Es war einmal ein Jäger ...
Als Spieler eines Jägers ist mir in Classic wieder vor Augen geführt worden, was Blizzard Entertainment im Zuge der Gleichschaltung der Klassenrollen zur Verbesserung der Einsetzbarkeit und der Vergleichbarkeit sämtlicher Spezialisierungen vorgenommen hat. Es war wohl das hehre Ziel, dass alle Klassen ähnlich nützlich und ähnlich stark sein sollten, sowohl im Kampf gegen die Computergegner (PvE) als auch gegen andere Spieler (PvP).
Als Jäger musste man sich seinen tierischen Begleiter erst verdienen. Man musste das Tier zähmen, füttern und so seine Treuestufe erhöhen, damit es nicht einfach mitten im Kampf wegläuft. Tiere hatten keine eigenen Klassen und konnten sogar als Kurzzeittank fungieren. Man hatte Munition in einer eigens dafür vorgesehenen Tasche dabei. Fernkampfwaffen hatten eine "Dead Zone" - ein Bereich nah um den Jäger herum, an dem sie nicht abgefeuert werden konnten. Kam ein Gegner zu nah, ging es im Nahkampf weiter. Im Nahkampf konnte man die Gegner mit dem Raptorstoß traktieren und danach "Zurechtstutzen", wodruch sie langsamer wurden, um wieder auf Distanz kommen zu können. Man hatte auch keine Fokuspunkte. Mana war die Ressource, die für Zaubersprüche und Stiche verwendet wurde. Viele mittlerweile gestrichene Fähigkeiten wie Vipernbiss (Mana abziehen) oder Skropidstich (Stärke und Beweglichkeit des Gegners senken) tauchen mit der Zeit wieder im Zauberbuch auf. Von allen Fähigkeiten gibt es verschiedene Ränge, die sich in Sachen Effektivität und Mana-Verbrauch unterscheiden. Außer bei Spontanzaubern musste man beim Fernkampf/Schießen stehenbleiben, selbst beim automatischen Schuss ...
Fähigkeiten hatten unterschiedliche Ränge und mussten mein Klassenlehrer gekauft werden.
Obgleich die Klasse nach wie vor ein "Jäger" ist, spielt sie sich im Vergleich zu einem aktuellen Jäger völlig anders - und gewissermaßen langsamer bzw. träger, was auf nahezu alle anderen Klassen zutrifft. Das soll jetzt nicht heißen, dass die Abfolge der zu drückenden Fähigkeiten (Rotation) in Classic sonderlich spannend oder komplex war und schon gar nicht dynamisch angepasst werden musste. Die eigentliche Rotation war simpel, nur die Anzahl der Fertigkeiten war wesentlich größer.
Vergessene Mechaniken
Nicht nur der Jäger hat viel eingebüßt. Ein Priester brauchte beispielsweise Kerzen als Verbrauchsgegenstand, um die Verstärkungszauber wirken zu können. Krieger hatten drei Haltungen (Kampf, Verteidigung, Berserker) und Schildwall funktioniert nur mit Schild. Bossgegner musste man damals noch "antanken", damit die Tanks genug Bedrohung ("Aggro") aufbauen können und nicht sofort zu den Stoffies laufen; "Aggro" - wieder so eine vergessene Mechanik. Paladine ohne Siegel konnten gleich afk-gehen und durften in Schlachtzügen eh nur Buffs verteilen oder außerhalb eines Kampfes die Leute wiederbeleben. Dafür konnten nur sie Relikte als Gegenstände nutzen und waren nur auf Allianz-Seite spielbar. Hexenmeister trugen Seelensplitter im Inventar mit sich herum, die sie für so ziemlich alles außer den Kampf gebraucht wurden (zum Beispiel Dämon beschwören, Gesundheitsstein herstellen, Seelenstein vergeben). Vor jedem Dungeon oder Schlachtzug mussten Hexenmeister erstmal Seelensplitter bei hochstufigen Gegnern "farmen". Schamenen können sich ohne Ankh nicht wiederbeleben, waren nur auf Hordenseite verfügbar und hatten den Gegenstandsslot Totem. Bei Druiden waren Wächter und Katze noch in einem Talentbaum vereint ...
