Test: Amnesia: A Machine for Pigs (Adventure)

von Jörg Luibl



Amnesia: A Machine for Pigs (Adventure) von Frictional Games / thechineseroom
Amnesia: A Machine for Pigs
Publisher: -
Release:
10.09.2013
Erhältlich: Digital (Steam, , GOG)
Spielinfo Bilder Videos
Vor drei Jahren konnte Amnesia: The Dark Descent mit subtilen Schreckmomenten für schaurige Unterhaltung in einem verfluchten Schloss sorgen. Jetzt melden sich die Gänsehautexperten von Frictional Games mit Amnesia: A Machine for Pigs zurück. Können die Schweden an die Qualität ihres ersten Horrortrips anknüpfen? Mehr dazu im Test.

Papa, komm uns holen!

Video
Amnesia: A Machine for Pigs ist nicht der direkte Nachfolger, aber pflegt die schaurige Tradition von Amnesia: The Dark Descent.
Wo bin ich? Wer bin ich? Kaum wacht man schwankend wie ein Schiff auf hoher See auf, beginnt die Suche nach Antworten. Obwohl Möbel und Gemälde auf ein fürstliches Herrenhaus hindeuten, sorgen nicht nur die Blutflecken auf dem Boden sowie geisterhafte Kinderstimmen für Unbehagen. Schon nach wenigen Schritten bemerkt man Seltsamkeiten wie bronzene Käfige, die die Betten einfassen. Wurde hier jemand gefangen gehalten? Oder nachts beschützt? Auch wenn der Gedächtnisverlust mittlerweile inflationär gebraucht wird, sorgt diese Ausgangslage für Neugier.

Und der erste Brief verschafft zumindest etwas Zeitgefühl: Er stammt aus dem Jahr 1899. Allerdings liest sich der Inhalt wie der Erguss eines Verrückten, der irgendetwas von Jaguar-Männern stammelt. Sind das etwa meine Briefe? Mit der verstörenden Ahnung einen Irren zu spielen erkundet man in Egosicht ein Herrenhaus, wobei man Lampen auf einen Klick entzündet, ansonsten mit dem aktiven Ziehen der Maus agiert: So kann man einige Schubladen und Schränke öffnen sowie Kisten anheben bzw. verschieben oder weitere Notizen finden.

Groteskes Schauer-Abenteuer

Was ist im Jahr 1899 in London passiert? Das Gedächtnis des Protagonisten braucht etwas investigative Nachhilfe.
Was ist im Jahr 1899 in London passiert? Das Gedächtnis des Protagonisten braucht etwas investigative Nachhilfe.
Von den Kinderstimmen wird man immer tiefer in eine ebenso beängstigende wie groteske Geschichte gelockt, die Motive der Schauerliteratur, insbesondere aus Frankenstein, aufgreift und mit einem modernen Ansatz verknüpft, der viel Spielraum für Gesellschaftskritik lässt. Was ist der Mensch eigentlich für eine Kreatur? Der Untertitel „Eine Maschine für Schweine“ deutet schon an, was man recht früh ahnt: Es geht um radikale Experimente, um eine verrückte Schöpfungsidee, deren Motivation und Intention man über knapp sechs Stunden auf die Schliche kommt – am Ende darf dann fleißig spekuliert werden. Aber so interessant diese Diskussion ist, so vermisst man doch etwas Intensität.

Ähnlich wie im Vorgänger setzt die Regie auf unheimliche Geräusche und plötzliche Schockmomente, aber erreicht nur selten dessen Gänsehautmomente. Man erfährt weder die beklemmende Angst eines Slender noch den Terror eines Outlast, obwohl sich die Regie durchaus Mühe gibt: Manchmal brüllt etwas tiefkehlig in der Ferne, manchmal bebt das Haus, etwas kracht die Decke herunter oder der Protagonist schwankt bei einem Déjà-vu. Aber man gewöhnt sich irgendwann an diese unheimlichen Störungen, weil man nicht auf sie reagieren muss - der eigene Geisteszustand sorgt auch nicht für neue Gefahren oder Defizite in der Wahrnehmung. Und warum hat man eine Laterne, die nur geskriptet flackert, aber deren Öl nie versiegt? Man muss sich zu wenig um sich und seine Lage kümmern, zumal sich die Erkundungsreize durch viele verschlossene Türen in Grenzen halten.

Auch wenn viele Gegenstände hinsichtlich der groben Texturen enttäuschen, sorgt das Interieur mit seinen barocken Gemälden, ausgestopften Tieren und festlich geschmückten Tafeln für gediegene Gruselstimmung.  Hier könnte auch Dracula herum schlurfen, nur dass er nicht so viel Blut,  rostige Schneidewerkzeuge oder Vorschlaghämmer hinterlassen würde, die als Symbole für grobe Gewalt immer wiederkehren.

