Plötzlich Kapitän
Nach einem verheerenden Überfall auf die eigene Flotte springt Protagonist Nick Reyes ein: Als Captain des Kriegsschiffs Retribution springt man durchs Sonnensystem, um wichtige Stationen zurückzuerobern und Angriffe zurückzuschlagen. Die Geschichte trieft geradezu vor Hurra-Patriotismus und klischeehaft selbstlosen Rettungsaktionen. Ein Crewmitglied nach dem anderen besteht förmlich darauf, den Heldentod sterben zu können. Muss es denn wirklich immer der Holzhammer sein, um das militär-affine US-Publikum zu erreichen? Trotzdem übt die Erkundung unseres Sonnensystems mit all seinen mysteriös glänzenden Gesteinsoberflächen und Außenposten eine gewisse Fazination aus. Auch Nicks engste Partner wie die stoische, aber eigentlich gutherzige Nora Salter oder der sympathische Bot Ethan wachsen einem im Laufe der Story ans Herz. Dank fein umgesetzter Mimik fühlt man sich fast wie in einer Episode von Star Trek oder Stargate.
Auf manchen Planeten wird es fast schon romantisch...
Der künstliche Mitstreiter versucht teils auf putzige, mitunter sogar berührende Weise immer wieder, menschliche Emotionen zu imitieren. Besonders schön sind die Momente, wenn ihm ein Licht aufgeht und er z.B. begreift, wie es sich anfühlt, in eine familiäre Gemeinschaft eingebunden zu sein. Oder er reagiert erstaunlich schlagfertig auf dumme Kommentare der Kollegen, etwa beim Auftauchen eines mächtigen Riesen-Mechs. Auf den Spruch „Er ist wie eine coole Version von Ethan", folgt ein überraschend selbstironisch betontes „Das ist nicht komisch!“. In solchen Momenten merkt man, dass viel Aufwand in die professionelle Inszenierung und Vertonung der Zwischensequenzen geflossen ist. Das englische Original klingt bei den Nebenfiguren noch passender, aber auch die deutschen Sprecher liefern bei den Hauptfiguren einen guten Job ab. Ein wenig blass bleibt allerdings der von Kit Harington (Game of Thrones) gespielte Antagonist Salen Kotch. Auf seinen immer harscher werdenden Feldzügen gegen alte Herrschaftsstrukturen präsentiert er nur verhältnismäßig eindimensional seine Entschlossenheit. Auch das Erschießen eines eigenen Crewmitglieds als Machtdemonstration darf dabei nicht fehlen.
Brot und Butter
Der Großteil der Action spielt sich nach wie vor in klassischen Schießereien ab. Die KI der Gegner und Partner hat leider nicht dazugelernt und spult ähnlich passiv wie in
Titanfall 2 ihre Routinen ab, statt auch mal koordiniert zu flankieren oder aggressiv in den Zweikampf zu gehen. Zahlreiche Gadgets bringen aber trotzdem Dynamik in die Schlachten, darunter Hackmodule, zielsuchende Krabbelminen, fette Strahlengewehre oder intelligente Nahkampfflinten. Es fühlt sich ziemlich befriedigend an, einen nervig verschanzten Bot zu übernehmen, um hinter den Linien Amok zu laufen. Da sich die Gegner hier leichter von solchen Tricks überrumpeln lassen als in Black Ops 3, ist das Hacken hier aber schon etwas zu mächtig. Ab und zu werden auch Luftschläge oder ein Mech befehligt. Oder man kapert den Metallkoloss per Sprung auf den Rücken und jagt ihn mit seiner eigenen Rakete in die Luft.
Schneller geht es kaum: In der Kampagne nimmt man immer wieder in einem wendigen Jackal-Raumgleiter platz.
Ähnlich wie im letztjährigen Call of Duty wirkt das Terrain etwas luftiger: Immer wieder hat man die Möglichkeit, durch eine Wohnung am Rand abzukürzen oder den Gegner von einem seitlichen Gerüst aus zu überraschen. Die Gefechte gestalten sich deutlich dynamischer als die ermüdenden Dauerschießereien aus Black Ops 3: Auf einem rotierenden Asteroiden z.B. kommt beinahe schon Horror-Stimmung auf, wenn man plötzlich von den zurückgelassenen Robotern überfallen wird. Außerdem muss man sich dort mit dem nur wenige Sekunden kurzen Tag-/Nacht-Zyklus arrangieren, um nicht von der tödlich nahen Sonne gegrillt zu werden. Anderswo erinnert das Missionsdesign schon beinahe an Socom, wenn man mit dem Jackal-Gleiter zu abgelegenen Stationen fliegt, um zwei schnelle Überfälle zu starten.