Tempo, Tempo: So flott wie hier ist Sonic nicht immer, wenn er aus dem Stand beschleunigt oder es bergauf geht, wirkt das Spiel mitunter träge.
Geht es in der ersten Welt noch durch eine von den Hügeln Kaliforniens inspirierte, saftig-grüne Landschaft, dominierten im späteren Spielverlauf technisierte Umgebungen. Neben dem schnelleren Tempo im Vergleich zu Mario unterschied sich auch der Aufbau der Areale deutlich: Zwar gibt es in Sonic zum Teil auch den einen, schnörkellosen Weg zum Ziel, doch die Stages sind um ein Vielfaches verschachtelter als Marios Welten, man kann ganze Levelteile verpassen, Wege nach oben, unten oder hinter Wände finden. Neben den charakteristischen Beschleuigungsbumpern, Loopings und Stachelfallen ist vor allem das Momentum ausschlaggebend für das typische Sonic-Spielgefühl. Der Igel muss erst beschleunigen, bevor er wie ein Blitz durchs Level saust, nach einem Treffer oder Crash gegen eine Wand fühlt er sich erstmal furchtbar träge an, jeder Sonic-Spieler kennt dieses zähe Verhungern in einem Looping. Ich persönlich finde das ätzend und kann leider nicht umhin, das als gewichtigen Nachteil der Sonic-Oldies zu empfinden. Andere Spieler sehen darin ein Charakteristikum, das es zu verstehen und zu meistern gilt.
Typisch Sonic sind natürlich auch die goldenen Ringe, die beim Aufsammeln so schön klingeln und seine Lebensversicherung darstellen - rauscht er in einen Feind oder fiesen Stacheln, purzeln nur die Ringe heraus, erst bei einem Kontakt ohne Ringvorrat segnet er das Zeitliche. Bodenlose Abgründe oder Passagen unter Wasser mit Erstickungsgefahr gibt es freilich auch, doch dieses Energie-System zeichnet Sonic aus wie in späteren Spielen seine Freundschaft zu Tails.
Weltherrschaft?
Robo-Krabben voraus: Ist Sonic nicht zusammengerollt, dann nimmt er bei Feindkontakt Schaden.
Sonics freches Design, die fantastischte Musik sowie die herrliche flüssige und gleichzeitig schöne Grafik bescherten Sega tatsächlich den gewünschten Erfolg. Der Mega Drive (in USA: Genesis) avancierte zur zeitweise bestverkauften Konsole, Sega gelangte auf Augenhöhe mit Nintendo - und natürlich wurde aus dem kecken Igel eine riesige Marke. Mit reichlich Nachfolgern (die zum Teil vom Sega Technical Institute in den USA entwickelt wurden), noch mehr Spin-offs (Kennt ihr alle Sonic-Spiele für den Game Gear?) und sackweise Comics, Serien sowie Merchandise. Dem Wunschtraum, ein Maskottchen auf Micky-Maus-Niveau zu erschaffen, kam Sega erstaunlich nahe.
Nach dem Höhenflug in der 16-Bit-Ära blieb und bleibt Sonic eine wichtige Marke für den einstigen Hardware-Hersteller, doch gab es mindestens so viele Abs wie Aufs: Während der gesamten Saturn-Ära gelang es Sega nicht, ein richtiges neues Sonic-Jump’n’Run auf die Beine zu stellen (Interessierte googeln die wilde Geschichte von Sonic
X-treme), auf Dreamcast erfolgte die glorreiche Wiedergeburt in 3D, danach wurden die Titel noch zahlreicher und qualitativ schwankender. Toller GameCube-Port, unfertiges PS360-Debüt, schöner DS-Doppelscreen-Hüpfer, viel zu automatischer Wii-Flitzer, tolle Generations-Würdigung, lahmes Board-Rennspiel. Generell sind Sonics zahlreiche Experimente aber vielfach interessant und bemerkenswert: Vor ihren Lego-Spielen entwickelten Traveller’s Tales mit Sonic 3D: Flickies’ Island ein extrem schönes Sonic-Spiel aus isometrischer Sicht, die Fun-Racer von Sumo Digital waren allesamt sehr spaßig und auch BioWare Rollenspiel Sonic Chronicles ist alles andere als ein Reinfall.
Ich entlasse euch mit einem Nerd-Fakt, den echte Sonic-Liebhaber vermutlich schon kennen: Den ersten digitalen Autritt von Sonic gab es nicht im gleichnamigen Mega-Drive-Titel des Jahres 1991, sondern im Sega-Rennspiel Rad Racer, das im Dezember 1990 in die Spielhalle kam: Dort baumelte schon ein niedlicher Sonic-Anhänger vom Innenspiegel des Auto-Cockpits.