gc-Vorschau: Warsaw (Taktik & Strategie)

von Mathias Oertel



Entwickler:
Release:
02.10.2019
29.09.2020
01.10.2020
02.10.2020
Spielinfo Bilder Videos
Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Man findet sich in einer Vogelperspektiven-Ansicht der historisch akkurat nachgestellten Stadt wieder und bewegt sich nun durch die Gassen, Straßen und Wege, um sein Missionsziel zu finden. Dazu hat man allerdings nur eine bestimmte Anzahl an Zügen zur Verfügung. Schafft man es z.B. nicht, den Panzer zu finden, den man ausschalten soll, wird man am Ende des Tages wieder ins Hauptquartier zurückgebracht und muss mit den möglichen Auswirkungen des Scheiterns leben. Möglichkeiten, von seiner Hauptmission abgelenkt zu werden, gibt es genug. Es kann z.B. unvermutet ein deutscher Trupp warten,  wenn man um die Ecke kommt. Nimmt man nun das Risiko eines Kampfs auf sich und damit evtl. die Konsequenz, geschwächt in die darauffolgenden Gefechte und in diesem Fall die Auseinandersetzung mit dem Panzer zu gehen? Oder sucht man einen Umweg, trifft dabei womöglich auf Sperrfeuer oder Barrikaden, die man nicht überwinden kann und verliert dadurch wertvolle Zeit? Man kann auch auf Zivilisten treffen, die Hilfe benötigen. Oder auf fiktive sowie historisch verbürgte Ereignisse, die in Form einer mit Bildern unterlegten Textpassage erzählt werden. Dass diese mit Entscheidungen und Konsequenzen aufwarten, die sich natürlich nicht auf Anhieb erschließen, wertet diese Ereignisse weiterhin auf. Zumal man auch abhängig von der Teamzusammenstellung oder dem ausgewählten Weg viele dieser Situationen entweder gar nicht oder in anderer Form wahrnimmt. Wenn man z.B. einem russischen Soldaten begegnet, den der Mob lynchen möchte, aber keinen Widerständler dabei hat, der Russisch spricht, wird man nicht erfahren, was der vermeintliche Deserteur sagt und was er zur Verteidigung vorbringt, so dass man u.U. eine extrem uninformierte Entscheidung trifft, die im schlimmsten Fall nachhaltige negative Auswirkungen mit sich bringt.

Spannende Gefechte

Die Wanderungen durch das akkurat nachgebildete Warschau sind mit fiktiven sowie historisch akkuraten Ereignissen gefüllt.
Die Wanderungen durch das akkurat nachgebildete Warschau sind mit fiktiven sowie historisch akkuraten Ereignissen gefüllt.
Vor allem bei den historisch akkuraten Ereignissen kann es passieren, dass man sie beim ersten Durchlauf nur zu einem geringen Prozentsatz entdeckt, da man zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein muss, um sie auszulösen – das wiederum wird natürlich auch von der gewählten Mission abhängig sein, die einen in das entsprechende Viertel führen muss. In Zusammenarbeit mit Historikern wurde aber nicht nur in dieser Hinsicht auf Authentizität wert gelegt. Es wurde natürlich auch darauf geachtet, mit den richtigen Waffen zu arbeiten und die Comic-Figuren mit Kostümen zu versehen, die aus dieser Ära stammen. Dennoch gönnt man sich auch hier und da künstlerische Freiheit bei der Ausstattung, wenn es hilft, die Charakterzeichnung zu stärken und die Hintergrundgeschichten der einzelnen Figuren spannenden oder dramatischer zu gestaltet. Für Pixelated Milk standen Spiel, Story und Mechaniken vor der historischen Akkuratesse. Keine Kompromisse hingegen geht man beim Kampfsystem ein: Bedingt durch seine Rundenstruktur findet man leicht Zugang, muss aber ein paar wichtige Feinheiten verinnerlichen, um sein Team weitgehend unbeschadet durch die Kämpfe begleiten zu können.

In den Gefechten geht es schonungslos zur Sache.
In den Gefechten geht es schonungslos zur Sache.
Dazu gehört z.B., dass man die Position seiner Figuren verändern darf. Und das nicht nur in einer horizontalen Ebene, indem man sie hinter Deckung platziert oder hinter anderen, evtl. besser geschützten Charakteren zu verstecken versucht. Sondern auch, indem man sie bei Bedarf auf einer von zwei vertikalen Ebenen verschiebt. Der Clou: Visiert man nun einen Gegner an, der auf der anderen Vertikalebene steht, gilt dies als „Flankieren“, sprich: Man richtet mehr Schaden an. Zusammen mit den sich ergänzenden bzw. unterstützenden Fähigkeiten der Figuren sollen sich zahlreiche taktische Optionen ergeben. Da wir davon allerdings in der Frühphase des Spiels (den ersten 70 bis 100 Minuten) allerdings nur einen kleinen Teil kennenlernen konnten, bleibt in dieser Hinsicht noch eines der größeren Fragezeichen stehen. Wie auch bei dem reichhaltigen Waffenarsenal, von dem wir ebenfalls nur einen Bruchteil zu sehen bekamen. Doch ungeachtet dessen hinterlassen die Gefechte schon jetzt einen richtig guten Eindruck und fordern bereits in der Frühphase. Wenn Pixelated Milk hier nicht nachlässt, könnte Warsaw eines der Highlights dieses Jahres im Bereich Taktik-Rollenspiel werden – zumindest auf dem PC, die Konsolenversionen werden noch etwas auf sich warten lassen.
 

