gc-Vorschau: Warsaw (Taktik & Strategie)

von Mathias Oertel



Warsaw (Taktik & Strategie) von gaming company / Crunching Koalas
Zum Scheitern verdammt
Entwickler:
Release:
02.10.2019
29.09.2020
01.10.2020
02.10.2020
Spielinfo Bilder Videos
Schaut man sich nur Artdesign sowie das konzeptionelle Fundament an, könnte Warsaw eine Art Darkest Dungeon im Zweiten Weltkrieg sein. Doch das polnische Team von Pixelated Milk baut neben kernigen Gefechten auch noch Rollenspiel, Erzählabenteuer mit Konsequenzen sowie eine interaktive Geschichtsstunde ein. Bei einem Entwicklerbesuch in der Redaktion konnten wir vorab schauen, ob diese Mischung aufgeht.

WW2 mal anders

Der Zweite Weltkrieg erlebt in Videospielen derzeit eine Renaissance. Das Hauptaugenmerk liegt aber wie bei der ersten Hochphase weiterhin auf dem Actionbereich, den Electronic Arts oder Activision mit großem Aufwand bedienen. Doch mit Spielen wie z.B. Through the Darkest of Times werden mechanisch oder erzählerisch andere Seiten beleuchtet. Auch Warsaw fällt in diese Kategorie. Als Basis dient der Warschauer Aufstand, der am 1. August 1944 begann und in dem sich der polnische Widerstand gegen die deutsche Besatzung zur Wehr setzte. Nach 63 Tagen scheiterte der Aufstand und wurde von den Deutschen höchst brutal niedergeschlagen, auch weil es kaum Unterstützung von außen gab. Und das, obwohl die russische Armee bereits vor den Toren der polnischen Metropole stand und sich Winston Churchill höchstpersönlich bei Stalin dafür einsetzte, die polnischen Verbündeten zu unterstützen.

Die Rundenkämpfe bieten taktische Finessen wie Flankier- und Deckungssysteme.
Die Rundenkämpfe bieten taktische Finessen wie Flankier- und Deckungssysteme.
Obwohl die Opferzahlen in die Hunderttausende gingen, die überwältigende Mehrheit davon Zivilisten, die von den Deutschen als Vergeltung in Massenhinrichtungen getötet wurden, während der erbarmungslose Straßenkampf für die Zerstörung von 25 Prozent der Gebäude Warschaus verantwortlich war, gehört der Aufstand außerhalb Polens eher zu den vergessenen Ereignissen dieses Konflikts. Angesichts dieser dramatischen Basis ist es durchaus überraschend, dass sich das Team von Pixelated Milk, das auch für die Fantasy-Rundentaktik Regalia verantwortlich zeichnet, nicht für ein Storytelling-Experiment, klassisches Adventure oder ein ähnlich „ruhiges“ Konzept entschieden hat, um die damit verbundenen Schicksale und Emotionen in ein spielerisches Licht zu rücken. Doch zum einen bleiben sie mit dem Rollenspiel-Strategie-Ansatz ihren Wurzeln treu, zum anderen standen bei der Entwicklung von Beginn an die mechanischen Elemente im Vordergrund, die man allerdings in einem  historischen Kontext nutzen wollte, um sowohl die Gefechte als auch die Rollenspiel-Inhalte oder die Figurenzeichnung interessanter zu machen. Eine optionale Geschichtsstunde kann man dennoch bekommen: Wer sich abseits der Teamzusammenstellungen und der Rundenkämpfe näher mit dem Hauptthema beschäftigen möchte, wird viele Bezüge herstellen und historisch verbürgte Personen bzw. Ereignisse kennenlernen können.

