Horror an Bord
Irgendetwas ist faul an Bord der Medan, einem US-Kriegsschiff aus dem Zweiten Weltkrieg. Überall liegen Leichen, in deren erstarrten Gesichtern sich immer noch die Angst des Todes widerspiegelt. Was ist hier passiert? Das fragen sich auch die beiden Soldaten Joe und Charlie, die beim Landgang etwas zu viel über den Durst getrunken haben und zur Strafe in einer Arrestzelle bzw. der Krankenstation des Schiffs gelandet sind. Was die beiden trotz ihres Besuchs beim Wahrsager noch nicht wissen: Sie wird im Prolog nach ersten Erkundungen, Halluzinationen und Anzeichen von Wahnsinn das gleiche grausame Schicksal ereilen wie ihre Kameraden!
Jahrzehnte später kann eine Gruppe aus jungen Erwachsenen noch nicht erahnen, dass ihr eigenes Schicksal mit den Ereignissen von damals verknüpft wird. Denn eigentlich wollen der schüchterne Brad, sein sportlicher Bruder Alex zusammen mit dessen Freundin Julia und ihrem arroganten Bruder Conrad nur zu einem Ausflug aufbrechen, um unerlaubt zu einem unentdeckten Flugzeug-Wrack im Pazifik zu tauchen. Ihre Kapitänin Fliss ist davon zwar nicht sonderlich begeistert und warnt sogar davor, benötigt aber das Geld und lässt die Truppe daher gewähren. Zwar handelt es sich hier im Prinzip um eine Ansammlung von Stereotypen und die
Die engen und düsteren Gänge des Schiffs sind nichts für Leute, die unter Klaustrophobie leiden.
Charakterentwicklung hält sich in Grenzen, aber trotzdem fiebert man mit jeder Figur mit.
Das bekannte Muster
Wie bei Until Dawn übernimmt man abwechselnd die Rollen der fünf Protagonisten und kann die meist kleinen Schauplätze nach Hinweisen wie Dokumenten absuchen oder an vorgesehen Stellen mit der Umgebung interagieren, um z.B. ein Funkgerät zu bedienen, Schränke zu öffnen oder Objekte zu untersuchen. In den Dialogen hat man zudem wieder die Möglichkeit, mit drei Antwort-Optionen den Verlauf der Geschichte und gleichzeitig auch die Beziehung der Charaktere untereinander zu formen. Wer z.B. überwiegend schnippisch oder abfällig reagiert, sammelt bei seinem Gegenüber keine Sympathiepunkte. Viele Entscheidungen wirken zumindest auf den ersten Blick recht banal und führen lediglich zu minimalen Veränderungen. Andere wiederum haben größeren Einfluss auf die Handlung und werden im Pause-Menü unter dem Begriff „Kursrichtung“ dokumentiert. Ein Beispiel: Am Ende des Tauchgangs hat man die Wahl, ob man ohne Dekompression zum Boot zurückkehrt und die Taucherkrankheit als mögliche Nebenwirkung riskiert. Auch kurze Zeit später hat man die Wahl, durch das Trinken von Alkohol noch weiter mit dem Feuer zu spielen oder lieber darauf zu verzichten. Je nachdem, wie man sich bei solch zentralen Aktionen entscheidet, wird man die Auswirkungen mehr oder weniger deutlich spüren. Wie bei Until Dawn stößt man auch hier wieder auf Vorahnungen, die beim Betrachten bestimmter Bilder eine mögliche Zukunfts-Vision zeigen, die eintreten kann, aber nicht muss.
Ungebetene Besucher
Eine erste kritische Situation erlebt die Gruppe, als sich in der Nacht eine Gruppe von Piraten auf das Schiff schleicht, die Großmaul Conrad ein paar Stunden zuvor bei einer ersten Begegnung aufgemischt hatte. Zwar gibt es bei diesem Überfall schon ein paar kritische Situationen zu meistern und man muss im schlimmsten Fall schon das erste Opfer beklagen, aber so richtig nehmen Story und Horror erst Fahrt auf, als das US-Kriegsschiff
Welche Geheimnisse hält das Wrack bereit?
aus dem Zweiten Weltkrieg plötzlich auftaucht und die Piraten beschließen, zusammen mit ihren Geiseln an Bord zu gehen.
Viel mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Zwar kommen Horror und Grusel erst langsam in Fahrt, doch ist man erst mal zurück an Bord des verrottenden Kahns, wird man mit einer beklemmenden Atmosphäre, gefährlichen Bedrohungen und billigen, aber durchaus effektiven Schockeffekten entschädigt. Supermassive Games gelingt eine gute Mischung aus Erkundung, dramatischen Reaktionstests bei Flucht- und Kampfsequenzen sowie einem aufregenden Versteckspiel, bei dem man durch rhythmischen Tastendruck seinen Puls kontrollieren muss. Dabei sind die Herausforderungen teilweise recht knackig und man muss sowohl über gute Reflexe als auch ein Gespür bei den Entscheidungen verfügen, damit alle Hauptfiguren diesen spannenden Horrortrip auf hoher See überleben. Eine besondere und interessante Rolle ist der Kurator, der ähnlich wie der Psychiater in Until Dawn die Entscheidungen des Spielers kommentiert und spätestens bei den Dialogoptionen endgültig die Vierte Wand aufbricht. Er dürfte zudem das einzige Bindeglied sein, das sich über alle zukünftigen Episoden erstreckt.