gc-Vorschau: World of WarCraft Classic (Rollenspiel)

von Marcel Kleffmann



Release:
27.08.2019
27.08.2019
Erhältlich: Digital
Spielinfo Bilder Videos
Es war einmal ein Jäger ...

Als Spieler eines Jägers ist mir in Classic wieder vor Augen geführt worden, was Blizzard Entertainment im Zuge der Gleichschaltung der Klassenrollen zur Verbesserung der Einsetzbarkeit und der Vergleichbarkeit sämtlicher Spezialisierungen vorgenommen hat. Es war wohl das hehre Ziel, dass alle Klassen ähnlich nützlich und ähnlich stark sein sollten, sowohl im Kampf gegen die Computergegner (PvE) als auch gegen andere Spieler (PvP).

Als Jäger musste man sich seinen tierischen Begleiter erst verdienen. Man musste das Tier zähmen, füttern und so seine Treuestufe erhöhen, damit es nicht einfach mitten im Kampf wegläuft. Tiere hatten keine eigenen Klassen und konnten sogar als Kurzzeittank fungieren. Man hatte Munition in einer eigens dafür vorgesehenen Tasche dabei. Fernkampfwaffen hatten eine "Dead Zone" - ein Bereich nah um den Jäger herum, an dem sie nicht abgefeuert werden konnten. Kam ein Gegner zu nah, ging es im Nahkampf weiter. Im Nahkampf konnte man die Gegner mit dem Raptorstoß traktieren und danach "Zurechtstutzen", wodruch sie langsamer wurden, um wieder auf Distanz kommen zu können. Man hatte auch keine Fokuspunkte. Mana war die Ressource, die für Zaubersprüche und Stiche verwendet wurde. Viele mittlerweile gestrichene Fähigkeiten wie Vipernbiss (Mana abziehen) oder Skropidstich (Stärke und Beweglichkeit des Gegners senken) tauchen mit der Zeit wieder im Zauberbuch auf. Von allen Fähigkeiten gibt es verschiedene Ränge, die sich in Sachen Effektivität und Mana-Verbrauch unterscheiden. Außer bei Spontanzaubern musste man beim Fernkampf/Schießen stehenbleiben, selbst beim automatischen Schuss ...

Fähigkeiten hatten unterschiedliche Ränge und mussten mein Klassenlehrer gekauft werden.
Fähigkeiten hatten unterschiedliche Ränge und mussten mein Klassenlehrer gekauft werden.
Obgleich die Klasse nach wie vor ein "Jäger" ist, spielt sie sich im Vergleich zu einem aktuellen Jäger völlig anders - und gewissermaßen langsamer bzw. träger, was auf nahezu alle anderen Klassen zutrifft. Das soll jetzt nicht heißen, dass die Abfolge der zu drückenden Fähigkeiten (Rotation) in Classic sonderlich spannend oder komplex war und schon gar nicht dynamisch angepasst werden musste. Die eigentliche Rotation war simpel, nur die Anzahl der Fertigkeiten war wesentlich größer.

Vergessene Mechaniken

Nicht nur der Jäger hat viel eingebüßt. Ein Priester brauchte beispielsweise Kerzen als Verbrauchsgegenstand, um die Verstärkungszauber wirken zu können. Krieger hatten drei Haltungen (Kampf, Verteidigung, Berserker) und Schildwall funktioniert nur mit Schild. Bossgegner musste man damals noch "antanken", damit die Tanks genug Bedrohung ("Aggro") aufbauen können und nicht sofort zu den Stoffies laufen; "Aggro" - wieder so eine vergessene Mechanik. Paladine ohne Siegel konnten gleich afk-gehen und durften in Schlachtzügen eh nur Buffs verteilen oder außerhalb eines Kampfes die Leute wiederbeleben. Dafür konnten nur sie Relikte als Gegenstände nutzen und waren nur auf Allianz-Seite spielbar. Hexenmeister trugen Seelensplitter im Inventar mit sich herum, die sie für so ziemlich alles außer den Kampf gebraucht wurden (zum Beispiel Dämon beschwören, Gesundheitsstein herstellen, Seelenstein vergeben). Vor jedem Dungeon oder Schlachtzug mussten Hexenmeister erstmal Seelensplitter bei hochstufigen Gegnern "farmen". Schamenen können sich ohne Ankh nicht wiederbeleben, waren nur auf Hordenseite verfügbar und hatten den Gegenstandsslot Totem. Bei Druiden waren Wächter und Katze noch in einem Talentbaum vereint ...
Damals bekamen Schatten-Priester die Schattengestalt erst am Ende des Talentbaums.
Damals bekamen Schatten-Priester die Schattengestalt erst am Ende des Talentbaums.


