Freischaltbares & Optionen
Power Stone bietet für ein Spiel des Jahres 1999 überraschend viel Freispiel-Kram: Neben einer Jukebox (die Musik des Spiels ist übrigens klasse) und einem gewöhnungsbedürftigen Klopp-Modus in Ego-Sicht schaltet man auch drei Minispiele für den Bildschirm der Dreamcast-Memory-Card, Zusatzwaffen und Extra-Optionen frei. Darunter zwei sehr reizvolle Spiel-Einstellungen, mit denen ich Power Stone heute meist spiele: Die eine ist recht simpel - man kann einstellen, dass dezent unberechenbare Extra-Waffen wie der Teleskop-Stab und die Minigun nicht auftauchen. Das sorgt für ein Plus an Fairness, weil vor allem beim Stab die komplexe Trefferabfrage in den verwinkelten Arenen nicht optimal funktioniert. Die andere Einstellung betrifft das Energie-System: Ich schalte die sogenannte „After-Rounds-Recovery“ stehts ab - damit startet man exakt mit der Lebenenergie in Kampfrunde zwei, mit der man die erste Runde überstanden hat. Aus Erfahrung kann ich sagen: Das mindert nicht die Spannung am Rundenende und sorgt dafür, dass sich die Duelle auf Dauer ausgeglichener und fairer gestalten.
Sollte sich Capcom irgendwann zu einem dritten Teil mit Online-Modus überzeugen lassen - Takeshi Tezuka, Produzent des Originals, sprach unlängst von der Möglichkeit (für Switch) - für einen fairen und sportlichen Wettkampf auf E-Sport-Niveau wurden die Grundlagen also bereits vor zwei Jahrzehnten gelegt.
Konkurrenz für Smash Bros.?
Acht Figuren bot das Spiel zum Start (von links): Falcon, Ayame, Wang Tang, Gunrock, Jack, Galuda, Rouge und Ryoma.
Nintendos heutige Kassenschlager-Serie Smash Bros. debütierte in Japan auf dem N64 im Januar 1999, Power Stone auf Dreamcast gute vier Wochen später - dass eines dieser beiden turbulenten, außergewöhnlichen und auf den ersten Blick chaotischen Prügelspiele also vom anderen geklaut hat, ist also auszuschließen. Die sehr unterschiedlichen Karrieren, die beide Spielereihen machten, sind bekannt - sicherlich trug die Dreamcast-Exklusivität von Power Stone ihren Teil dazu bei. Teil 2 erschien übrigens auch für die erfolglose Sega-Konsole und erweiterte das Spielprinzip auf interessante Weise - dort durften nun plötzlich vier Spieler zeitgleich ran und durch scrollende Arenen hetzen, die fast schon an Jump’n’Run-Level erinnerten. Ein Schelm, wer übrigens daran denkt, dass sich Capcom für Teil 2 dezent an Smash Bros. orientierte: Die Erweiterung auf vier Spieler könnte man noch als Zufall deuten, die Neuzugänge Gourmand (ein feister Koch) und Julia (eine Dame mit Kleid und Schirm) erinnerten aber etwas zu deutlich an Nintendos Poster-Päärchen Mario und Peach.
Profi-Stage: In Tong An ist es so eng, dass man Feinden mit Waffen oder geworfenen Gegenständen kaum ausweichen kann. Pad-Künstler schmeißen dem Gegner sogar einen Topf auf die Rübe, was für eine kurze Stun-Phase sorgt.
Power Stone war übrigens Capcoms erstes Spiel für Dreamcast und das Spielhallen-Board Naomi, und es war ein Starttitel zum europäischen DC-Launch im Oktober 1999. Den interessanten, aber in der Kampfmechanik (keine Kicksprünge, keine Würfe) doch verwässerten Nachfolger habe ich bereits angesprochen - nicht aber die Neu-Veröffentlichung beider Teile als Collection für die PSP im Jahr 2006. Die war technisch sauber und spielerisch klasse - hatte auf dem Handheld aber natürlich weniger Mehrspieler-fokussiert also auf der Sega-Konsole. Einen ganz netten Anime der renommierten Pierrot-Studios (Naruto, Bleach, Tokyo Ghoul) zum Spiel gab es übrigens auch, allerdings nur zwei Staffeln lang. Damit wäre auch schon fast alles gesagt zu diesem wundervollen Titel, den ich nach wie vor für das beste Multiplayer-Kampfspiel überhaupt halte. Und schließe mit einem Zitat von Designer Hideaki Itsuno aus einem 2019er Interview mit dem englischen Guardian: „Wir wollten ganz anders sein als jedes bisher existierende Prügelspiel.“ Ich stimme vollumfänglich zu und füge an: Auch über 20 Jahre nach Release ist diese Prämisse noch gültig!