Neuer Lack, alte Risse
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Die Saints nehmen weder sich noch andere Action-Kracher ernst...
Und die ersten zwei Stunden der Vorschau-Fassung, in der ich teilweise auch nur durch die Gegend gefahren bin, um die neue (Arcade-)Fahrphysik zu prüfen, die auch den PS- und Handling-Unterschied zwischen den Boliden gut vermittelt sowie die runderneute Kulisse in Augenschein zu nehmen, hinterließen einen sehr guten Eindruck. Ja: Die Engine hat auch in Steelport noch mit Tearing zu kämpfen, das allerdings zu Lasten von nicht immer flüssiger Bildrate auch durch Ziehen der V-Sync-Option behoben werden kann.
Diese „Pest oder Cholera“-Lösung ist zwar nicht optimal und unterstreicht, dass Volition in dieser Hinsicht immer noch hinter den Kollegen von Avalanche oder Rockstar zurückhängt, was sich auch am häufig eintönigen Design der Zivilisten festmachen lässt. Doch dank des insgesamt gelungenen Artdesigns kann ich über etwaige Schwächen der Kulisse hinweg sehen. Es ist zwar schade, dass Volition hier scheinbar nicht zu Potte kommt, doch das macht als verbindendes Element aller Teile mittlerweile auch den Charme aus.
Zumal abseits der Kulisse der Fokus auf puren Spaß gelegt wird. Seien es nun die Hauptmissionen, die Nebenaktivitäten (von denen man als Kenner der Vorläufer leider schon viele kennt, sich aber z.B. über die Reality-TV-Show freut, in der man diverse Maskottchen über den Haufen schießen kann) oder einfach nur das Streunen durch die Stadt, um die vielen Verstecke von Gangs oder Gimmicks zu finden.
"Hast du grad gesagt, isch bin doof?"
Doch mit zunehmender Spieldauer (für diese Vorschau habe ich nach etwa einem Drittel der Hauptstory aufgehört) werden einige KI-Probleme deutlich, die bereits mittelfristig den Wertungs-Fortschritt der Saints in Steelport aufhalten können: Gegner verhaken sich in Wänden. Sie lassen sich einfacher als Moorhühner von der Bildfläche putzen. Sie machen keinen Anschein, zumindest einigermaßen konstruktiv miteinander zu arbeiten, um mir das Leben schwer zu machen. Sprich: Man muss sich derzeit schon verdammt blöd anstellen, um sich den Aufstieg zu verbauen.
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In der deutschen Version wird es nicht möglich sein, Zivilisten als Schutzschild zu verwenden. |
Dummerweise ist aber auch um die KI der Mitstreiter nicht gut bestellt. In Gefechten verhalten sie sich zwar passabel - auch wenn sie sich manchmal von Boss-Charakteren zu einfach abschießen lassen. Doch in Missionen, in denen man aufsie als Fahrer angewiesen ist, wünscht man sich, dass man statt der treuen Saints-Kameraden von Stevie Wonder kutschiert würde. Der Chauffeur eiert im wahrsten Sinne des Wortes über die Fahrbahn und hat riesige Probleme mit der Wegfindung: Er fährt skrupellos durch gegnerische Territorien, als ob es kein Morgen gibt, hat Schwierigkeiten, einer Ampel auszuweichen, die natürlich vollkommen unerwartet vor ihm auftaucht und weigert sich beharrlich, aufs Gas zu treten, wenn wir verfolgt werden. Sprich: In diesen Momenten ernüchtert das Spiel.
Spaßbremse?
Das ist insofern schade, da Volition inhaltlich ein All-You-Can-Eat-Menü auftischt, das im Bereich der Open World-Spiele einzigartig ist und wie in den Vorgängern miteinander verzahnt wird: Gelungene Aktionen (egal ob Aktivitäten, Stunts oder Missionen) bringen Respekt und/oder bare Münze.
Je mehr Respekt man hat, umso mehr Upgrades kann man für sich und seine Gang freischalten. Das beginnt bei besserer Bewaffnung oder einem vergrößerten Munitionsgurt und hört erst bei Gesundheit oder besserer Ausrüstung für die Saints auf, die man nach wie vor als Helfer an seine Seite rufen kann. Allerdings ist die Freischaltung der Upgrades nur die eine Seite, denn bevor man sie nutzen kann, muss man seine mühsam verdiente Kohle investieren. Mit dieser Wechselwirkung aus nötigem Respekt und erspieltem Geld schafft es Volition immer wieder, mich zu den eigentlich unwichtigen Nebenmissionen zu locken oder zu einer feindlichen Gebietsübernahme zu bringen, damit mein stündlich in der Stadt generiertes Einkommen steigt - ein ebenso einfaches wie motivierendes Prinzip.