Das origamisierte Verbrechen
Prominente Nintendo-Marken werden seit vielen Jahren ausgesprochen kompetent ins Deutsche übersetzt, das zeigt sich z.B. (aber nicht nur) bei den fantasievollen Namen vieler Super-Mario-Feinde und -Levels. Auch Paper Mario: The Origami King glänzt mit klasse deutschen Texten voller Wortwitz und perfekt gesetzten Pointen. Auch ohne Vertonung - was trotzdem schade, in diesem Fall aber nicht schlimm ist - gehören die pfiffigen Gespräche von Marios Begleitern und die dümmlichen Sprüche der geretteten Toads zum Besten und Lustigsten, was ich seit Jahren in Videospielen lesen durfte. Sparwitze und Albernheiten sind dabei ein steter Begleiter, doch auch die Zwischentöne verblüffen: Marios Begleiterin, die Papier-Fee Olivia, ist eine Plaudertasche im positiven Sinne - sie überträgt ihre optimistische Stimmung, ihre kindliche Freude am Entdecken auf das gesamte Spiel und stellt so einen starken Gegenpart zum stummen Klempner dar. Und schließlich gibt es, zu meiner Überraschung, sogar Raum für Dramatik und Trauer - das hätte ich angesichts dieser kunterbunten Unschuldsfassade nicht erwartet.
Feiner Unterschied: Mario sieht wie ein typischer Papier-Charakter aus, ihm gegenüber steht die Armee der Faltschergen.
Was mich natürlich gleich zum zweiten, ausgesprochen gelungenen Aspekt des Spiels bringt: die Kulisse. Die 2016er Wii-U-Episode
Color Splash war schon richtig hübsch, das immer wieder frisch und kreativ interpretierte Falt-, Karton- und Papier-Erscheinungsbild von The Origami King setzt dem aber in allen Belangen die Krone auf. Das fängt bei den herrlich verknickten Origami-Schurken an, geht bei besonders großen Feinden, die wie Laternen aus Transparentpapier aussehen, weiter und hört bei den stoffig-plastischen Texturen der Bildschirm-Wunderwelten noch lange nicht auf. Obwohl das Spiel das reine Motiv "Papier als Videospiel-Material" nicht ganz so herausragend umsetzt wie Media Molecules
Tearaway, ist diese Paper-Mario-Episode ein technisch lupenreines, in jeglicher Hinsicht supersauberes Gesamtkunstwerk - und damit einer der grafischen Vorzeigetitel auf Nintendos Hybrid-Konsole.
Entführung war gestern
Welch' Wonne: Das Städtchen rund um Peachens Schloss sah noch nie so zauberhaft aus.
Natürlich spielen die ewigen Nintendo-Stars Peach, Bowser oder Luigi eine Rolle in The Origami King - aber, wie so oft bei einem Paper-Mario-Teil, haben sich die Schreiber von Intelligent Systems zusätzliche Lichtgestalten und Bösewichte aus
gedacht, die euch die 30 bis 40 Spielstunden versüßen: Der selbsternannte Origami-König Olly, ein Papp-Wicht mit blonder Tolle und lila Frack, hat das Schloss des Pilzkönigreichs aus den Angeln gerissen, Regentin Peach origamifiziert und die Welt mit seinen bunten Papierbändern gefesselt. Tausendsassa Mario muss das Schlamassel beheben und wird dabei von der erwähnten Olivia, der gutherzigen Schwester des Erzschurken, mit Rat und Tat unterstützt. Zusammen folgt das Duo den Papierbändern durch eine erstaunliche Cartoon-Welt: Von der immer wieder besuchten, herrlich modellierten Hauptstadt der Toads geht es in hügelige Wälder und felsige Schluchten, man besucht einen Ninja-Vergnügungspark und macht eine orientalische Wüstenstadt unsicher, lenkt ein wendiges Stiefel-Mobil durch die Gegend und schippert sogar über das Meer zu verschiedenen Inseln. Zweierlei Schnellreise-Systeme (Röhren und Faxgeräte) erleichtern die den Trip - obwohl Paper Mario: The Origami King eine ziemlich lineare Angelegenheit ist, ist es doch praktisch, zum Item- oder Upgrade-Kauf mal eben eine Röhrenabkürzung benutzen zu können.