Appetithappen am PC
Ich bin Kickstarter-Unterstützer der ersten Stunde (genau gesagt: Nr. 20.646) und habe im Juli 2015 mit großer Vorfreude 120 US-Dollar springen lassen, damit dieses Herzensprojekt fortgesetzt werden kann. Unglaubliche 18 Jahre nach der Dreamcast-Veröffentlichung von
Shenmue 2 ist es fast soweit - Shenmue 3 steht in den Startlöchern! Endlich erfahre ich, wie es mit Ryo Hazuki und Shenhua nach dem unbefriedigenden Ende von Teil 2 weitergeht. In den letzten Wochen hatte ich reichlich Spiele vor der Nase: Nach u.a.
Blasphemous,
Luigi's Mansion 3,
Call of Duty: Modern Warfare und zuletzt der
Capcom Home Arcade war endlich eine kleine Lücke - bevor am Freitag für mich (und viele von euch) das Unterfangen
Death Stranding beginnt. In diese Lücke passte perfekt: die PC-Demo von Shenmue 3. Privat habe ich zwar die PS4-Version geordert, weil die
Shenmue-Reihe für mich ein Konsolen-Ding ist, als Vorab-Happen kam die „Backer Trial Version“ (inklusive deutlicher Game-not- final-Einblendung) aber gerade recht. Über die Epic-Games-Store-Exklusivität wurde in der Vergangenheit bereits vieles gesagt, aber klar - auch die Demo erhielt man nur über den großen Steam-Konkurrenten…
Im Menü darf man Ryo die ikonische Jacke ausziehen - es wird wohl auch andere Kleidungsstücke im Spiel geben.
Wer wie ich Shenmue 3 schon auf der letzten E3-Messe oder gamescom angespielt hat, stellt zunächst enttäuscht fest: Es ist derselbe Abschnitt. Irgendwo mitten im Spiel verabschiedet sich Ryo Hazuki, Held der Serie und Liebhaber brauner Jacken, von Shenhua - jener mysteriösen Frau, auf die man in den letzten Spielstunden von
Shenmue 2 traf. Ziel der Demo ist es, im urigen Dörfchen Bailu Village einen Buchmacher mit Narbe im Gesicht zu finden und ihn im Kampf zu besiegen. Die Trial-Version endet, wenn das geschafft ist oder die Spieluhr 9 Uhr abends anzeigt. Der große Vorteil im Vergleich zu den Messe-Demos: Man hat mehr Zeit zum Herumstreifen und Plaudern, für Capsule-Toy-Automaten und Glücksspiel. Und kann die Demo natürlich jederzeit von vorne beginnen. Mit einem Xbox-One-Controller steuert sich Shenmue 3 sehr ordentlich, besonders flink reagiert Ryo aber nicht auf meine Eingaben; Grafikoptionen oder eine Speichermöglichkeit gibt es in der Demo noch nicht.
Technisch nicht taufrisch
Zwar sind die faltigen, bisweilen comicmäßig übertriebenen Gesichter hübsch modelliert, in Bewegung sehen sie allerdings nicht nach dem Jahr 2019 aus, auch Ryos Geh- und Rennanimationen wirken immer noch sehr steif und ungelenk. Wer die alten
Shenmue-Teile mag, kann sich damit zwar anfreunden - auf Spieler ohne diesen Retro-Background wirkt das aber abschreckend. Das gilt nicht zwingend für die Umgebungsgrafik: Zwar enttarnt man beim Schultertasten-Zoom auf Lebensmittel oder Möbel viele unscharfe Texturen, der (etwas kitschig-bunte) Gesamteindruck aus Fluss, Bergen, Hütten und Blumenwiesen aber ist stimmig und darf durchaus als ansehnlich bezeichnet werden. Die Bildrate bleibt stabil, Kameraschwenks sind flüssig - schaut man sich die Spielszenen hinterher im Video jedoch genau an, wird deutlich, wie stark Blur-Effekte bei Charakterbewegungen eingesetzt werden.
Der alte Holzmichl: Ryo hackt im Minispiel Holz - das macht ein paar Runden lang Laune.
Dank der Demo-Neustart-Funktion habe ich viel Zeit, alle Gimmicks und Minispiele der Trial-Version auszuprobieren: Kugel-Glücksspiel am schrägen Nagelbrett und Um-die-Wette-Würfeln sind so simpel wie eh und je, das Ziehen von Figuren aus den Capsule-Toy-Automaten weckt sofort nostalgische Gefühle in jedem
Shenmue-Fan. Und dann erbeute ich auch noch die Plastikfigur von Ryos Jugendliebe Nozomi Harazaki - ach, was war die Motorradfahrt kurz vor dem Finale des ersten Teils doch rührend! Doch zurück zu Shenmue 3, dessen Minigames einen durchwachsenen Eindruck hinterlassen: Das Schildkrötenrennen ist von der Idee her witzig, spielerisch aber nicht mehr als eine Knöpfchen-Drück-Einlage. Gewitzter ist das Holzhacken: Hier müsst ihr Gespür für Timing haben und könnt Ryos Börse so merklich füllen. Geradezu banal ist eine Trainingsdisiziplin im örtlichen Dojo - damit Ryo die Balance hält, müsst ihr endlos lange stupide die Nach-unten-Taste betätigen.
Kampfkünstler
Kung-Fu-Sparring im örtlichen Dojo: Verbessert eure Fähigkeiten durch raschen Drücken der eingeblendeten Button-Folgen.
Vor 20 Jahren war das ursprünglich als Virtua Fighter RPG (und für Sega Saturn!) konzipierte Shenmue mit seiner semi-offenen Welt nicht nur technisch eine Schau, sondern überzeugte auch durch seine anspruchsvollen Kloppereien. Heutzutage jedoch gibt es viele qualitativ hochwertige Games mit riesigen Welten und trotzdem guten Kampfsystemen - in Assassin’s Creed Odyssey zum Beispiel machen die flotten Klingentänze auch nach 50 Stunden noch Laune. Durch seinen Fokus auf echte Kampfkunststile und den Verzicht auf Waffen bedient Shenmue 3 aber auch 2019 eine wenig bevölkerte Nische, zudem ist die DNA von
Virtua Fighter, einem der besten 3D-Beat’em-Ups, noch immer präsent. Ein paar geschmeidigere Animationen und besseres Feedback, wenn man einen Schlag abbekommt, stünden den Fights aber gut zu Gesicht. Außerdem bin ich gespannt, wie sehr und wie rasch ich meinen persönlichen Ryo durch Trainingsspiele, Sparring und das Kaufen von Move-Schriftrollen im fertigen Spiel weiterentwickeln kann - das war in der Vorab-Version leider noch nicht absehbar