Viel drin, viel dran

Zum abwechlungsreichen Mechanik-Mix von Warsaw gehören auch dem Adventure entliehende Textpassagen mit Entscheidungen und Konsequenzen.
Zum abwechlungsreichen Mechanik-Mix von Warsaw gehören auch dem Adventure entliehende Textpassagen mit Entscheidungen und Konsequenzen.
In diesem Zusammenhang hatte Pixelated Milk lange überlegt, ob man es dem Spieler ermöglichen sollte, den Konflikt mit einem positiven Ende für sich entscheiden zu können – also die deutschen Besatzer aus der Stadt zu vertreiben. Doch man hat sich letztlich dagegen ausgesprochen. Um mit dieser fatalistischen Aussicht einer Niederlage nach maximal 63 Tagen dennoch Anreize zu bieten, sich längerfristig mit Warsaw zu beschäftigen, hat das Team zahlreiche Inhalte und Mechaniken eingebaut, die über die reinen Rundengefechte hinausgehen. Natürlich bilden diese einen der spielerischen Fokuspunkte, doch es gab auch überraschend viele anders gelagerte Elemente. In der Basis z.B., in der man jeden Tag beginnt, kann man nicht nur Aufträge annehmen oder seine Verwundeten verarzten bzw. erholen lassen, damit ihre im Kampf wichtige Ausdauer regeneriert. Man kann hier auch neue Widerstandskämpfer rekrutieren oder die Veteranen aufwerten bzw. sie mit besserer Ausrüstung versehen und sie so für die anstehenden Begegnungen optimieren. In Gesprächen lernt man ihre Hintergrundgeschichte bzw. Motivation kennen – diese emotionale Anbindung macht den Permatod bei fehlgeschlagenen Aufträgen umso schmerzhafter. Hat man seine Gruppe zusammengestellt, wobei man selbstverständlich darauf achten sollte, dass  man eine potente Mischung der zur Verfügung stehenden „Klassen“ findet bzw. sich ergänzende Figuren mitnimmt, geht es in die umkämpften Straßen Warschaus.

Kommentare

Jörg Luibl schrieb am
Bitte wieder zurück zum Spiel. Politische Pauschalisierungen über andere Länder gehören ins Mittelalter - dafür ist die Welt zu komplex. Dass sich die Entwickler bemühen, ein authentisches historisches Bild zu zeichnen, dürfte die Vorschau zumindest erahnen lassen - aber sie müssten es auch nicht, denn es ist schließlich ihre Fiktion. Gutes Spieldesign ist nicht gleichzusetzen mit dem politischen Status quo oder einer aktuellen Moral. Immerhin kann man den Aufstand von Warschau in diesem Spiel nicht gewinnen, was polnischen "Faschisten" oder "Nationalisten" nicht in den Kram passen dürfte. Alles Weitere kann erst der Test beantworten.
Schnurx schrieb am
Grunz Grunz hat geschrieben: ?19.08.2019 16:38 polnische Selbstverständnis in sehr weiten Teilen der Bevölkerung auf Eigenschaften beruht, die hierzulande ein Fall für Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft wären, bestenfalls für den Psychiater.
Mir scheint der Fall für den Psychiater da deutlich eher vor Deinem Monitor zu sitzen. Typisch selbstgerecht-deutsches Gutgedünkel bis hin zum Wahnhaften halt.
kagrra83 schrieb am
Danke Herr Örtel, dass du im ersten Absatz die Geschichte richtig zusammen gefasst hast. Oft wird nur von Nazis gesprochen, was vllt dazu verleiten soll, irgendwann Mal zu vergessen dass diese Nazis deutsche waren.
Zum Spiel selber.... Puuh, diese Art von 2D Kampfbildschirm schrekt mich ja so an. Das haben auch jrps drauf. Zuletzt bei Octopath Traveller gesehen. Pfui. Nicht mein Ding.
Kajetan schrieb am
Grunz Grunz hat geschrieben: ?19.08.2019 16:38 Naja, mir ging's weniger um den PiS-Verein und deren Vorstellungen von Patriotismus, sondern um den Umstand, daß das polnische Selbstverständnis in sehr weiten Teilen der Bevölkerung auf Eigenschaften beruht, die hierzulande ein Fall für Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft wären, bestenfalls für den Psychiater. Wenn dann unter solchen Vorzeichen Unterhaltungssoftware entwickelt werden sollte, dann wäre eben Vorsicht geboten.
Die PiS ist da übrigens mitnichten die Ursache, sondern das Symptom.
Bestreite ich alles nicht, nur scheint das Spiel, zumindest für 4P in dieser Preview, damit nichts zu tun zu haben.
johndoe1794441 schrieb am
Naja, mir ging's weniger um den PiS-Verein und deren Vorstellungen von Patriotismus, sondern um den Umstand, daß das polnische Selbstverständnis in sehr weiten Teilen der Bevölkerung auf Eigenschaften beruht, die hierzulande ein Fall für Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft wären, bestenfalls für den Psychiater. Wenn dann unter solchen Vorzeichen Unterhaltungssoftware entwickelt werden sollte, dann wäre eben Vorsicht geboten.
Die PiS ist da übrigens mitnichten die Ursache, sondern das Symptom.
schrieb am