Von Katzenfreunden für Katzenfreunde
Für jedes billige Katzen-Wortspiel in dieser Vorschau werde ich fünf Euro an eine Tierschutzorganisation spenden, plus zehn Öcken für jede Verwendung von "Stubentiger" und "Samtpfote". Los geht’s! Die Macher von Stray kommen aus dem Süden von Frankreich und outen sich als Katzenliebhaber: Im ihrem Studio BlueTwelve gibt es mehrere Büromiezen und circa 80% des Teams sind glückliche Katzenhalter. Das sieht man dem Spiel an! Wer selbst mit einem mehr oder weniger gut dressierten Katzentier zusammenlebt, der erkennt das in zahllosen Momenten: Der Streuner mit dem roten Fell streckt sich im Spiel so possierlich, mit auf den Asphalt gepressten Vorderpfoten, dass man unwillkürlich an die eigene Katze denken muss, wie sie nach einem ausgiebigen Schläfchen die Glieder reckt. An anderer Stelle liegt der Protagonist des Spiels nonchalant mitten im Level herum und leckt sich den Genitalbereich – exakt so wie es der eigene Stubentiger ungeniert im Hintergrund eures Zoom-Meetings macht...
Stray beim Sprint durch düstere Abwasserkanäle – hier setzt euch das Spiel schon mal kleinen Stress-Spitzen aus.
Beim Erkunden eines hübsch gestalteten Wohnzimmers hat die Mieze natürlich nichts Besseres zu tun als tapsig auf einer Fernbedienung herumdrücken. Exakt während dieser Szene der Stray-Präsentation, die ich im Home-Office verfolgte, machte es sich – bitte glaubt mir! – meine eigene Katzendame quer über zwei Fernbedienungen auf dem Sofa neben mir gemütlich. Und wie sieht es mit dem Katzen innewohnenden Drang aus, Dinge herunterzuwerfen: Der virtuellen Miez ist diesem genauso verfallen wie eine echte Katze. Das sorgt im Spiel für heitere Momente und kann sogar spielmechanisch genutzt werden, z.B. darf man einen Blumentopf über eine Kante stoßen, der dann durch die Glasdecke eines Wintergartens kracht. Und schon ist der Weg frei zum nächsten Einsatzort! An anderer Stelle nimmt der Streuner einen Schluck aus einem herrenlosen Wassernapf, kann eine Schlummerpause einlegen oder hinterlässt bunte Fußspuren, nachdem er durch frische Farbe gelaufen ist. Sehr katzenhaft!
Die abgeranzte Cyperpunk-Welt von Stray kann sich sehen lassen – überall wecken kleine Details unsere Neugier.
Unser Tigerchen nimmt auch possierlich in Eimern Platz und benutzt die Behälter als Mini-Aufzüge in luftige Höhen. Denn der Schauplatz von Stray ist eine erstaunlich vertikal ausgerichtete Angelegenheit: Wie die sogenannte Walled City im Hong-Kong-Stadtteil Kowloon – jedem
Shenmue 2-Fan ein Begriff – ist die Stadt ein komplexer Moloch mit Cyperpunk-Charme. Überall gibt es Leuchtreklamen, beklebte und beschmierte Wände, verschachtelte Balkone, Betonfassaden mit Klima-Anlagen und herabhängenden Stromkabeln. Das Spiel ist seit fast sieben Jahren in Entwicklung, trotzdem haben mich die Liebe zum Detail und die grafische Qualität positiv überrascht. Natürlich haben wir hier kein
Red Dead Redemption 2 vor uns, aber Stray sieht in keinem Moment wie eine Hobby-Produktion aus, wo drei verspulte Indie-Dudes ein absurd schräges Nerdprogramm in die Tastatur hacken. Beides hat natürlich seine Daseinsberechtigung – versteht mich nicht falsch –, ich will euch nur klarmachen, dass mich Stray in puncto Produktions- und Grafikqualität überrascht hat. In diesem Spiel sind nachts weder die Katzen noch die Hintergründe grau!
Kein Jump’n‘Run
Solche Biester machen Jagd auf Stray – um was für Mini-Monster es sich dabei handelt, wissen wir noch nicht.
In Anbetracht der gut 30 Minuten, die ich vom Spiel gesehen habe, denke ich, dass Stray ein ausgewachsenes Action-Abenteuer wird – mit Dialogen und Quests, mit Actioneinlagen und Geschicklichkeitspassagen. Ein anspruchsvolles Hüpfspiel per se wird es aber nicht: Denn die Spielfigur vermasselt keinen Sprung, ihr müsst nicht wie bei einem Mario-Titel die Landung in 3D "schaffen". Sondern einfach nur die X-Taste drücken, damit Stray sicher auf z.B. einen schwankenden Balken springt. Das mindert den Plattforming-Anspruch, ist laut den Entwicklern aber so gewollt – schließlich spielt man eine geschickte Katze, die keinen Hüpfer in den Sand setzt. Dennoch sieht die Fortbewegung in der Welt ansprechend und motivierend aus: Stray sucht sich im Gewirr aus Rohren, Geländern und Brettern seinen Weg zum Ziel – das hat mich ein bisschen an das spaßige Klettern früher
Assassin's Creed-Episoden erinnert, wenn ich z.B. mit Ezio den Weg auf die Kuppel einer Kathedrale gesucht habe.