Alternative und spannende Welt
Iron Harvest spielt in der Welt von 1920+ von Jakub Rozalski (
Scythe). In der alternativen Geschichte nach dem großen Krieg kämpfen drei Fraktionen in Europa gegeneinander: Polania, Rusviet und das sächsische Imperium. Alle drei Fraktionen orientieren sich unschwer an realen Vorbildern, haben aber eine große Besonderheit: Sie führen nicht nur die typischen Infanterie-Einheiten ins Feld, sondern setzen auf große Dieselpunk-Kampfroboter, Exoskelette oder Mechs als Panzerersatz - mit einem ebenso einmaligen wie kreativ übertriebenen Design.
Ein guter Feldzug
Der Kern des Spiels ist eine umfangreiche Einzelspieler-Kampagne mit insgesamt 21 Missionen und passenden cinematischen Zwischensequenzen, in denen man der Reihe nach die drei Faktionen abklappert. Man beginnt mit Polania und muss sich der Reihe durchkämpfen. Andere Fraktionen darf man zu Beginn nicht wählen.
Der Feldzug beginnt mit einem Schneeball-Tutorial und spielenden Kindern, das einem die grundlegende Infanterie-Deckungsmechanik à la
Company of Heroes beibringt. An der Seite einer "jungen Heldin" begleitet man eine Widerstandsgruppe, in der immer wieder die Kriegshandlungen hinterfragt, das Töten stigmatisiert und Hoffnung geschürt werden. Pseudo-Pathos und einige peinliche Charakter-Momenten gibt es dennoch. Auch in späteren Einsätzen werden in den langen Zwischensequenzen immer wieder die Schattenseiten der Konflikte und die Probleme mit der industrialisierten Kriegsführung und den Massenvernichtungswaffen aufgegriffen.
Sobald die Kampfmaschinen ins Spiel kommen, werden die Gefechte intensiver, wuchtiger und viel besser. Die Infanterie-Gefechte wirken im direkten Vergleich ziemlich belanglos.
Diese Geschichte wird anhand von Helden in Zwischensequenzen sowie in Ingame-Kamerafahrten erzählt. Die Cutscenes wirken bemüht und sind weitgehend ordentlich inszeniert, wirken aber im Bereich von Mimik, Gestik und der Haardarstellung (Bärte!) der Charaktere recht rückständig. Bei den Ingame-Videos muss man weitere Abstriche machen, weil die Animationen der mickrigen Soldaten-Modelle viel zu wenig hergeben, da die Klonsoldaten bei mitreißend gemeinten Ansprachen teilnahmslos in der Gegend stehen. Trotzdem ist das Niveau für das Echtzeit-Strategie-Genre gut und die Story verbindet die Kampagnen sinnvoll, was aber primär auf das faszinierende 1920+-Szenario und den stimmigen Soundtrack zurückzuführen ist. Nichtsdestotrotz hätte die Spielwelt sicher noch mehr Stoff hergegeben.
Kreative Missionsideen
Das Missionsdesign ist um Abwechslung bemüht, wenngleich die Einsätze verhältnismäßig lang sind und mehrstufige Primär-, Sekundär- sowie Herausforderungsziele bieten. Die Missionen können durchaus fordernd und aufgrund von Mehrfronten-Konflikten ziemlich hektisch sein, wobei sich der Schwierigkeitsgrad auf drei Stufen einstellen lässt. Viele Einsätze drehen sich um ein Thema, sei es die Rettung von Unschuldigen oder die hochgradig clevere Nutzung eines Eisenbahngeschützes auf einem Schienennetz. Es gibt auch Helden-zentrierte Missionen, wie eine Schleich-Mission, die jedoch eher nervig in Erinnerung bleibt, da das Stealth-Geschehen nicht gut genug lesbar ist. An die Kreativität der StarCraft-2-Einsätze kommt King Art Games nicht heran, obgleich einige Missionen richtig gut sind.
Company of Heroes lite
Beispiel für KI-Aussetzer: Die Gegner stehen lieber ungeschützt auf der Straße und greifen auch nicht das verwundbare Geschütz an.
Auf dem Schlachtfeld orientiert sich Iron Harvest vor allem an Company of Heroes, aber an einer Lite-Version. Infanterie-Soldaten sollten bei Gefechten z.B. in Deckung gehen, was sich immer mal wieder als frickelig erweist (aber besser als in der Demo) und die Computerintelligenz von eigenen und feindlichen Truppen zeigt nicht immer ihre Stärken. Natürlich sollte man versuchen, den Gegner mit Unterdrückungsfeuer festzunageln und ihn dann in die Flanke fallen, aber manchmal spielen die Einheiten nicht mit und wenn sich eigene Truppen und Gegner zusammen an einer Sandsackbarriere treffen, entstehen teilweise absurde Szenen. Manchmal laufen die Gegner an Ressourcen oder Übernahmepunkten vorbei, ignorieren das Missionsziel oder schaffen es, bei Beschuss nicht selbstständig in Deckung zu gehen, während sie dies manchmal von alleine machen. Diese KI-Aussetzer sind vielmehr das Problem und erhöhen das nötige Mikro-Management.