AUSBLICK



Obwohl ich auch Darkest Dungeon oder XCOM gespielt habe, fühle ich mich im Bereich der Taktik-Rollenspiele eigentlich am ehesten bei Disgaea & Co zuhause. Dennoch übt Warsaw auf mich eine große Faszination aus. Die Mischung der unterschiedlichen mechanischen Elemente vom Rundenkampf über Basismanagement bis hin zum Erzähl-Abenteuer mit Entscheidungen und Konsequenzen scheint gelungen, muss aber im Test noch beweisen, wie überzeugend alles miteinander verzahnt wurde – darauf ließen sich in den ersten gut eineinhalb Stunden noch keine Rückschlüsse ziehen. Die Gefechte mit ihren Flankier- und Bewegungsmöglichkeiten sowie dem reichhaltigen Fähigkeiten- bzw. Waffenarsenal hinterlassen jedenfalls einen guten Eindruck. Die Figuren, denen man begegnet, wirken lebendig, wobei Pixelated Milk das Kunststück schafft, die Charaktere vor dem eigentlich schwermütigen Hintergrund des Warschauer Aufstandes im Spätsommer 1944 mit seinen hunderttausenden Opfern unprätentiös und ohne moralischen Zeigefinger zu inszenieren. Zudem tut es Warsaw gut, dass Mechaniken, die Helden sowie die Erzählung im Vordergrund stehen. Denn obwohl man letztlich keine Möglichkeit hat, den Aufstand entgegen der Historie zu gewinnen, kann man das Überleben seiner Helden sichern. Die PC-Version soll Anfang September veröffentlicht werden, die Konsolenfassungen lassen länger auf sich warten.

Einschätzung:
gut

Zum Special: Highlights der gamescom 2019

Kommentare

Jörg Luibl schrieb am
Bitte wieder zurück zum Spiel. Politische Pauschalisierungen über andere Länder gehören ins Mittelalter - dafür ist die Welt zu komplex. Dass sich die Entwickler bemühen, ein authentisches historisches Bild zu zeichnen, dürfte die Vorschau zumindest erahnen lassen - aber sie müssten es auch nicht, denn es ist schließlich ihre Fiktion. Gutes Spieldesign ist nicht gleichzusetzen mit dem politischen Status quo oder einer aktuellen Moral. Immerhin kann man den Aufstand von Warschau in diesem Spiel nicht gewinnen, was polnischen "Faschisten" oder "Nationalisten" nicht in den Kram passen dürfte. Alles Weitere kann erst der Test beantworten.
Schnurx schrieb am
Grunz Grunz hat geschrieben: ?19.08.2019 16:38 polnische Selbstverständnis in sehr weiten Teilen der Bevölkerung auf Eigenschaften beruht, die hierzulande ein Fall für Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft wären, bestenfalls für den Psychiater.
Mir scheint der Fall für den Psychiater da deutlich eher vor Deinem Monitor zu sitzen. Typisch selbstgerecht-deutsches Gutgedünkel bis hin zum Wahnhaften halt.
kagrra83 schrieb am
Danke Herr Örtel, dass du im ersten Absatz die Geschichte richtig zusammen gefasst hast. Oft wird nur von Nazis gesprochen, was vllt dazu verleiten soll, irgendwann Mal zu vergessen dass diese Nazis deutsche waren.
Zum Spiel selber.... Puuh, diese Art von 2D Kampfbildschirm schrekt mich ja so an. Das haben auch jrps drauf. Zuletzt bei Octopath Traveller gesehen. Pfui. Nicht mein Ding.
Kajetan schrieb am
Grunz Grunz hat geschrieben: ?19.08.2019 16:38 Naja, mir ging's weniger um den PiS-Verein und deren Vorstellungen von Patriotismus, sondern um den Umstand, daß das polnische Selbstverständnis in sehr weiten Teilen der Bevölkerung auf Eigenschaften beruht, die hierzulande ein Fall für Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft wären, bestenfalls für den Psychiater. Wenn dann unter solchen Vorzeichen Unterhaltungssoftware entwickelt werden sollte, dann wäre eben Vorsicht geboten.
Die PiS ist da übrigens mitnichten die Ursache, sondern das Symptom.
Bestreite ich alles nicht, nur scheint das Spiel, zumindest für 4P in dieser Preview, damit nichts zu tun zu haben.
johndoe1794441 schrieb am
Naja, mir ging's weniger um den PiS-Verein und deren Vorstellungen von Patriotismus, sondern um den Umstand, daß das polnische Selbstverständnis in sehr weiten Teilen der Bevölkerung auf Eigenschaften beruht, die hierzulande ein Fall für Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft wären, bestenfalls für den Psychiater. Wenn dann unter solchen Vorzeichen Unterhaltungssoftware entwickelt werden sollte, dann wäre eben Vorsicht geboten.
Die PiS ist da übrigens mitnichten die Ursache, sondern das Symptom.
schrieb am