Keine leeren Versprechungen
„Nutze epische Waffen und zerstörerische Kriegsmaschinerie, um gegen bildschirmfüllende Bosse zu kämpfen und Horden von Gegnern niederzumähen!“ Selten war der Werbetext zu einem Videospiel so ehrlich und so passend. In Mighty Goose dreht sich tatsächlich alles um den reinen Ballerspaß, wenn man mit dicken Wummen gegen pixelige Feindscharen ins Feld zieht. Besonders das Wort „niedermähen“ trifft den Nagel auf den Kopf: Die Kombination aus hoher Schussfrequenz, wuchtigen Extrawaffen, herumfliegenden Patronenhülsen, gelungenem Treffersound, durch die Luft wirbelnden Pixelbrocken und vibrierendem Controller sorgt für ein unglaublich befriedigendes Action-Erlebnis. Seit dem (vorläufigen) Ende der Metal-Slug-Serie vor einigen Jahren habe ich dieses Hochgefühl sonst nur noch in einigen Levels von
Blazing Chrome erlebt - andere ähnlich druckvolle Erfahrungen liegen gar schon Jahrzehnte zurück (Gunstar Heroes, Gun Force 2). In seinem Kern ist Mighty Goose eine strikt lineare, zweidimensionale Run-&-Gun-Achterbahn, die sich auf vielfältige Weise an SNKs
Metal Slug orientiert: Es gibt relativ ähnliche Waffen, Bosse mit vergleichbaren Angriffsmustern und ein ebenso hohes Maß an Zerstörung wie in dem japanischen Arcade-Klassiker.
Immer wieder setzen Transporter feindliche Truppe an - cool, denn das sind mehr Gegner zum Umnieten.
Verantwortlich für Mighty Goose zeichnet der niederländische Allrounder Richard Lems, der schon lange davon träumte, ein eigenes Videospiel zu erschaffen. Mit seinem erst 2019 gegründeten Studio Blastmode, der Mitarbeit von Pixel-Künstlerin Diane de Wilde sowie der Unterstützung durch zahlreiche Patreon-Sponsoren ging sein Wunsch in Erfüllung. Und ich bin beeindruckt vom puren Spielspaß, der in seinem Erstlingswerk steckt. Als Spieler dirigiert man eine Kopfgeldjäger-Gans von links nach rechts durch zweidimensionale Areale - die Spielfigur ist recht groß, der Bodycount noch größer. Während die Hintergründe überschaubar hübsch sind, floß viel Mühe ins Design der Gegner - feindliche Flugroboter, Alien-Käfer oder Boss-Ungetüme sind toll gepixelt und versprühen einen knautschigen Comic-Charme. Meine Gans kann zwar nicht rundum in alle Richtung feuern (sondern nur noch vorn, hinten, oben oder unten), trotzdem fühlt sich die Action schon in den ersten Spielminuten großartig an. Ein dicker Lichtblitz beim Abfeuern der Shotgun, auf den Boden prasselnde Patronenhülsen oder ein kurzer Zeitlupen-Moment, wenn man den Turbo-Modus aktiviert, sorgen für druckvolle Auseinandersetzungen. Praktisch ist die Fähigkeit, beim Schießen nach unten lang in der Luft zu schweben, sowie die raumgreifende Ausweichrolle, während der die Gans unverwundbar ist.
Immer noch besser…
Fliegende Feinde in der Luft, pixeligen Maschinen auf dem Boden - und in der Mitte eine Pixelgans die mit ihrem Blitzgewehr austeilt. Mighty Goose ist Arcade-Action pur!
…wird im Spielverlauf nicht nur die Action, sondern auch meine Spielfigur. Man schaltet reichlich Upgrades frei, von denen aber immer nur ein paar gleichzeitig aktiviert werden können: Die Sprintstiefel beispielsweise verbrauchen 20 der 100 verfügbaren Energie-Punkte, der aufladbare Mega-Goose-Blaster teure 40. Die Anti-Grav-Fähigkeit hält die Gans beim Feuern nach unten länger in der Luft, mit dem Morphball prallt man bei Hechtrollen von Feinden ab. So könnt ihr die Gans frei nach euren Fähigkeiten und je nach Level optimal auf die Aufgaben abstimmen - wobei das Spiel beim ersten Durchlauf bis auf den letzten Bosskampf nie richtig schwer ist. Im danach freigeschalteten New-Game-Plus-Modus geht es jedoch härter zur Sache. Ähnlich wie bei
Metal Slug stehen in manchen Levels Fahrzeuge herum: In einem kleinen Mech haut die Gans kräftig mit Metallpranken zu, hinterm dem Steuer eines Panzers freut sie sich über die Feuerpower und im Cockpit des bauchigen Jets fliegt man wie in einem Shoot’em-Up durchs Level. Alle Fahrzeugen gemein ist nicht nur die gesteigerte Angriffspower, ihr steckt auch ein paar Treffer ohne Energieverlust weg.
Wie mit dem Slug-Flyer in besten SNK-Zeiten: Auch in der Luft überzeugt Mighty Goose.
Wenn es ums Überleben im Kugelhagel geht, ist Mighty Goose spielerisch nicht ganz so ausgefeilt wie ein
Contra oder
Metal Slug: Ihr habt nämlich eine Energieleiste und seid nicht schon beim ersten Treffer tot. Die Feinde teilen zwar ordentlich aus, doch wer die Ausweichrolle häufig nutzt, überlebt manch chaotische Stelle auch schon mal zufällig. Drei weitere Features wiederum bringen taktischen Tiefgang in die 2D-Action: Als Sekundärwaffe kann man eines von acht (freischaltbaren) Items nutzen - darunter Bomben, die nach kurzer Zeit explodieren, eine magische Sanduhr, die die Zeit langesamer ablaufen lässt, oder ein Würfel, der mitkämpfende Skelette beschwört. Ähnlich hilfreich sind die Belgeiter, die man in manchem Level befreit und von denen man fortan stets einen an seiner Seite weiß: Während die bewaffenete Stockente keine große Hilfe darstellt, teilt der Roboter mit seinem Raketerwerfer schon derber aus - am besten ist der schweinische Waffenmeister, der euch endlos mit frischer MG-Munition versorgt. Schlussendlich sammelt man in den Levels noch Schrauben auf, die man via Pause-Menü im Shop ausgibt: Dann bringt eine Versorgungsdrohne ein cooles Blitzgewehr, eine dicke Schrotflinte oder sogar ein Gefährt heran. Zusammen mit den sporadisch von toten Feinden spendierten Medipacks gibt es also eine Reihe von Helferlein, die dafür sorgen, die Pixelgans auch im wüsten Ballerchaos eine gute Überlebenschance hat.
Anspruchsvolle Plattformpassagen gibt es nicht, dafür ein paar besonders rasante Auto-Scroll-Abschnitte sowie ein paar Mini-Backtracking-Passagen, wenn man Schalter öffnet - dies sorgt für ein Mindestmaß an Abwechslung in der circa dreistündigen Ballersause. Mighty Goose läuft auch im Mobilbetrieb der Switch flüssig, was in Anbetracht der Optik aber auch erwartbar ist. Der stets an- und abschaltbare Koop-Modus ist leider nicht so prickelnd, der zweite Spieler kann nämlich nur den aktuell ausgewählten Begleiter mitsamt dessen beschränktem Repertoir auswählen und verfügt über keine eigene Lebensleiste.