Test: Limbo (Plattformer)

von Mathias Oertel



Limbo (Plattformer) von Playdead
Limbo
Publisher: Playdead
Release:
21.07.2010
11.02.2015
01.07.2013
01.07.2013
03.07.2014
13.01.2012
02.08.2011
20.07.2011
25.02.2015
05.06.2013
28.06.2018
05.12.2014
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Spielinfo Bilder Videos
Der Mainstream regiert die Spielewelt. Doch von Zeit zu Zeit sorgt ein Spiel aus der unabhängigen Entwickler-Szene für Furore. Man erinnere sich nur an Braid oder Max & the Magic Marker. Auch das zum Start von Microsofts "Summer of Arcade" erschienene Limbo kommt aus dem Independent-Bereich und wurde im Vorfeld bereits auf einschlägigen Festivals mit Preisen überschüttet. Kann die dadurch entstandene Erwartungshaltung erfüllt werden?

Another Oddworld Limbo of Persia

Nein, hinter Limbo versteckt sich keine vorab veröffentlichte Kinect-Spielerei, bei der man seinen Körper vor dem Bildschirm einsetzt, um unter einem horiziontal gehaltenen Stab zu tanzen. Stattdessen sieht sich das komplett monochrom gehaltene Arcade-Spiel, das auf dem XBL-Marktplatz für satte 1200 Punkte zu haben ist, eher als Nachfolger von Titeln wie dem Ur-Prince of Persia, den ersten Oddworld-Abenteuern oder dem Klassiker Another World. Es ist im Kern ein mit 
Die Welt in Limbo ist düster, verstörend und geht nicht nur mit dem Thema "Tod" schonungslos um.
Umgebungsrätseln gefülltes Jump & Run. Und drumherum hat das dänische Team von Playdead eine Story gepackt, die eher mit der Alternativ-Definition des Namens zu tun hat, einer Vorhölle in der katholischen Theologie bzw. einer Situation in der Schwebe, deren Ausgang vollkommen offen ist. Dementsprechend wird jeder die mitunter sehr ruhig erzählte Geschichte anders erleben. Und damit meine ich nicht den offensichtlich vom Marketing als publikumswirksam empfundenen Grundansatz, dass ein Junge seine Schwester finden muss. Blablabla. Zumal man zu Beginn des Abenteuers keine Ahnung davon hat. Man wacht in einem düsteren Wald auf - das ist alles.

Von da an spielt sich ein Großteil der Geschichte in der eigenen Fantasie ab: Wieso ist der Junge in diesem Wald gelandet? Wen sucht er? Wieso versuchen die anderen Figuren, vermutlich ebenfalls Kinder, ihm beinahe wie in "Der Herr der Fliegen" den Garaus zu machen. Wieso befinden sich überall Fallen auf seinem Weg? Wer will ihn stoppen? Wieso?
Man möchte dem Geheimnis auf die Spur kommen. Doch mit jedem Schritt, den man macht, mit jeder Falle, der man ausweicht, mit jedem Hindernis, das man überwindet, tauchen mehr Fragen auf. Wieso ist die Welt so verlassen? Warum sind die Gegner, vor denen man fliehen muss, so verdammt groß und Furcht erregend? Warum?

Und ehe man sich versieht, ist man nicht nur damit beschäftigt, die mitunter sehr stark auf Trial-and-Error zugeschnitten Hüpf-Rätsel zu lösen, sondern ertappt sich dabei, wie man versucht, die Antworten auf all diese Fragen zu finden. Damit sorgt Playdead dafür, dass jeder Limbo anders erlebt - und zeigt mit spielerischer Leichtigkeit beinahe nebenbei, dass die spannendsten Geschichten jene sind, die in der eigenen Fantasie ablaufen.

