Die Welle der Verschwörungen
Denn obwohl Adam im Grunde einen Auftrag nach dem nächsten für David Sarif erledigt, hat er zwischendurch oft Zeit zum Luftholen. So kann er sich ähnlich wie Alex in Deus Ex: Invisible War frei in Städten wie Detroit oder Shanghai bewegen. Tatsächlich habe ich mehr als 20 Stunden in jeder der Städte zugebracht, weil es so unheimlich viel zu entdecken gibt! An den Gesprächen der Einwohner untereinander konnte ich mich z.B. nicht satt hören. Alleine die Tatsache, dass viele Menschen in Shanghai lange Gespräche auf Chinesisch halten, verdeutlicht die Mühe, die sich Eidos mit der Ausstattung der Kulisse gegeben hat. Überall liegen Zeitungen mit interessanten Meldungen, Bücher erklären die drei zentralen Standpunkte in Bezug auf die künstlichen Körperteile,
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Über Tablets, Bücher, Zeitungen, Fernsehsendungen oder Emails lernt man die umfangreiche Zukunftsvision kennen. |
andere beschreiben medizinische Hintergründe. Unzählige persönliche und geschäftliche Emails geben Einblicke in Privat- und Geschäftsleben. Und dann legt Eidos noch ganz unaufdringlich das erzählerische Fundament für das, was ein gewisser JC Denton in 25 Jahren erleben wird...
Unglaublich motivierend ist die Art und Weise, mit der man Computer, Terminals oder Schlösser hackt, denn das Minispiel ist ein kniffliges Puzzle. Das wird spätestens dann haarig, wenn der Computer den Hacker bemerkt und versucht, dessen Position aufzuspüren. Beide Parteien nehmen dabei Knotenpunkte ein, was je nach Stärke des Schlosses eine Weile dauern kann. Teure Hilfsprogramme nehmen einen Knoten umgehend ein, andere halten den Countdown einige Sekunden auf. Traut man es sich zu, holt man an Bonusknoten Geld, Erfahrungspunkte oder Hilfsprogramme, bevor man den Computer endgültig knackt - ein ebenso gewagtes wie befriedigendes Unterfangen! Klasse auch, dass Adam während des Hackens noch den Kopf drehen kann, um nach Wachen Ausschau zu halten. Monitore wirken so wie echte Bildschirme, anstatt separate Spielfelder zu sein.
Stilvolles Stillleben
Zurück auf die Straße, wo es durchaus seltsam anmutet, dass fast alle Passanten stundenlang am Fleck stehen und Adam lediglich auf Knopfdruck ein paar Zeilen Text zuwerfen. Echte Unterhaltungen führt er nur mit Auftraggebern. Einbrüche werden selten geahndet und falls man Gewalt anwendet, wird Jensen von der Polizei gejagt - wurde der Alarm aufgehoben, erinnert sich aber kein Polizist mehr an sein Gesicht. Ärgerlich ist das besonders dann, wenn einer der Polizisten sein ehemaliger Partner ist. Adam könnte ihn beliebig oft angreifen - solange er ihn nicht umbringt, wird er später stets ganz normal mit ihm reden. Ein modernes Rollenspiel ist Human Revolution nicht. Dazu fehlen wichtige Konsequenzen und eine glaubwürdige Welt. Als facettenreiches Stillleben, in dem selbst Kunstliebhaber immer wieder etwas entdecken, ist es allerdings das Musterbeispiel einer hervorragenden Kulisse.
Nicht zuletzt, weil es grandiose Ansichten zeigt! Leuchtende Reklametafeln, dunstige Straßenzüge, gedrungene Altbauten unter strahlenden Glastürmen: Wer Human Revolution spielt, ist im Paradies der Science-Fiction-Fantasien. Es ist nicht nur das Blade Runner in den Straßen, auch die Inneneinrichtung haben begnadete Architekten entworfen. Selbst wenn sie mit wenigen Strichen gezeichnet wurden, haben alle Räume eine markante Struktur.
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Sowohl Innen- als auch Außenarchitektur beweisen, dass begabte Künstler wichtiger sind als gute Techniker. |
Einfache Farben und Formen bestimmen das Bild - gelungene Pinselstriche, die zeigen, wie viel wichtiger gute Künstler im Vergleich zu aufwändiger Technik sind. Denn ein technisches Meisterwerk ist auch dieses Deus Ex nicht: ausgefranste Schatten fallen auf Konsole ebenso auf wie die grob geschnitzten Gesichter in vielen Dialogen auf allen Plattformen. In der deutschen Ausgabe stören außerdem falsche Betonungen und dass die gesprochenen Texte immer wieder nicht zu den Bewegungen der Lippen passen. Schade, dass die hervorragend besetzte Originalversion in der deutschen Konsolenversion nicht enthalten ist.
Besonders einmalige Auftraggeber fallen mit ihrer starren Mimik auf; stehen lassen sollte man sie trotzdem nicht! Immerhin sind die Aufgaben, die sie Adam auftragen, keine drögen Lieferdienste. Stattdessen bestehen fast alle dieser kleinen Gefallen aus erzählerisch interessanten Missionen, die nicht nach zwei Begegnungen mit dem Auftraggeber schon beendet sind. Manche erfordern moralische Entscheidungen, in einer erfährt Adam mehr über seine Vergangenheit. Ärgerlich sind gerade beim freien Erkunden die Ladezeiten, die man beim Betreten einiger Gebäude oder beim Wechsel zwischen den zwei chinesischen Stadtteilen überstehen muss. Dennoch habe ich mich selten besser aufgehoben gefühlt als in dieser düsteren Zukunft.