D&D-Nostalgie
Melfs Säurepfeil, ein Langeschwert +1 und ein Unsichtbarkeitstrank. Dazu eine Gruppe zickiger Helden, die Schwertküste
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Ein Halb-Ork soll es sein? Mit mächtigem Brustkorb und einem Hang zur Zerstörung? |
voraus und einen Sack voller Quests auf dem Buckel. Wie lange ist das her? Waren das herrliche Abenteuer!
Neverwinter Nights 2 (NN2) weckt gerade zu Beginn all die nostalgischen Gefühle, die Veteranen schnell in die Zeit von Baldur's Gate 1 und 2 (BG1,2), Eiswindtal und wie sie alle heißen zurückversetzen. Sobald das edle Hauptmenü strahlt und die ersten epischen Akkorde aus den Boxen schallen, sieht man sich schon wieder knietief und schwer beladen durch finstere Katakomben waten.
Allerdings nutzte sich das Phänomen der D&D-Fantasy schon damals mit der Zeit ab. Dem Premierenfeuer von BG1 folgte eine regelrechte Flut an Abenteuern, die Schwertküste mutierte innerhalb weniger Jahre zum Mallorca der isometrischen Rollenspielwelt. Die inflationäre Flut an Items, Klischees und ewig gleichen Quests sorgte für eine Übersättigung. Den Tiefpunkt des Genres markierten auch Spiele aus anderen Universen wie
Lionheart oder kürzlich
Dungeon Lords .
Aber zurück zu den Forgotten Realms: Im Juli 2002 leitete BioWare mit
Neverwinter Nights (NN) die Verschmelzung zweier großer Traditionen ein: Pen&Paper-
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Schon im Tutorial lernt hier ansehnliche Zauber wie die Vergrößerung kennen: Euer Kumpel wächst gen Himmel. |
traf endlich auf PC-Rollenspiel. In einer 3D-Kulisse konnte man entweder dem vorgefertigten Abenteuer der Kanadier folgen oder ganz eigene entwickeln, tauschen und mit Freunden spielen. Nach dem ersten Add-On
Neverwinter Nights: Der Schatten von Undernzit (2003), das atmosphärisch und erzählerisch selbst das Original schlug, setzte
Neverwinter Nights: Hordes of the Underdark (2004) schon Staub an - schwache Cutscenes, schwache Story, nervige Automatismen.
Charakter nach Maß
Aber all das ist lang her. Als Rollenspieler will man sich gerne von NN2 neu verzaubern lassen. Am Anfang steht die Charaktererschaffung, mit der versierte Kenner und unentschlossene Freaks wie ich schon Stunden zubringen können. Ihr dürft zwar keine ganze Gruppe aus dem Boden stampfen, was unheimlich schade ist, aber später kommen zahlreiche Nebenfiguren hinzu, so dass ihr inklusive beschworener Tiere schon mal mit einem halben Dutzend unterwegs seid. Für
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Trotz komplett deutscher Vertonung: Die Zwischenseqeunzen können nicht mit guter Mimik oder Gestik überzeugen. |
euren Held bzw. die Heldin könnt ihr zunächst aus dem Vollen des D&D-Genpools schöpfen: Egal ob Zwerg, Halbork, Elf oder Berührter - es gibt genug Auswahl, darunter erstmals Abstufungen wie Goldelfen, Grauzwerge oder Tiefengnome. Von der einfachen Klasse des Kämpfers oder Magiers bis zur Prestigeklasse der Marke "Arkaner Bogenschütze" habt ihr alle Möglichkeiten einen Allrounder oder Spezialisten nach Maß zu schnitzen. Neu dabei sind u.a. der "Schattendieb von Amn" oder der "Duellant".
Wer keine Lust auf das Studium der Attribute, Talente, Fähigkeiten und Boni hat, die auch das aktuelle D&D-Regelwerk 3.5 füllen, darf sich auch mit ein paar Klicks auf die Empfehlungen automatisch ausstatten lassen - diesen Komfort werdet ihr auch später zu schätzen wissen, wenn eure Helden aufsteigen und eine Lawine an Möglichkeiten herabrollt. Übrigens haben
sich inhaltlich nur Details verändert: Barden und Hexer dürfen jetzt ohne Malus ein Kettenhemd tragen; die Art der Waffe ist für die Durchschlagskraft entscheidender - alles andere fällt kaum ins Gewicht. Wer mal ein D&D-Abenteuer gespielt hat, wird sich schnell zurechtfinden.
Allerdings solltet ihr spätestens bei den aktiven Talenten wie Spezialschläge der Marke "Kernschuss" oder "heftiger Angriff" sowie den Zaubern selbst eingreifen, denn dort wird manchmal eine unsinnige Auswahl getroffen, die vielleicht im Pen&Paper auf dem Tisch interessant ist, aber in der virtuellen Welt von Maus&Monitor nutzlos verpufft. Festzuhalten bleibt, dass der Reiz der Charakterentwicklung aufgrund des komplexen Geflechts aus Eigenschaften wesentlich größer ist als bei Gothic & Co. Hier kann man sich richtig reinwühlen, bei jedem Aufstieg brüten und die Karriere gezielt planen. Und ihr dürft auch euer Aussehen von der Augenbraue über die Frisur bis hin zur Bartfarbe bestimmen; nur die Statur lässt sich nicht anpassen.