Purer Minimalismus

Doch dies kann nur funktionieren, weil Kulisse und Spielmechanik wunderbar aufeinander abgestimmt sind und in ihrem jeweiligen Minimalismus perfekt miteinander harmonieren. Nehmen wir z.B. die an Schattenpuppen erinnernden Figuren, die als sorgsam animierte Silhouetten durch die in mehreren Ebenen scrollenden Schwarz-Weiß- Hintergründe wandern: Obwohl von der Hauptfigur nur die leuchtend hellen Augen hervorstechen und obwohl der Junge nie spricht und selbst alle auf ihn einstürzenden Leiden ausdruckslos erträgt, ist er durch seine beinahe greifbare Verletzlichkeit sehr lebendig und man spürt den Wunsch, ihn ohne weitere Schmerzen (sprich: Lebensverlust) an sein Ziel zu leiten. Auch seine Hilflosigkeit wird gut zum Ausdruck gebracht: Er kann laufen, hüpfen, sich natürlich an Vorsprüngen hochziehen und an vorgesehenen Stellen mit der 
Hüpfen und Laufen fast wie in der guten alten Zeit von Oddworld.
Umgebung interagieren. Dazu gehört das Schieben von Kisten, das Benutzen von Tauen oder das Betätigen von Schaltern. Schwimmen oder Waffenbenutzung sind Fremdworte für ihn.

Doch nirgends ist die Hilflosigkeit so umfassend zu spüren wie in den Momenten, in denen ein parasitärer Wurm in seinem Kopf steckt und ihn zwingt, in eine bestimmte Richtung zu gehen. Panik kommt auf, wenn man die Bewegung zwar verlangsamen, aber nicht stoppen kann und die rettende Plattform im letzten Moment außer Reichweite gerät, während man taumelnd auf den Abgrund zu stolpert. Glücklicherweise sind die Kontrollpunkte sehr fair gesetzt, was im Gegenzug allerdings auch dazu führt, dass das Abenteuer vergleichsweise kurz ist: Trotz einiger knackiger Rätselelemente samt glaubhaft eingesetzter Physik sowie tückischer Sprungpassagen, dürfte sich die finale Spielzeit bei einigermaßen erfahrenen Hüpfen-und-Läufern in etwa bei drei bis vier Stunden einpendeln. 

Sauber, stilistisch, schockierend

Doch trotz der vermeintlichen Kürze ist Limbo ein Titel, den man erleben sollte. Nicht nur, weil viele der zahlreichen Ablebemöglichkeiten zumindest beim ersten Mal für einen gehörigen Schrecken sorgen können. So etwa, wenn man die Umgebung samt innewohnender Stille in sich aufsaugt, dabei übersieht, dass eine Bärenfalle den Weg säumt und man diese auslöst, was mit einem plötzlichen metallischen "Schnapp" zu einer Enthauptung führt! Sämtliche Goreszenen sind abschaltbar, so dass das Hüpfabenteuer auch für jüngere Spieler kompatibel wird. Doch mit all der stilisierten Gewalt wird die Ausweglosigkeit der Geschichte nochmals intensiver.

Man sollte sich Limbo aber vor allem zu Gemüte führen, weil unterstützt von punktgenauer Kollisionsabfrage nicht nur Timing und Hand-Auge-Koordination gefordert sind, sondern weil man zusätzlich durch ein Wechselbad der Gefühle gejagt wird. Stille, beinahe idyllische Momente, in denen ein weißer Schmetterling seine Runden über den Bildschirm dreht, wechseln sich ab mit atemloser Spannung, die mitunter in Panik aufgelöst wird. So etwa,  wenn die riesige Spinne einen verfolgt, während man ausweglos auf einem Baumstamm einen Fluss hinunter getrieben wird und das rettende Ufer sich quälend langsam nähert und die Spinne zu einem weiteren Angriff ausholt. Aber Playdead hat nicht nur das Erzeugen von Emotionen oder das Erzähltempo im Griff, auch der Rest der Kulisse weiß zu überzeugen.  Dabei präsentiert man sich dabei ebenso sparsam und effektiv wie bei den anderen Elementen.

