Schreckliche Würfelpower
Resident Evil 4 sorgt für ein Stakkato an Adrenalin-Kicks. Und das auf dem GameCube. Ja, auf diesem kleinen Würfel mit all seinen kunterbunten Kinderspielen gibt`s nach
Eternal Darkness endlich wieder einen echten 3D-Höllentrip für harte Jungs mit großem Monsterhunger. Zombies? Schnee von gestern. Aber ich trauere den Untoten nicht nach, denn die Kreaturen hier sind intelligenter, rotten sich zusammen und wirken aufgrund ihrer menschlichen Tätigkeiten noch gefährlicher: Sie hüten Vieh, gehen in die Kirche, bedienen Katapulte.
Auf der Speisekarte stehen grölende Dörfler, irre Frauen, fliegende Insektoide, fleischige Tentakel, sadistische Leder-Hünen, mutierte Monstren und mächtige See-Ungeheuer. Zwischendurch gibt`s böse Bärenfallen, zermalmende Felsblöcke und später fiese Laserschranken mit Brutzelgarantie. Wie man die überwindet? Einfach ein paar Flickflacks über mehrere sekundengenaue Quick-Time-Reactions aufs Parkett legen. Jede gelungene Aktion wird sofort von einem akrobatischen Filmschnipsel belohnt - klasse! Die Herausforderungen und das Gefühl der Bedrohung wachsen mit jeder der satten 20 Spielstunden, bevor es kurz vor dem Finale noch mal richtig knistert. Wer alles erforscht, darf eine Hand voll Stunden hinzuzählen - das ist für dieses Genre rekordverdächtig. Aber nach dem Finale ist nur in der US-Version nicht Schluss: Hier könnt ihr eine bisher unbekannte Episode der Story mit einer anderen Figur nachspielen oder in Zeitlimit-Shootouts vier neue Charaktere für Arenakämpfe freischalten. Diese beiden coolen Modi sind in der deutschen Fassung aufgrund des Einschreitens der USK nicht enthalten. Zwar ist die hiesige Fassung nicht geschnitten, aber dadurch nach dem ersten Durchspielen einen Tick unattraktiver.
Aber das schmälert nicht die anderen Höchstleistungen, die man auf den ersten Blick erkennt. |
Capcom holt die Fratze des Horrors ganz nah ran. So nah, dass man die Zähne dieses Wahnsinnigen fast spüren kann. |
PC-, PS2- und Xbox-Puristen müssen jetzt ganz stark sein: Resident Evil 4 rockt architektonisch, animationstechnisch und atmosphärisch alles weg, was ich bisher gesehen habe. Egal ob wabernder Nebel oder staubig flirrende Lichtschächte, egal ob sengendes Kaminfeuer oder prächtig verzierte Stuckdecke. Ich fang jetzt gar nicht vom Kerzenlicht an, oder vom bewegten Himmel. Dann gibt es da eine Szene mit windgepeitschten Vorhängen in einer Säulenhalle, die wie blutrote Zungen in den Flur zischeln - dagegen sieht selbst Splinter Cell alt aus. Hier bin ich minutenlang staunend hin und hergelaufen und hab den kleinen Würfel misstrauisch nach bisher unbekannter Hardware abgetastet. Und ihn sicherheitshalber angekettet.
Grandioser geht nicht!
Oder nehmen wir die verblüffend lebensechten Bewegungen der Dorfbewohner: Sie zucken zusammen, halten sich die Hände vors Gesicht, gehen schmerzverzerrt in die Knie oder täuschen linkisch eine Attacke an, bevor sie plötzlich die Richtung wechseln - die sehen nicht mehr aus wie animierte Figuren, sondern wie echte Menschen. Sie kommen erst langsam näher, dann stürzen sie sich auf euch, rammen euch Mistgabeln in den Leib, während sie euch hasserfüllt anstarren. Diese Augen sind es, die einem Angst einjagen. Bemerkenswert sind auch die lebensechten Reaktionen: Ihr zielt mit dem roten Laser zwischen die Brauen eines heranschlurfenden Axtdörflers, er bemerkt es und weicht schnell nach links aus! Sie werfen Granaten, sie verstecken sich hinter Schilden, klettern Leitern hoch. Dagegen wirken die Zombies früherer Spiele wie hölzerne Dummys. Zwar lässt die Intelligenz der Gegner in Sachen Deckungsverhalten zu wünschen übrig, aber das hat erzählerische Ursachen.
Man fühlt sich ständig von allen Seiten bedroht, steht wie in den Vorgängern einer schier endlosen Übermacht gegenüber. Gerade deshalb feiert man jeden Kopfschuss, jeden explodierten Schädel. Allerdings ist nicht immer ganz klar, wann man darüber jubeln kann: Manchmal führt ein gezielter Treffer zwischen die Augen dazu, manchmal braucht man gleich drei davon oder kann auch woanders treffen. Hier wirkt das Schadenssystem etwas inkonsequent. Unverständlich ist auch, dass man am Boden liegende Gegner nicht mit einem gezielten Messerstich töten kann, sondern dass man wenig elegant über ihnen rumfuchteln muss - hier hätte ein Finishing-Move gepasst. Zumal der Rest an Kicks & Co auf Martial Arts-Niveau inszeniert wird.
Das ist jedoch alles Krimskrams. Denn dafür lässt sich tatsächlich jede auf euch zufliegende Axt, jedes sausende Messer mit einem gezielten Schuss in der Luft ablenken - genial! Insgesamt ist die Kulisse einfach großartig. In Metroid Prime 2 hat Nintendos Hardware schon die Muskeln spielen lassen, aber hier gibt`s olympisches Posen. Man kann über eine Textur hier und da streiten, auch über die sich wiederholenden Gesichter der Dorfbewohner - kein Thema. Aber: Es ist in Sachen Level-Design wesentlich abwechslungsreicher als Doom 3, in Sachen Raumgestaltung dichter und bombastischer als Halo 2 und selbst Metal Gear Solid 3 in seiner Paradedisziplin überlegen: den Bosskämpfen.