Hilfe von außerhalb
Eines dieser perfiden Rätsel ist ein vielgliedriger Schlüssel zum Aufzug, der angeblich den Weg in die Freiheit öffnet. In der Praxis lassen sich seine verschnörkelten Stifte aber nicht so zurechtpuzzlen, dass er in das Loch passt. Also müssen Kurks Kontakte außerhalb der Station aushelfen, die den Schlüssel handwerklich in die benötigte Form bringen können. Um einen Boten-Vogel ans Fenster zu locken, muss ich in einer anderen „Zelle“ einen metallenen Automaton-Vogel mopsen und ihn am Fenster in Betrieb setzen. Im Kontext der mechanikverrückten Spielwelt wirkt das durchaus logisch. Auch der Großteil der übrigen Rätsel überfordern den Spieler nicht mit zu durchgeknallten Ideen oder Kombinationen. Im Gegenzug erschweren aber Probleme bei der technischen Umsetzung das Knobeln: Manchmal irrte ich ahnungslos durch die Gänge, weil die vorgegebene Kamerargie zu oft und seltsam zwischen den Perspektiven wechselte und ich so wichtige Kleinigkeiten Kleinigkeiten übersah. Allein beim Gang durch den zentralen Aufenthaltssaal änderte sich die Einstellung alle paar Sekunden, was ein wenig an die angestaubten Kameras aus Resident Evil 1 erinnerte. Ich wusste z.B. auf Anhieb, dass der mechanische Vogel ein wichtiger Gegenstand zum Anlocken des gefiederten Boten war. Wo genau ich ihn platzieren musste, erschloss sich mir aber erst, als mir ein Entwickler auf die Sprünge half.
Stalker als Adventure?
Uhrmacher Simon Steiner ist ein alter Gefährte von Hans Voralberg und entwickelte zusammen mit ihm die mittlerweile wildgewordenen Rettungs-Roboter der verseuchten Stadt.
In der später erforschbaren Stadt Baranour spielen die Mechanik und Automaten eine noch größere Rolle. Der Ort ist in der Welt von Syberia das Gegenstück zu Pripyat – also die sowjetische Vorzeigestadt, welche im Jahr 1986 nach dem Atomunglück von Tschernobyl geräumt wurde und bis heute verlassen ist. Dort treiben mechanische Roboter ihr Unwesen, welche nach einem Supergau für die Rettungs- und Aufräumarbeiten entwickelt wurden, später aber durch einen Systemfehler Amok liefen. Ähnlich wie in den Vorgängern trifft man in der postapokalyptischen Umgebung wieder einen freundlich gesinnten Androiden, der dem Spieler erhebliche Vorteile bei der Durchquerung der verstrahlten Zonen verschafft. Zeigt Kates Spezialbrille zu viel Radioaktivität an, wechselt man einfach zum Blechkollegen, um mit weniger Angst vor Strahlenschäden durch die Stadt zu spazieren und z.B. einen Eingang auf einem Kuppeldach zu öffnen.
Um den Spieler stärker ins Geschehen einzubinden, setzen die Entwickler immer wieder auf ausgelagerte Puzzle-Bildschirme, bei denen man mehrere Objekte umher bewegt oder anderweitig manipuliert. So wühlt man z.B. in einer Schublade herum und schiebt allerhand nutzloses Gerümpel beiseite, bis man schließlich einen nützlichen Gegenstand findet – darunter z.B. die Pläne für den bereits erwähnten Spezialschlüssel. Die mit den Analogsticks ausgeführten Bewegungen sind dabei an die der Hände angelehnt. In erster Linie wurde die Steuerung also fürs Gamepad optimiert, man darf aber auch Maus und Tastatur nutzen. Drei wählbare Schwierigkeitsgrade blenden mehr oder weniger Anzeigen ein: Ein dickes Kreuz symbolisiert z.B., dass man an diesem Ort später etwas kombinieren kann, sobald man die entsprechenden Gegenstände gefunden hat. Auch die in Dialoge eingebundenen Hinweise werden vom Schwierigkeitsgrad beeinflusst.
Mechanik-Nostalgie
Wo ein Schneestrauß ist, ist auch ein Weg.
Zudem gibt es trotz weitgehend linearer Handlung alternative Abzweigungen. Als ich etwa im Gespräch mit der sadistischen Dr. Olga auf Konfrontation setzte, ließ sie sich das nicht lange bieten und rammte mir überraschend eine Betäubungsspritze in den Arm. Ein anderer Teilnehmer des Events zeigte sich kooperationsbereiter, so dass ihm die Szene erspart blieb. Als ich aufwachte, erwarteten mich aber die gleichen Konsequenzen wie ihn, so dass die Geschichte danach ähnlich weiterging. Wird man in Baranour von wild gewordenen Roboterhunden angefallen, kann man sich wehren, indem man etwa ein Feuerwehrauto repariert und sie sich mit Hilfe des Wasserdrucks vom Leib hält. Als ich Sokal nach den Hintergründen für seine Vorliebe für mechanische Technik befrage, erläutert er:
„Steampunkt ist Nostalgie für etwas, das man verstehen kann. Elektronik durchschaue ich nicht: Ich nehme das Ergebnis wahr, z.B. Licht oder Musik, aber Mechanik kann mein Gehirn leichter erfassen. Automaten waren als Technologie sehr wichtig und hatten Anfang des 20. Jahrhunderts einen großen Erfolg, bevor sie in den Sechzigern vom Quartz und der Elektronik verdrängt wurden. Es gab viele kleine Fabriken in den Bergregionen Frankreichs. Manche Einwohner, die in den kalten Wintermonaten wenig zu tun hatten, tüftelten in dieser Zeit Automaten aus. Solch eine Technologie, die irgendwann einfach von der Bildfläche verschwand, hat einfach mein Interesse geweckt. Das ist ähnlich wie bei der Dampflokomotive: Die letzte Dampflok war ein sehr hübsches, mächtiges Objekt. Die erste Elektro-Lok war dagegen nicht besonders interessant. Klar es war eine neue Technologie, effizienter, leichter zu bedienen – aber mein Interesse gilt eben dieser letzten Stufe einer alten Technologie – in vielen Bereichen wie einer Uhr oder dem Zug. Für mich ist das einfach fantastisch!“