Kommentare

johndoe1260640 schrieb am
Wollte es kurz anspielen und hab es nun auf einen Sitz gespielt da es doch recht spannend war.
Hat ca 5h gedauert und ja, es ist eigentlich ein gutes Spiel.
Man vermisst wie schon gesagt wurde leider viele Elemente aus The Dark Descent die das Spiel noch viel intensiver gemacht hätten aber abgesehen davon finde ich die Atmo gerade in der zweiten Hälfte sehr intensiv und ein paar Schreckmomente gab es auch. Vieles nutzt sich aber ziemlich schnell ab weil man eben nicht darauf reagieren muss. So oder so mir hat der kurze Gruselausflug Spaß gemacht. 7/10
SpookyNooky schrieb am
Danke für deine Einschätzung/ eure Einschätzungen. Deckt sich leider auch mit den Steam-Kommentaren. Da warte ich auf einen Sale. Ich spiele gerade wieder The Dark Descent durch und bin wieder hin und weg. Das Spiel macht in Sachen Gamedesign so viel richtig. Da ich es schon mal durchgespielt habe, spiele ich es diesmal mit Entwicklerkommentaren durch. Jedesmal, wenn ein Entwickler fertig ist mit erzählen, denk ich mir: "Wääh, bitte erzähl doch weiter!". ^^
dobpat schrieb am
So, ich habe es jetzt auch grade durchgespielt und möchte auch mein persönliches Fazit ziehen.
Leider für mich eine Enttäuschung nachdem ich nach dem ersten grandiosen Amnesia hier zunächst von einem weiteren überragenden Spiel ausgegangen bin.
Dann gab es ja schon erste Ernüchterung hier im Forum und ich war schon nicht mehr so optimistisch und kann mich jetzt leider nur anschließen.
Das Spiel ist maximal guter Durchschnitt, mehr nicht.
Fällt extrem gegenüber dem ersten Amnesia ab.
Sowohl vom Gameplay, der Spannung, als auch der Grafikperformance würde ich sagen.
Ich würde es auch ganz klar hinter die Penumbra Teile einordnen.
Und richtig gruselig war es auch sogut wie nie fand ich.
Tja schade. Falls es ein drittes Amnesia gibt, werde ich erst abwarten und nicht schon vor Release kaufen wie diesmal. In meinen Augen hat man nichts verpasst, wenn man diesen Teil hier nicht spielt.
Wenn ich selber Tester wäre hätte das erste Amnesia von mir eine 90% bekommen(alleine die Sprachausgabe war so grandios).
Dieses Amnesia hier würde ich persönlich so zwischen 75 und 79% einordnen.
Temeter  schrieb am
Dolph hat geschrieben:Es ist schade, dass The Chinese Room offenbar einen Widerspruch zwischen mitreißendem Storytelling und spannendem, fordernden Gameplay gesehen hat, denn dass dieser nicht zwangsläufig auftreten muss, hat das erste Amnesia eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Ich denke das Problem ist nicht unbedingt die Abwesenheit von gutem Gameplay, sondern dass das bestehende Gameplay nichts zur Geschichte beiträgt. Es ist ja nichts schlimmes, sich statt intensivem Gameplays auf die Geschichte zu konzentrieren, aber in dem Fall ist dessen Einbindung in das Storytelling umso wichtiger. Wieso sollte man für die Geschichte ein Spiel spielen, wenn nicht, um die Stärken des Mediums zu nutzen? Ansonsten kann man auch ein Buch schreiben.
Dolph schrieb am
Ich habe das Spiel gleich nach Erscheinen heruntergeladen und in einer Sitzung durchgespielt. Auch ich muss leider sagen, dass ich nach dem Abspann mit gemischten Gefühlen vor dem PC saß.
Die Entwickler von The Chinese Room wollten scheinbar primär eine Geschichte erzählen und haben alle Spielelemente aus dem ersten Teil, die potenziell von dieser ablenken könnten, entweder stark zurückgeschnitten (Rätsel, Monsterbegegnungen) oder gleich ganz entfernt (Sanity-System, Inventar). Für Spieler, die diese Mechaniken im Vorgänger ohnehin nicht besonders schätzten, ist das sicherlich ein großer Pluspunkt, ich persönlich bin mit dieser Entscheidung unzufrieden.
Die Geschichte von A Machine For Pigs ist zweifelsohne facettenreich, komplex, interpretationsfähig. Sie hat ethische, politische, ja sogar philosophische Aspekte. Warum aber wird sie so dünn präsentiert? Die Handlung entfaltet sich fast ausschließlich über das Lesen gefundener Texte; hin und wieder (viel zu selten) gibt es mal ein kurzes aufgezeichnetes Gespräch zu hören. Da ansonsten im Grunde nur noch simple Rätsel und seltene (ebenfalls meist leicht zu bewältigende) Monsterbegegnungen geboten werden, wirken die Level trotz ihres zum Teil großartigen Designs seltsam leer. Das letzte Drittel des Spiels schafft hier zwar Abhilfe, aber nicht so gründlich, dass ich mich veranlasst sehe, diesen Kritikpunkt fallenzulassen.
Allerdings soll dieser Beitrag keinen Verriss darstellen. Die erzählte Geschichte war spannend und ich wollte auch auf jeden Fall erfahren, wie sie endet. Dass es um die Geschichte herum aber so wenig Spiel gab, hat mich dennoch gestört. Um es einmal überspitzt auszudrücken: Erwartet habe ich Amnesia mit einer Prise Dear Esther, herausgekommen ist Dear Esther mit einem Schuss Amnesia. ;-)
Es ist schade, dass The Chinese Room offenbar einen Widerspruch zwischen mitreißendem Storytelling und spannendem, fordernden Gameplay gesehen hat, denn dass dieser nicht zwangsläufig auftreten muss, hat das erste...
schrieb am