrag für die stinkreiche Minnie Ambrose auf dem Asteroiden Gorgon, aber er verspricht reiche Beute, wenn er den Zahltag nicht mehr erleben sollte. Also ist er noch am Leben?
Lust auf eine Detektiv-Geschichte mit Herrenhausflair? Dann hereinspaziert.
Obsidian gelingt es richtig gut, für detektivische Stimmung zu sorgen: Die ganze Crew hört sich die Audiobotschaft an, alle sind neugierig. Und kaum landet man bei Lady Ambrose, entsteht sogar ein wenig spukiges Herrenhausflair. Ihr weites Anwesen liegt im Nebel, Roboter fahren wie untote Diener umher und die Lady erzählt davon, dass Lucky Montoya nachforschen sollte, was in einer Forschungsanlage von Spacers Choice passierte, in der ihre ehrgeizige Mutter als Doktorin arbeitete.
Hatte die Firma etwas zu verbergen? Es ist sehr schön, dass die Story sich nicht komplett vom Plot des Hauptspiels abkapselt, sondern dass man über Besuche bekannter Orte sowie überraschend vieler Computerlogs mehr über diese futuristische Hintergrundwelt erfährt. Hinsichtlich der Kulisse muss man trotz einiger stimmungsvoller Momente en detail einige Abstriche machen, denn selbst innerhalb der meist begrenzten Areale wirkt sie schon etwas angestaubt - vor allem, wenn man
Control oder
Ghost of Tsushima vor Augen hat. Aber dafür gibt es viel zu sehen, denn die Spielwelt ist etwa so groß wie der Planet Monarch aus dem Hauptspiel.
Spurensuche auf dem Asteroiden
Voller Fragen im Kopf gilt es aber zunächst vor Ort zu recherchieren: Man soll in einer Kneipe nach Montoya fragen und am besten das Tagebuch von Minnies Mutter finden, die der Crew quasi alle Reichtümer der Familie dafür verspricht. Natürlich hat das Ganze nicht nur einen, sondern einige Haken, wird im Laufe der Zeit immer verzwickter, je tiefer man gräbt. Dabei gelingt es Obsidian mal wieder sehr gut, vor allem über klasse geschriebene Texte, für die nötigen moralischen Graustufen, rätselhafte Zwischentöne und auch Sympathien zu sorgen. Auch die eigenen Gefährten können einen manchmal ins Grübeln bringen, was man tun soll...
Die Recherche kann beginnen...
Wobei bei all dem der schwarze Humor und die bissige Gesellschaftskritik hinzu kommen, die sich vor allem das heuchlerische Treiben von Werbung und Megakonzernen vornimmt. Natürlich ist das kein Planescape Torment, man bekommt auch einiges vor die Flinte, ohne dass sich jedoch spielmechanisch etwas verbessert hätte. Sprich: Man kann über den Einsatz der Zeitlupe sowie der Spezialattacken seiner zwei Gefährten recht mächtig gegen recht austauschbare humanoide, robotische oder tierische Feinde austeilen. Gerade mit den Wissenschaftswaffen (es gibt auch neue) macht das Gebrutzel und Geblubber, das Verkleinern oder in die Luft jagen durchaus Laune, aber es fehlt an taktischer Tiefe und Abwechslung. Auch die Millionen von Drogen und Items, die man eigentlich nie braucht, kennt man aus dem Hauptspiel. Aber wer sich auf die Story und die Spielwelt konzentriert, der wird gut unterhalten und könnte sich am Ende fragen, ob er das Richtige getan hat.