Es ist so viel Klassen-Persönlichkeit, so viel Kleinkram und so viel Vielfalt im Laufe der Jahre verlorengegangen. Es kam erst mit World of WarCraft: Legion und den Ordenshallen wieder mehr Klassenbezug ins Spiel, bevor mit World of WarCraft: Battle for Azeroth alles mit dem völlig hirnrissig gestalteten Azerith-Gegenständen, der Entfernung der Sets und der dämlichen Halskette verwässert wurde - oh nein, ich echauffiere mich schon wieder.

Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass mit der Ausbügelung der kleinen Ecken und Kanten der Klassen viel von ihren Charme entfernt wurde. Ich will jetzt gar nicht davon anfangen, wie umständlich es damals war, Fläschchen als Buff-Tränke herzustellen und wo man dazu hinmusste, um sie zu brauen (Scholomance). Nichtsdestotrotz darf man trotz "Rosa Brille" nicht vergessen, dass viele Spezialisierungen im Endgame völlig unbrauchbar waren, wenn man es auf die Effektivität und die Führungsposition im "Damage Meter" (inoffizielles Interface Add-on) angelegt hatte.

Dies und Das

Ansonsten fiel im Classic Betatest noch auf, dass Questgegenstände nicht glitzern, es keinen Timer für die Dauer von Debuffs auf Gegnern gibt und das gleichzeitige Plündern von mehreren Gegnern/Leichen nicht funktioniert. Der Ruhestein hat eine Stunde Abklingzeit und einen Kalender gibt es ebenso wenig wie Schlachtzug-Markierungen, Dungeon-Karten sowie den Dungeon-/Schlachtzugbrowser. Die Instanzen musste man zu Fuß besuchen, sofern man keine Leute in der Gruppe hatte, die am Versammlungsstein gewartet hatten. Nach Gruppen suchte man oft im inoffiziellen LFG-Chat-Channel.
Reiten konnte man erst ab Stufe 40, sofern man sich ein Reittier und das Reiten überhaupt leisten konnte.
Reiten konnte man erst ab Stufe 40, sofern man sich ein Reittier (ab 80 Gold) und das Reiten (20 Gold) überhaupt leisten konnte.
Schwierigkeitsgrade, realmübergreifende Gruppen, Erfolge, Anhänger, Haustierkämpfe, zusammengefasste Auktionshäuser und das Fliegen sowie Flugreittiere fehlen komplett.

Außerdem musste man seine Waffenfertigkeit pro Waffentyp (inkl. unbewaffnet) im Kampf steigern, um die Gattung überhaupt effektiv nutzen zu können und wer nicht auf Gegenstände mit zusätzlicher Trefferchance gesetzt hatte, konnte bei Kämpfen gegen Stufe 61+-Gegner des Öfteren verfehlen.

Im geschlossenen Betatest hatte Blizzard Entertainment sogar eine Liste mit "vermeintlichen Fehlern" veröffentlicht, die gar keine Fehler sondern "Features von Vanilla WoW" waren. Die Liste findet ihr hier.

Abo oder Spielzeit?

World of WarCraft Classic muss man nicht im Laden kaufen und auch nicht als Vollversion im digitalen Shop von Blizzard Entertainment. Man erhält Zugriff auf das Spiel sofern man über ein aktives Abonnement für das aktuelle World of WarCraft: Battle for Azeroth verfügt oder generell WoW-Spielzeit hat. Im Battle.net-Launcher kann dann links unten auf World of WarCraft Classic umgestellt werden.

Classic bietet im Vergleich zu Vanilla WoW einige Grafik-Verbesserungen. Neben schickeren Licht- und Schatteneffekten, neuer Wasseroberfläche, höherer Sichtweite und mehr Antialiasing-Optionen zeigt sich der pflanzliche Bodenbelag dichter. Last but not least werden die alten Charakter-Modelle verwendet.
 

