Das Drama mit der Dramaturgie
Daher lege ich große Hoffnung in die Drehbuchschreiber, die in der gespielten Version eine untergeordnete Rolle spielten. Hier ging es vorrangig darum, zu zeigen, was man in Medici alles machen kann. Und das ist abseits von sehenswerter Zerstörung sowie der politischen Befreiung eine Menge. Allerdings auch eine Menge Standard-Zeugs: Auto-Rennen gehören ebenso zum guten Ton wie der asynchrone Vergleich mit Freunden. Wer hat den längsten Freefall hingelegt? Wer die weiteste Strecke mit dem Wingsuit? Höchstgeschwindigkeit? Treffergenauigkeit? Missionsdauer? Es scheint, als ob Avalanche an alle möglichen Vergleichsoptionen gedacht hat, um über dieses einfache Mittel die Spieler zusätzlich zu motivieren. Solange es nicht als Ersatz für eine ordentliche Dramaturgie geplant ist, habe ich nichts dagegen.
Die Bewegungsfreiheit ist grenzenlos: Fahren, fliegen, Fallschirm, Wingsuit gehen nahtlos ineinander über.
Immerhin gab es mit erzählerisch angehauchten Funksprüchen die Andeutung, dass Medici nicht nur der imposanten Explosionen wegen befreit wird. Dabei ist mir bewusst, dass auch die ersten beiden Teile nie und nimmer in die Auswahl für den Oscar für das beste Skript gekommen wären. Doch ähnlich wie Nathan Drake und Sully haben auch Rico und sein Partner Tom Sheldon eine interessante Dynamik à la Hollywood-Buddymovie aufgebaut. Ich bin gespannt, was Just Cause 3 in dieser Richtung auffahren wird.
Schöne bunte Mittelmeerwelt
Dabei bezweifle ich allerdings jetzt schon, dass man auch nur annähernd die Qualität der Kulisse egalisieren kann. Ich durfte zwar nur auf einer verhältnismäßig kleinen Insel mit Rico für Recht und Unordnung sorgen, doch weder bei Sichtweite, Detailfreude hinsichtlich der Architektur und schon gar nicht bei der angerichteten Zerstörung kann ich großartig meckern. Ja: Das eine oder andere Clipping sollte noch behoben werden. Und gelegentlich fiel die Bildrate ab - niemals so, dass es Spiel beeinflussend wäre und natürlich weiß ich, dass bis zum Release am 1. Dezember dieses Jahres noch ausreichend Zeit vorhanden ist, die zur visuellen Optimierung genutzt werden kann. Doch das wirkt angesichts des Rests der Prachtkulisse
Die Explosionen sind sehr beeindruckend.
wie Tropfen auf den heißen Sandstrand. Die Explosionen z.B. sind derzeit das Maß aller Dinge. Als ich aus sicherer Entfernung mit einem Raketenwerfer die nahe gelegene Tankstelle unter Beschuss nahm (natürlich nur, weil daneben ein Militärjeep parkte), wurde ich mit einem gleißenden Feuerball belohnt, wie ich ihn noch nie in einem Spiel gesehen habe - Eyecandy in Reinkultur.
Die prozedural generierte und auf Havok-Physik beruhende Zerstörung kann sich ebenfalls sehen lassen. Zwar kann man nicht alle Bauwerke in Schutt verwandeln, doch wenn die in den Himmel ragenden Antennenmasten mit ihren Dutzende Meter durchmessenden Parabolspiegel in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus, die mit multiplen (sowie regulierbaren) Greifhaken verbundenen Gegenstände (bis hin zu Autos) zu Waffen werden oder die stark frequentierte Brücke einstürzt wie ein Bauklotz-Bauwerk (am besten in das physikalisch korrekt reagierende Wasser des Mittelmeeres), stellt sich die Frage nach den Kollateralschäden in der Zivilbevölkerung erst beim zweiten Nachdanken. Und vielleicht schafft es Avalanche, auch darauf Antworten in Form von Konsequenzen etc. zu finden. Es wäre ihnen zu wünschen, denn beim Thema "Bis zum Bersten gefüllter Abenteuer-Spielplatz in offener Welt" macht ihnen eigentlich keiner etwas vor.