Fliegende Fetzen
Und auch der Regler für „Gewalt“ wurde nochmal eine ganze Stufe aufgedreht. Dämonen werden jetzt nicht nur per Glory-Kill hingerichtet oder mit der Kettensäge zerlegt, auch intensiver Beschuss reißt ganze Brocken aus den Feinden heraus und Raketen hinterlassen zum Teil kaum noch identifizierbare Fleischklumpen, aus denen Wirbelsäulen ragen oder Dämonen-Gedärm ragt. Das klingt allerdings grausamer als es ist, denn die Inszenierung der Gewalt ist so dermaßen drüber, dass Doom Eternal einmal mehr wie ein Blut triefender Comic anmutet. Nicht missverstehen: Das ist ganz große Klasse! Zumal die Feinde jetzt auch Schwachpunkte aufweisen, die gezielt weggeschossen werden können - und man am äußeren Zustand der Horden klar erkennen kann, wie es eigentlich mit der Gesundheit der Ziele aussieht.
Spielerisch bietet Doom Eternal ebenfalls mehr von allem: Zwar wurde die grundlegende Mechanik des Shooters kaum angetastet, vor allem das Ressourcenmanagement rückt jetzt aber noch stärker ins Zentrum des Spielablauf. Räumt man Dämonen mit einem Glory-Kill aus dem Weg, nachdem man sie bewegungsunfähig geschossen hat, erhält man Lebensenergie. Nutzt man stattdessen die Kettensäge, ploppt ein Haufen Munition aus dem zerschundenen Höllenleib. Zusätzlich gibt es noch einen Flammenwerfer, mit dem man Rüstungsteile vom Gegner gewinnen kann.
idTech7 sei Dank: Auf einem High-End-PC mit Raytracing ist Doom Eternal eine visuelle Wucht!
Zusammen mit dem Doppelsprung und dem Dash, der die Bewegung des Protagonisten noch schneller und variantenreicher gestaltet, entsteht innerhalb kürzester Zeit ein fantastischer Shooter-Flow, der vor allem eine brachiale Offensive belohnt. Es fehlt Munition? Rein in den Nahkampf! Die Lebensenergie ist niedrig? Ran an den Feind! Ihr wollt mehr Rüstung? fresst Feuer, fiese Feindeshorden! Das ist großartig, da anders als bei den Auto-Heal-Shootern wie Call of Duty und Co. „Deckung“ und „Rückzug“ zu Fremdworten werden. Stattdessen gewinnen hier Zielgenauigkeit, Aggression und vor allem Positionsspiel: Denn nur wer die starken Fernkampf-Dämonen ausmanövriert und Nahkämpfer z.B. von oben attackiert, kommt bei den schon zu Beginn teilweise recht anspruchsvollen Arena-Schlachten unbeschadet davon.
Darksiders aus der Ego-Perspektive
Doch nicht nur die Kämpfe wurden angepasst, um den Spieler intensiver zu beschäftigen. Im Gespräch betonte Marty Stratton, dass man die Wiederholung aus Korridoren und Arena-Kämpfen im letzten Drittel des Vorgängers um jeden Preis vermeiden wolle. Dementsprechend habe man in der beinahe doppelt so langen Kampagne von Doom Eternal nach mehr Wegen gesucht, die Level und das Spieldesign abwechlungsreicher zu gestalten. Das Ergebnis sind teils recht umfangreiche Passagen, die mit Doppel-Dash, Kletterwänden und Schwungstangen beinahe an Plattformer oder klassische Action-Adventure wie Darksiders erinnern. Hinzu kommen simple Umgebungsrätsel, die gemeinsam mit den neuen Bewegungsmöglichkeiten deutlich größere und stärker in die Vertikale strebende Levels zulassen.
Jetzt mit mehr Klettern: Plattforming-Passagen lockern die Dauer-Action auf.
Daraus resultieren spannende Atempausen zwischen den brachialen Gefechten, die somit eine Art Intensitätskurve erzeugen. Schon in den ersten Spielstunden wirkt das Geballer deutlich frischer, da man sich nach den ruhigeren Passagen um so mehr auf die Schlachteplatte in der nächsten Arena freut. Zu meiner Freude wurde zudem die auf der E3 noch recht frustige Sprungsteuerung optimiert. Das Festhalten an Wänden hat mehr Timing-Toleranz und nach einem Sturz in die Lava-Abgründe wird man zu fair gesetzten Checkpunkten zurückgebracht. Deutlich mehr Geheimnisse aber auch Bonus-Arenen und versteckte Feindbegegnungen laden in den Arealen zur Erkundung ein, ohne dabei zu sehr von der brutalen Hauptbeschäftigung abzulenken.
Insgesamt steht Doom diese mechanische Erweiterung sehr gut, da die abwechslungsreicheren Schauplätze und weitläufigeren Levels dem Shooter-Anteil in den ersten Stunden zu noch mehr Wucht verhelfen. Zudem gibt es jetzt auch Abschnitte, in denen man die Kontrolle über ausgewählte Dämonen-Helfer übernimmt. In dem von mir gespielten Abschnitt etwa, um dem Slayer Zugriff auf seine doppelläufige Shotgun zu ermöglichen. Bewegung, Bewaffnung und Kampfablauf unterscheiden sich mit den Dämonen-Drohnen deutlich von der Action mit dem Hauptprotagonisten.