Unser Oldie des Monats natürlich!
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Die Kulisse mag fröhlich und farbenfroh sein, die Thematik ist es nicht: Die Bewohner von Twinsun werden unterdrückt und dauerüberwacht - eine Fantasy-Version von »1984«. |
Falls euch der Name immer noch nichts sagen sollte, kann das auch daran liegen, dass das 1994er Spiel von Adeline Software in einigen Teilen der Welt als »Relentless: Twinsen's Adventure« veröffentlicht wurde. Der Entwickler selbst dürfte auch nicht wahnsinnig vielen Leute ein Begriff sein, denn die das kleine französische Team um Frederick Raynal (der vorher u.a. mit »Alone in the Dark« bewiesen hat, dass er etwas von packendem Spieldesign versteht und vor einigen Jahren zusammen mit Michel Ancel und Shigeru Miyamoto in Frankreich zum Ritter des Ordens der Künste und Literatur geschlagen wurde) hat gerade mal drei Spiele veröffentlicht: »Little Big Adventure« (LBA), den Nachfolger sowie das thematisch entfernte Action-Adventure »Time Commando«. Keines der Spiele war dabei kommerziell irre erfolgreich, so dass es schon nach einigen Jahren »Au revoir, Adeline!« hieß.
Eine echte Schande, denn LBA war einzigartig - und ist es bis heute. Das geht schon bei der Handlung los, die man sich am besten als eine Fantasy-Comic-Version von George Orwells »1984« vorstellen sollte: Auf dem Planeten Twinsun leben die Bewohner (Haasis, Dickos, Pummel und Quetsche) in Harmonie miteinander, bis der tyrannische Dr. Funfrock mithilfe von Teleportation und Klonarmeen die Herrschaft übernimmt, die Bewohner auf die Nordhalbkugel des Planeten verbannt und jeden Gedanken an die Legende um die Gottheit Sendell strikt verbietet. Der junge Quetsch Twinsen hat immer wieder merkwürdige Träume, von denen er unvorsichtigerweise erzählt - und zack, schon findet er sich in Funfrocks Kerkern wieder! Kaum entkommt er diesen, ist sein Leben eine einzige Hetzjagd, immer auf der Flucht vor Funfrocks Häschern. Das Ganze ist ebenso niedlich wie deprimierend.
Twinsun sehen und sterben
Dem Namen zum Trotz ist das knapp zwei Jahre in Entwicklung befindlich gewesene LBA alles andere als Little - genau genommen kann man beim ersten Durchspielen locker 20 bis 30 Stunden in das Abenteuer investieren. Was ich übrigens auch getan habe, und zwar mitten in den Abi-Prüfungen. Ahem. Nun, wie auch immer: Der Grund für die beeindruckende Länge ist das offene Spieldesign - es gibt nicht nur recht wenige Hinweise darauf, was man als nächstes tun sollte, auch der Weg dahin ist über weite Teile dem Spieler überlassen. Über kurz oder lang bekam man immer mehr Vehikel angeboten, mit denen man ganz Twinsun erkunden durfte: Motorrad, Katamaran, Snowboard, Mini-Buggy, später sogar einen Flugdrachen. Aus den spärlichen Hinweisen, die einem die scheuen Bewohner der Städte überließen, musste man sich also seine Route zurechtlegen, was zwangsläufig in viel Ausprobieren und anfangs natürlich auch Scheitern endete.
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Twisen verfügt über vier Zustände: normal, sportlich, aggressiv und vorsichtig - zwischen denen musste man immer wechseln, um weiter zu kommen, den Feinden zu entwischen oder Geschicklichkeitsprüfungen zu meistern. |
Scheitern bedeutete meist, dass man gefangen genommen wurde und schon wieder im Knast landete - der Weg da raus war aber immer einfach und natürlich wiederholbar. Es gab zwar die Möglichkeit eines Game Over, das konnte aber durch zusätzliche Kleeblätter (sprich: Leben) und umsichtigen Umgang mit dem Speichersystem komplett vermieden werden.
Ach ja, das Speichersystem. Ich erinnere mich noch gut daran, dass damals in der PC Player lang und breit darüber gejammert wurde, wie umständlich und
»wider jede Intuition« das doch sei. Komisch, schien mir nie so. Okay, es ist fummeliger als woanders, aber das liegt nur daran, dass LBA den Spielstand automatisch beim Betreten eines neuen Raumes (also beim Szenenwechsel) sichert. In der Savegame-Verwaltung gibt es die Möglichkeit, eine Kopie des aktuellen Standes unter neuem Namen zu sichern - machte man das in regelmäßigen Abständen, legte man quasi einen chronologischen Ablauf des Abenteuers an. Und das war gut so, denn es gab einen fiesen Gamestopper-Bug: Erledigte man das Museum, ohne sich vorher die rote Schlüsselkarte zu beschaffen (was schwer war, aber möglich), gab es danach keine Möglichkeit mehr, an diese ranzukommen - man brauchte sie aber. Lösung: Früheren Spielstand laden. Oder Hexeditor anschmeißen und sich die Karte in das Inventar hacken. Ich wünschte, ich könnte das bei
Beyond Good & Evil machen. Da hat mir nämlich ein ähnlicher Gamestopper den Spielstand vermasselt. Verdammte Franzosen!