AUSBLICK



World of WarCraft Classic gelingt es tatsächlich, das Flair von Vanilla-WoW wieder aufleben zu lassen. Es ist nur die Frage, wie lang der Reiz der Nostalgie anhalten wird, denn Spielwelt, Ereignisse, Bosskämpfe und Mechaniken sind hinlänglich bekannt und bieten nichts Neues. Dennoch ist es frappierend, wie unterschiedlich sich World of WarCraft Classic und World of WarCraft: Battle for Azeroth spielen. In Classic ist man richtig langsam und träge unterwegs, etwas das WoW-Spieler ab Cataclysm kaum erlebt haben dürften. Die Klassen fühlen sich anders an und verfügen trotz statischer Spielweise über mehr Individualität in Abgrenzung zu anderen Klassen. Auch die Belohnungen für Quests, Kämpfe und Aufwand wirken wertvoller, weil sie härter erarbeitet und nicht bloß hintergeworfen wurden. Vieles fühlt sich rau und ungehobelt an, aber das ist keinesfalls schlecht, wenn man es mit der weichgespülten aktuellen Version vergleicht. Natürlich ist längst nicht alles super im alten Azeroth. Vieles ist schlecht erklärt oder umständlich, manche Klassen/Spezialisierungen sind im Endgame-Inhalt nahezu unbrauchbar und Abwechslung im Questdesign braucht man gar nicht erwarten. Ob ich als langjähriger WoW-Spieler bis inkl. Battle for Azeroth in der Classic-Version wieder durchstarten werde, weiß ich nicht endgültig - schließlich ist WoW ein Zeitfresser sondergleichen. Aber wenn ich jetzt die Wahl hätte und mich zwischen Battle for Azeroth oder Classic entscheiden müsste, würde ich wohl Classic nehmen. Da die beiden deutschen Realms schon bedrohlich "voll" sind, bin ich gespannt wie reibungslos der Startlauf über die Bühne gehen wird und bleibe deswegen mit der Einschätzung noch vorsichtig. Überfüllung und Warteschlangen sind durchaus möglich ...

Ersteindruck: gut

Zum Special: Highlights der gamescom 2019

Kommentare

Cheraa schrieb am
Natürlich stimmt das, ich war ja auch nicht besser. PvP Rank 10 und Aq40 mir 4 Raidtagen.
Heute bin ich froh, das ein MMO wie FF XIV zwar fordernden Content besitzt, aber zeitlich im Casual Format gespielt werden kann.
c452h schrieb am
Das stimmt sogar. Bin damals bei Release teils um 3:00 ins Bett und war dann um 9 im Büro. Es gab nichts anderes. Nach Feierabend sofort ran, Wochenenden sowieso.
Dieses Mal werd ich gant in Ruhe die Welt genießen.
Cheraa schrieb am
Das neue Wow ist auf Feierabend bis Hardcore Gamer getrimmt. Das alte WoW war extrem auf Hardcore geschnitten. Lediglich das leveln war Kindergarten im Vergleich zu den anderen MMOS der damaligen Zeit.
Hat man aber mal Level 60 erreicht kann man seine Ziele verfolgen wie 800x die gleichen 3 Reputation Quests zu erledigen für den Winterfell Tiger oder aber 3 Monate lang, täglich 12 Stunden PvP zu spielen für Rank 13+14. Natürlich das professionelle ganken von PvE Spielern am Blackrock oder den Pestländern nicht vergessen.
Für PvE Spieler gab es natürlich noch die obligatorischen 4 Raidtage pro Woche samt DKP und zwangsskillungen.
Schöne alte Welt, aus einer Zeit wo der MMO Spieler ein Vollnerd war für den der Alltag aus Schlafen, Arbeiten und Zocken bestand, 24/7.
Stalkingwolf schrieb am
das neue WoW ist auf Endcontent getrimmt. Raids in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Instanzen in endlos steigendem Schwierigkeitsgrad unter Zeitdruck beenden.
Das gemütlich von früher ist so gut wie nicht mehr existent.
Beides macht Spaß. Aber Blizzard bekommt es nicht mehr in ein Spiel gepackt und daher vermutlich auch der Schritt in Richtung Classic. Retail WoW wird das ganze vermutlich in 9.0 noch weiter treiben.
Homer-Sapiens schrieb am
Ich lese in der Vorschau wieder vieles von dem, was nach und nach verschlimmbessert und angeglichen wurde und/oder irgendwann ganz verschwunden ist... was mich letztendlich von WoW vertrieben hat.
Letztes Jahr hab ich im Zuge einer Gratis-Wochenende-Werbeaktion mal wieder reingeschaut und das Spiel kaum wiedererkannt. Jaaa, die altbackene kantige Grafik natürlich schon ? aber Bedienung, Komfortgedöhns uvm haben das Game schon ziemlich auf links gedreht... nach gut zwei Stunden und Levelaufstiegen im Minutentakt (warum nur alles so schnell?) hab ich es dann auch beendet und gelöscht, damit wollte ich mich nicht mehr anfreunden.
WoW Classic klingt interessant, und nach dem ersten Ansturm schau ich da gern mal für einen Monat rein. Aber intensiv werde ich es sicher nicht wieder zocken, dafür müsste man dann doch zuuu viel Zeit investieren, um da weiter zu kommen... oder man daddelt gemütlich über Monate immer mal ein bisschen vor sich hin... mal schauen :)
Zumindest klingt das alte WoW für mich deutlich reizvoller als das, was über die Jahre daraus wurde.
schrieb am