Es war einmal ...
Diablo, WarCraft, StarCraft und auch The Lost Vikings. Blizzard Entertainment hat Ende der 90er-Jahre und Anfang 2000 mächtig gute und beliebte Spiele entwickelt, die dem Studio weltweit Anerkennung und einen sehr guten Ruf bescherten. Aber obwohl
StarCraft,
Diablo 2 und
WarCraft 3 allesamt Millionenseller waren und sich auf dem PC schnell treue Fangemeinden bildeten, brachte erst
World of WarCraft 2004/2005 den richtig großen Stein ins Rollen, der auch finanziell für einen Höhenflug sondergleichen sorgte - zu Lich-King-Rekordzeiten (2008) zählte man zwölf Mio. zahlende Abonnenten. Die Blizzard-Spiele waren zu der Zeit absolute Ausnahmeprodukte, auch wenn angekündigte Titel wie WarCraft Adventures oder
StarCraft: Ghost eingestampft wurden.
In den letzten Jahren bröckelte jedoch der lang erarbeitete Ruf, trotz etwaiger Highlights wie
StarCraft 2 oder
Overwatch. So stieß Blizzard den eigenen Hardcore-Fans mit der Vorstellung von
Diablo Immortal vor den Kopf und die Veröffentlichung von
WarCraft 3: Reforged war eine unfertige Frechheit. Während viele andere Fettnäpfchen nicht ausgelassen wurden, kehrten immer mehr langjährige und namhafte Mitarbeiter dem Unternehmen den Rücken. In diesem Bericht soll es weniger um die unbestreitbaren frühen Erfolge von Blizzard Entertainment gehen, sondern um die spürbaren Veränderungen in den letzten Jahren, die auf den wachsenden Einfluss von Activision Blizzard zurückzuführen sind - und natürlich auf das leidige Thema: Geld.
Wie Blizzard zu Activision kam
Mit Blizzard Entertainment verbindet man eigentlich bekannte Marken, langjährigen Spiele-Support und auch "gute" Spiele.
Doch der Reihe nach. Anfang 2000 gehörte Blizzard Entertainment zum Publisher Vivendi (Universal) Games, der sich später in einer Dauerkrise befand, aber u.a. dank Blizzard am Leben gehalten wurde. 2007 und 2008 suchte der Activision-Chef Robert "Bobby" Kotick nach einem starken MMO als Zugpferd für das eigene Unternehmen und da fiel sein Blick auf das schwächelnde Unternehmen von Vivendi Games. Allerdings kannte deren Führungsetage den Wert von World of WarCraft - und somit kam es nicht zu einer Übernahme, sondern zu einer Fusion. Im neuen Konzern, der Activision Blizzard getauft wurde, um von der Stärke der Marke Blizzard zu profitieren, war Vivendi der Mehrheitseigner und damit tonangebend. Eine kleine Randnotiz: Für Bobby Kotick war ein weiteres Detail bestimmt sehr interessant, denn Mike Morhaime als Präsident von Blizzard Entertainment hatte bereits Geschäftsbeziehungen nach China aufgebaut.
Nach der Fusion schien sich erstmal wenig verändert zu haben und nach außen hin wirkte es fast so, als hätte Blizzard freie Hand - obgleich das Echtgeld-Auktionshaus bei
Diablo 3 sowie der Ausbau von
StarCraft 2 zu einer Trilogie schon einen Beigeschmack hatten.
Im Juli 2012 wollte Vivendi dann Activision Blizzard verkaufen, um an Liquidität zu kommen. Interessenten waren damals wohl Microsoft, Tencent und Time Warner. Der Verkauf kam aber nicht zustande. Am 25. Juli 2013 kam es dann zum "Buyout" von Vivendi. Vivendi verkaufte den Großteil seiner Activision-Blizzard-Anteile an Bobby Kotick (Activision CEO) und Brian Kelly. Nach Abschluss des Deals war Vivendi nicht mehr die Muttergesellschaft von Activision Blizzard. Das Unternehmen wurde von Vivendi unabhängig. Kotick blieb Präsident und CEO, Brian Kelly übernahm den Vorsitz. Vivendi stieg bis Ende 2016 komplett aus.
