Grundlagenforschung
Stell’ dir vor, der Entwickler eines neuen Ego-Shooters spricht in den ersten zehn Minuten seiner Spielpräsentation nur von
Doom und
Half-Life - das wäre doch irgendwie komisch. Beim Subgenre der Trendsport-Titel und noch konkreter bei Skateboard-Spielen hingegen passt das irgendwie: Denn Neversofts
Tony Hawk's Pro Skater war der 3D-Urknall für das einige Jahre sehr beliebte Genre, später hievte EAs
Skate-Serie den virtuellen Rollbrett-Sport mit seiner Analogstick-Steuerung auf ein neues Niveau. Gleichzeitig zeigt der Fokus auf diese beiden Granden die (vermeintliche?) Limitiertheit virtuellen Skateboardens: Man hat das Gefühl, alles schon mal gesehen zu haben, alle spektakulären Tricks schon ausgeführt, alle möglichen Rampen und Rails schon beackert zu haben.
Dabei haben viele vielleicht schon vergessen: Der pure Spaß am Fahren und Tricksen kann gigantisch sein! Ubisofts Winterspaß Steep gelang vor vier Jahren das, woran 2015 der bislang letzte, gehetzt wirkende Tony Hawk-Teil scheiterte: Zeigen, welch großes Potenzial noch immer im Trendsport schlummert, wenn die Spielwelt überzeugend gestaltet ist. Und vielleicht steht uns im Jahr 2020 gar die große Skateboard-Neubelebung ins Haus, die vor zwei, drei Jahren noch niemand für möglich (oder nötig?) gehalten hätte: Zum einen arbeitet Activision Gerüchten zufolge an einem Tony-Hawk-Reboot, zum anderen rollen auf Steam gleich zwei vielversprechende Titel durch den Early Access. Das eine hört auf den Namen Session, das andere nennt sich, wenig einfallsreich, Skater XL. Im Sommer bereits soll Letzteres die Early-Access-Phase verlassen und gleichzeitig für die aktuellen Konsolen erscheinen. Konform zu den derzeitigen Kontaktbeschränkungen habe ich mich online mit drei Entwicklern aus dem Skater-XL-Team getroffen - eineinhalb Stunden lang spielt ein Teammitglied vor, derweil werden mir Fakten und Anekdoten erzählt, während ich Fragen stellen kann.
Mangelware
Coole Kameraperspektive, aber natürlich nicht spieltauglich - die Grafik, ja die passt schon.
Die ersten Minuten der Präsentation drehen sich kaum um das Spiel selbst: Während ich auf dem Bildschirm schon die ersten Tricks und Stürze sehe, plaudern die Macher noch über die Pionierleistungen der
Tony-Hawk-Serie und die innovative Stick-Mechanik von
Skate. Und darüber, dass es erstaunlicherweise keine neuen Skateboard-Spiele mehr gibt, obwohl doch der Sport selbst allgegenwärtig sei. Letztere These mag für Kalifornien wohl eher zutreffen als für die Innenstädte zwischen Rosenheim und Flensburg, hat aber doch einen wahren Kern. In Brasilien z.B. ist das Skateboarden die beliebteste sportliche Aktitvität nach Fußball und bei den (verschobenen) Spielen von Tokio sollte das Rollbrett erstmals olympisch vertreten sein.
Die Skatespots (hier: One California Plaza) wurden realen Vorbildern nachempfunden. Auch tummeln sich echte Profi-Skater im Spiel. Schick ist, wie der Stoff ihrer Klamotten fällt.
Das Team der in Los Angeles beheimateten Easy Day Studios hat keine Meriten als Entwickler der genannten großen Skateboard-Titel aufzuweisen, stattdessen sind die Mitglieder, vom Programmier bis hin zum Marketing-Mann, tief mit der kalifornischen Skate-Kultur verwurzelt - erzählt man mir. Man habe frühe Versionen des Spiels wieder und wieder in Skateparks gezeigt und sei mit dem Laptop durch Skateshops getingelt, um dort Meinungen selbst einzuholen. Auch eine Analogie zwischen der Skater-XL-Steuerung und dem Gitarrenspiel klingt für mich schlüssig: Das, was man vor sich hat, ist simpel und schnell verstanden. Hier ein paar Saiten zum Zupfen, dort zwei Beine vorn bzw. hinten auf dem Brett. Jeder kann sofort loslegen, ein bisschen was ausprobieren. Gleichzeitig können aus dieser simplen Basis unzählige wunderbare Dinge entstehen - durch Übung, Fingerfertigkeit und Kreativität.