Ein bisschen Open World
Ich bin mir relativ sicher, dass kein Hüpfspiel-Designer bei Nintendo den 2019er Indie-Hopser
Woddle Tree 2 gezockt und dann gesagt hat: „Genau sowas machen wir auch im nächsten Super-Mario-Spiel“. Nochmal deutlich unwahrscheinlicher dürfte sein, dass man in Kyotos Klempner-Katakomben meinen Test von eben diesem
Woddle Tree 2 gelesen hat. Schade eigentlich - denn dort orakelte ich schon, dass dieser etwas billig anmutende 3D-Hüpfer das Potenzial hat, Blaupause für die nächste Jump’n’Run-Evolution zu sein. Ich zog Vergleiche zur offenen, immer motivierenden Spielwelt eines
Breath of the Wild und lobte die stets lockend aussehenden Plattformen, die man allenthalben vor der Nase hatte.
Woddle Tree 2 setzte im Gegensatz zu einem
Super Mario Odyssey, dem letzten großen Nintendo-Jump’n’Run, nämlich nicht auf mehrere Sandbox-Areale, sondern pflanzte seine in die Vertikale sprießenden Hüpf-Inseln auf eine große, frei begehbare Ebene - das war und ist erstaunlich viel Open-World-DNA für das Plattform-Genre. Warum ich das erzähle? Haargenau dasselbe tut nun auch Bowser’s Fury!
Schnellreise-Möglichkeit: An solchen Pfosten kann man den Klempner über weite Entfernungen flitschen.
Doch bevor ich konkret auf die spielmechanischen Eigenheiten des Zusatzabenteuers eingehe, ein paar Worte zur Entstehungsgeschichte von
Super Mario 3D World: Alles beginnt im November 2010, als Shigeru Miyamoto die Entwicklung zweier Super-Mario-Hüpfer für den 3DS bestätigte. Das eine wurde bekanntlich das goldige
New Super Mario Bros. 2, das andere als
Super Mario 3D Land auf der E3 2011 einer breiten Öffentlichkeit gezeigt. Das erste, originär für einen Handheld entwickelte Mario-Spiel in 3D entfernte sich vor allem aus zwei Gründen weit von der Richtung, die Nintendo mit den beiden
Galaxy-Titeln eingeschlagen hatte: Zum einen musste Mario wegen des kleinen Bildschirms eine größere, zentralere Position einnehmen als in bisherigen 3D-Titeln. Zum anderen sollte die fixe Kameraperspektive laut Nintendos damaligem Präsident Satoru Iwata die seit
Super Mario 64 bestehenden Schwierigkeiten beheben, in 3D punktgenau einen Fragezeichenblock zu treffen. Das Spiel erschien schließlich zum Weihnachtsgeschäft 2011 und wurde mit knapp 13 Millionen verkauften Exemplaren zu einem der Blockbuster für die Klappkonsole, hauchzart übrigens geschlagen von
New Super Mario. Bros 2.
Erneuter Doppelschlag
So breitet sich die Spielwelt von Bowser's Fury nach dem Intro vor dem Spieler aus - das macht doch gleich Lust aufs Erkunden.
Nintendo war vermutlich schnell klar, dass man die diese doppelgleißige Strategie auch auf der nächsten Heimkonsole Wii U fahren könnte -
New Super Mario Bros. U und
Super Mario 3D World waren die logische Folge. Während Ersterem 2012 die Ehre zuteil wurde, Mario ins HD-Zeitalter zu führen, brachte der 3D-Land-Nachfolger
Super Mario 3D World dessen Spielkonzept zur vollen Blüte - mehr Levels, mehr starke Kostüme, mehr Spieler und mehr Abwechslung machten das ebenfalls aus einer fixen Kamerasicht präsentierte 2,5D-Spiel zu einer Jump’n’Run-Perle, wie sie eben nur bei Nintendos Tokioter EAD-Abteilung wachsen kann. Und dennoch, das hat mich beim Spielen überrascht, merkt man diesem Ausnahmetitel des Jahres 2013 an, dass ein paar Jahre ins Land gezogen sind. Übrigens habe ich das auch bei meinem absoluten Lieblingshüpfer
Super Mario Galaxy gemerkt, als ich ihn im Rahmen der
Super Mario 3D All-Stars kürzlich mal wieder durchgezockt habe. War
Super Mario 3D World schon 2013 nicht so fantasievoll überschäumend, so gewagt und - vom reinen Bauchgefühl her - so neu wie ein Galaxy, fühlt es sich 2021 noch einen Tick biederer an. Das liegt zum einen natürlich daran, dass ich alle Level schon kenne, zum anderen boten ein paar Titel der letzten Jahre aber auch einfach frische Impulse: von den kniffligen 2D-Passagen und Fähigkeiten-Upgrades zweier Oris über die kreativen Scharmützel von
Super Mario Odyssey bis hin zu den Controller-Kapriolen von
Astro’s Playroom im vergangenen November.