Quellen: Forbes (Unternehmensfusion); Businesswire und Reuters (Vivendi will Activision Blizzard verkaufen); Engadget und Spiegel (Vivendi-Buyout)
Als Vivendi noch an Bord war (bis 2013)
Bei der BlizzCon (hier 2014) feiert sich das Unternehmen selbst - und vor allem seine (zahlenden) Fans. Noch im Jahr 2009 behauptete Blizzard, dass die Kosten für die Veranstaltung so groß wären, dass die BlizzCon eigentlich ein Verlustgeschäft sei. Aber der direkte Draht zu der Community war der damaligen Unternehmensleitung entspechend wichtig.
Als Vivendi noch mit in der Führungsspitze saß, wurden mal bessere, mal schlechtere Erweiterungen für World of WarCraft, die StarCraft-2-Trilogie und Diablo 3 veröffentlicht - Letzteres machte mehr durch Server-Probleme, ein vergeigtes Itemsystem und das unsägliche Echtgeld-Auktionshaus auf sich aufmerksam. Erst nach vielen Updates und der Erweiterung Diablo 3: Reaper of Souls zeigte das Spiel seine Stärken. 2014 überraschte Blizzard mit Hearthstone - einem digitalen Sammelkartenspiel mit eingebautem Zufallsfaktor auf Free-to-play-Basis, das von einem kleinen Team realisiert wurde und sich schnell zur Cashcow mauserte. Zahlreiche Kartensets und Erweiterungen, auch für Solo-Spieler, folgten - sowie Umsetzungen für Smartphones und Tablets, mit denen sich ein neuer und allem Anschein nach viel größerer Markt öffnete. 2015 ging mit
Heroes of the Storm eine MOBA auf Free-to-play-Basis (zu spät) an den Start, zog aber gegen die etablierten Platzhirsche
League of Legends und
Dota 2 den Kürzeren, obwohl das Spiel mit teils kreativen Ideen auf den Schlachtfeldern aufwartete, aber bei der Charakter-Entwicklung oberflächlich blieb.
Und obgleich World of WarCraft weiterhin "gut" lief, breitete Activision irgendwann den Mantel des Schweigens über die Abozahlen aus und nannte nur noch die abstrakte Größe der "monatlich aktiven Spieler" in Blizzard-Titeln.
Titan: Die Suche nach dem nächsten großen Ding
Aber hinter den Kulissen lief längst nicht alles wie geschmiert. Titan, das "nächste große Ding" nach World of WarCraft, wollte einfach nicht zünden. Seit 2008 war es in Entwicklung und 2010 sollen mehr als 100 Mitarbeiter an dem Online-Projekt gesessen haben, das als Mischung aus Die Sims, Left 4 Dead und Team Fortress 2 beschrieben wurde. Tagsüber sollte der Spieler-Charakter ein normaler Mensch und nachts ein Superheld sein. Nach mehreren Jahren wurde das Projekt dann eingestellt. Das Scheitern des Projekts trotz versammelter und erfolgsverwöhnter Kompetenz im Hause hinterließ laut mehreren Mitarbeitern gegenüber Kotaku viel Verunsicherung und Selbstzweifel im Team - auch Jahre später nagte das Titan-Desaster noch an dem Selbstbewusstsein vieler Entwickler.
Die Scherben von Titan kehrte letztlich ein Team um Jeff Kaplan auf und strickte daraus den Multiplayer-Shooter
Overwatch, der 2016 mit einem Paukenschlag erschien. Im Geschäftsbericht hieß es damals, dass Overwatch nach weniger als einem Jahr zu einer Milliarden-Dollar-Marke angewachsen wäre - mit mehr als 30 Millionen Spielern. Zugleich wurden die eSports-Ambitionen mit der Overwatch League in einem übergroßen Maßstab ausgebaut.
Während Overwatch im Gespräch war, wurden laut Kotaku die Pläne für eine zweite Diablo-3-Erweiterung auf Eis gelegt und ein neuer Diablo-Teil als Dark-Souls-Variante aus der Verfolgerperspektive in Angriff genommen. Das Diablo-Projekt wurde aber ebenso eingestellt wie ein Shooter im StarCraft-Universum nach Battlefield-Muster.
Quellen: Polygon und Kotaku (Titan-Einstellung); Kotaku (D3-Erweiterung #2, StarCraft-Shooter und Diablo Dark Souls); Kotaku (Verunsicherung im Team), GameSpot (kein Gewinn mit der BlizzCon)