Damals bekamen Schatten-Priester die Schattengestalt erst am Ende des Talentbaums.
Es ist so viel Klassen-Persönlichkeit, so viel Kleinkram und so viel Vielfalt im Laufe der Jahre verlorengegangen. Es kam erst mit World of WarCraft: Legion und den Ordenshallen wieder mehr Klassenbezug ins Spiel, bevor mit World of WarCraft: Battle for Azeroth alles mit dem völlig hirnrissig gestalteten Azerith-Gegenständen, der Entfernung der Sets und der dämlichen Halskette verwässert wurde - oh nein, ich echauffiere mich schon wieder.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass mit der Ausbügelung der kleinen Ecken und Kanten der Klassen viel von ihren Charme entfernt wurde. Ich will jetzt gar nicht davon anfangen, wie umständlich es damals war, Fläschchen als Buff-Tränke herzustellen und wo man dazu hinmusste, um sie zu brauen (Scholomance). Nichtsdestotrotz darf man trotz "Rosa Brille" nicht vergessen, dass viele Spezialisierungen im Endgame völlig unbrauchbar waren, wenn man es auf die Effektivität und die Führungsposition im "Damage Meter" (inoffizielles Interface Add-on) angelegt hatte.
Dies und Das
Ansonsten fiel im Classic Betatest noch auf, dass Questgegenstände nicht glitzern, es keinen Timer für die Dauer von Debuffs auf Gegnern gibt und das gleichzeitige Plündern von mehreren Gegnern/Leichen nicht funktioniert. Der Ruhestein hat eine Stunde Abklingzeit und einen Kalender gibt es ebenso wenig wie Schlachtzug-Markierungen, Dungeon-Karten sowie den Dungeon-/Schlachtzugbrowser. Die Instanzen musste man zu Fuß besuchen, sofern man keine Leute in der Gruppe hatte, die am Versammlungsstein gewartet hatten. Nach Gruppen suchte man oft im inoffiziellen LFG-Chat-Channel.
Reiten konnte man erst ab Stufe 40, sofern man sich ein Reittier (ab 80 Gold) und das Reiten (20 Gold) überhaupt leisten konnte.
Schwierigkeitsgrade, realmübergreifende Gruppen, Erfolge, Anhänger, Haustierkämpfe, zusammengefasste Auktionshäuser und das Fliegen sowie Flugreittiere fehlen komplett.
Außerdem musste man seine Waffenfertigkeit pro Waffentyp (inkl. unbewaffnet) im Kampf steigern, um die Gattung überhaupt effektiv nutzen zu können und wer nicht auf Gegenstände mit zusätzlicher Trefferchance gesetzt hatte, konnte bei Kämpfen gegen Stufe 61+-Gegner des Öfteren verfehlen.
Im geschlossenen Betatest hatte Blizzard Entertainment sogar eine Liste mit "vermeintlichen Fehlern" veröffentlicht, die gar keine Fehler sondern "Features von Vanilla WoW" waren. Die Liste findet ihr
hier.
Abo oder Spielzeit?
World of WarCraft Classic muss man nicht im Laden kaufen und auch nicht als Vollversion im digitalen Shop von Blizzard Entertainment. Man erhält Zugriff auf das Spiel sofern man über ein aktives Abonnement für das aktuelle World of WarCraft: Battle for Azeroth verfügt oder generell WoW-Spielzeit hat. Im Battle.net-Launcher kann dann links unten auf World of WarCraft Classic umgestellt werden.
Classic bietet im Vergleich zu Vanilla WoW einige Grafik-Verbesserungen. Neben schickeren Licht- und Schatteneffekten, neuer Wasseroberfläche, höherer Sichtweite und mehr Antialiasing-Optionen zeigt sich der pflanzliche Bodenbelag dichter. Last but not least werden die alten Charakter-Modelle verwendet.