Fortschritt ist nicht aufzuhalten
Doch abseits dieser Punkte ist Just Cause 4 auf dem besten Wege, sich in diesem Jahr der starken Open-World-Abenteuer als weiterer lohnenswerter Vertreter zu präsentieren. Denn ausgehend von den bisherigen Stunden in Solís konnten die Inhalte zusammen mit der sehr ansehnlichen Umgebung sowie den erneut über alle Zweifel erhabenen Explosionen über die KI-Mankos hinwegtrösten – vor allem, wenn noch ein paar Optimierungen hinsichtlich der Wegfindung stattfinden. Über Aufbau und Dramaturgie der Story lässt sich zwar noch nicht allzu viel sagen, da man nicht den Einstieg spielen konnte, sondern mitten ins Geschehen geworfen wurde. Doch die Verknüpfungen, die in den solide inszenierten Zwischensequenzen angedeutet wurden, machen auf jeden Fall neugierig und geben Hoffnung, dass das Drehbuch nicht nur auf Feuerbälle und viel Krawumm baut, sondern auch die Figuren entsprechend in Szene setzt. Zudem fällt auf, dass die deutsche Sprachausgabe einen deutlich besseren Eindruck hinterlässt als beim Vorgänger, in dem Moritz Bleibtreu in der Rolle von Rico Rodriguez keine glückliche Figur machte. Ebenfalls sehr angenehm: Sowohl das Stiften von Chaos (sprich: die Zerstörung der staatlichen Einrichtungen) als auch viele der bekannten und vor allem der neuen Nebenaktivitäten scheinen zielgerichteter in den Spielverlauf integriert zu sein.
Egal ob in einem Sandsturm oder nicht: Die Explosionen machen einiges her.
Immer noch sind die Wingsuit-Herausforderungen, die Rennen sowie weitere Spielereien notwendig, um sich Punkte für Upgrades zu verdienen. Da diese aber an Personen gebunden sind, die wiederum nicht nur eine eigene Storyline haben, sondern entsprechende Spezialisierungsoptionen für den Greifhaken erlauben, ist die Notwendigkeit für diese nach und nach auf der riesigen Karte auftauchenden Aktivitäten deutlich höher als in Just Cause 3. Denn der Greifhaken ist mit seinen neuen Ausrüstungsmöglichkeiten fast schon so wichtig wie Rico selbst. Es stehen drei Konfigurationen zur Verfügung, zwischen denen man jederzeit umschalten und noch wichtiger: die man ad hoc verändern kann. Neben dem Zugmotor, der z.B. das Verbinden von zwei Gegenständen erlaubt, bevor man sie aufeinander zuschnellen lässt, hat man die sogenannten Luftheber (quasi einen Ballon) sowie Schubraketem zur Verfügung. Und dies wird im späteren Verlauf mit entsprechenden Upgrades auch spielmechanisch relevant, da einem neue Optionen zur Verfügung stehen, wie man die gegnerischen Anlagen formschön zerlegen kann – natürlich alles im Rahmen einer korrekt eingesetzten Physik. Lasst einfach eurer Fantasie freien Lauf und malt euch aus, wenn man einen schweren Panzer mit Hilfe von entsprechend zahlreichen Ballons und Schubraketen zu einer schwebenden Festung macht. Mit zahlreichen freispielbaren Upgrades kann man weitere Modifikationen zuschalten wie z.B. den „Impuls“, der zwei mit dem Zugmotor verbundene Gegenstände nach dem Aufeinandertreffen voneinander weg schleudert. Die Möglichkeiten, mit der Umgebung und hier insbesondere den Gegnern sowie ihrem Gerät zu experimentieren, sind enorm und zeigen, dass Avalanche nicht nur bei der Kulisse oder der Story, sondern auch dem „Spielplatz“-Gedanken auf den Stärken der Vorgänger aufbaut. Und man nutzt es für clevere Rätsel, wenn man z.B. riesige Granitkugeln manipulieren muss, um versteckte Höhen zu öffnen – hier weht gelegentlich sogar ein Hauch von Tomb Raider.
Taktik à la Just Cause
Auch die Eroberung der Gebiete, die beim Vorgänger zu der ewig gleichen sowie auf Dauer ermüdenden Nebenaufgaben-Schleife wie dem Zerstören von Lautsprechern, dem Erobern von Gefängnissen usw. geführt hat, wirkt bei Just Cause 4 harmonischer. Über das Stiften von Chaos oder besondere Missionen werden Rebellen-Truppen freigeschaltet, mit denen man die Grenzen zwischen befreiten und besetzten Gebieten auf der Übersichtskarte verschieben kann. So hat man eine größtmögliche Freiheit, welche Areale man sich als nächstes vornimmt, wobei davon auszugehen ist, dass es im Rahmen des erzählerischen Fortschritts eine ideale Reihenfolge und entsprechende Vorschläge gibt. Dieses leicht taktische Element wertet
Die Wetterphänomene des fiktiven südamerikanisches Landes wurden alle mit einer spezifischen Reihe von Missionen versehen.
die Action definitiv auf, muss sich allerdings langfristig beweisen. Können die Feinde z.B. Truppen auch zurückschlagen? Darf man sich bei bereits eroberten Bereichen nicht zu sicher fühlen, da ein dynamischer Gegenschlag zu erwarten ist? Die Antwort darauf können wir erst im Test geben, da die zur Verfügung stehende Zeit nicht gereicht hat, um alle Details zu erfassen.
Denn viel zu häufig habe ich mich dabei ertappt, wie ich auf der Karte auf ein Missionssymbol oder eine Aktivität klickte, um einen Wegpunkt anzulegen, mich auf die Reise gemacht habe und die Kulisse in mich aufsog, während ich mich entweder zu Lande oder in der Luft dem Ziel näherte. Klar: Die Wüstengebiete erinnern schon irgendwie an Mad Max – vor allem, wenn ein beeindruckender Sandsturm die Sicht einschränkt und man Schwierigkeiten hat, auf den Beinen zu halten. Doch mit seinen gelungenen Wechseln aus urbanen und ländlichen Gebieten oder den verschiedenen Klima- sowie Wetterzonen demonstriert Avalanche die Fähigkeiten der Apex-Engine auf beeindruckende Weise. Da zudem die Missionen (zumindest bislang) ebenfalls besser in die Welt integriert scheinen, stehen die Chancen verdammt gut, dass sich Just Cause 4 als Open-World-Abenteuer mit Assassin’s Creed Odyssey, Spider-Man und Red Dead Redemption 2 bis ins nächste Jahr hinein um meine Zeit streiten wird.