Diese Spinne sorgt immer wieder für Panik-Momente und lässt sich nur schwer abschütteln.
Doch nur, weil man sich Minimalismus auf die Fahne geschrieben hat, bedeutet dies nicht gleichzeitig, dass Limbo nichts zum Anschauen bietet - ganz im Gegenteil. Wer nicht nur wild durch die Szenerie hetzt, wird viele Kleinigkeiten in den drei "Welten" Wald, verlassene Stadt und  Fabrik entdecken. Dort peitscht der Regen gegen die Häuserfronten. Da wiegen sich die Grashalme im Wind, während jeder Schritt des Jungen eine kleine Staubwolke zum Ergebnis hat. Hier schwebt ein Haufen Fliegen summend über einem Kadaver und man fragt sich unwillkürlich, welches Schicksal diesen armen Tropf ereilt hat. Und dort scheint die Sonne in gleißenden Strahlen durch die Baumwipfel und gibt einem ein wärmendes Gefühl von Hoffnung, bevor der Weg wieder in die Dunkelheit führt.
Allerdings verliert die Kulisse in der Fabrik des letzten Drittels etwas von der bedrückenden Atmosphäre, die einen lange begleitet. Alles wirkt im Vergleich zur Anfangsphase abgesehen von durch die seltenen Sonnenstrahlen flirrenden Staubpartikeln zu steril. Im Gegenzug werden zwar die Rätsel, die nun auch mit Gravitationsveränderungen punkten und Sprungelemente fordernder, doch bis auf das mysteriöse Ende wirkt Limbo hier fast schon gewöhnlich.

    
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Kommentare

SWey90 schrieb am
Die Spinne ist pervers!
So: Das Game ist klasse. Es hat nichts mit ~Der Spieler macht im Kopf die Arbeit~ zu tun. Die Entwickler zeichnen ein stimmiges Bild einer geheimnisvollen Welt oder was auch immer. Durch den Interpretationsfreiraum, dieser düsteren "frischen" Atmosphäre und teilweise originellen Rätseleinlagen ist Limbo für mich eine große Überraschung, da ich sonst kaum Zeit in Arcade-Games investiere.
Meines Erachtens sind 15 ? für 3-4 Stunden absolut (!) okay. Zu den Vollpreisspielen ist das durchaus verhältnismäßig.
Das Game kann man empfehlen. Im besten Falle taucht man ab und gönnt sich ein intensives Erlebnis.
Happyflow schrieb am
In dem Abschnitt verstümmelst du sie und tötest sie. Ist nix für schwache Nerven/ deine Freundin. Würd sagen in 10-20 Min von dort aus wo du bist sollte die Spinne tot sein...danach kommt nix mehr ekeliges.
XPact schrieb am
Habe die Tage mit ner Freundin Limbo angezockt. Hat auch echt Spaß gemacht...bis zu dem Zeitpunkt wo man zu der Spinne kam. Da konnte sie nichtmal hinschauen, weil sie sich abartigst vor den Bewegungen der Spinnenbeine ekelt. Die Stelle hab ich dann gezockt und jut. Wenig später kommt die Spinne dann ja nochmal, wo man über den rollenden Felsen läuft. Da haben wir dann erstmal aufgehört.
Kommt das Vieh - oder andere Arachniden - danach noch öfter oder ist nach der Aktion dann Ruhe?
Würden das Game gern zusammen weiterzocken, aber wenn die dann andauernd kommen, brauchen wir das garnicht erst in Angriff nehmen. Dann spiel ichs irgendwann mal alleine weiter.
Wär cool, wenn mich dazu mal einer von euch 'spoilern' könnte. ;)
dasauchnoch schrieb am
LIMBO gibt es zum glück mittlerweile auch für die PS3 und ich muss sagen es ist wirklich sehr schön, eine richtige kleine spielperle. was soll daran teuer sein ich verstehs nicht, andere zahlen für 5 stunden egoshooter 50 euro ?
schrieb am