Special: Musik im Spiel (Sonstiges)

von Thomas Böcker



Musik im Spiel
Sonstiges
Entwickler: 4Players
Publisher: 4Players
Release:
kein Termin
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Spielinfo Bilder  
Japan. Das Land der Spiele. Das Land der Spielemusikkonzerte. Nicht ganz. Denn obwohl dort in den späten 80er Jahren die Idee dazu entstand, Konsolen-Soundtracks im gediegenen Ambiente klassischer Säle zu präsentieren, mussten geneigte Fans nach dem Hoch der berühmten "Orchestral Game Concerts" 1991 - 1996 zehn Jahre warten, bis sich "Super Mario Bros." und "Sonic The Hedgehog" in einer Konzertreihe tummeln würden. Veranstaltungen mit orchestralen Klängen hatte es zwar nach wie vor gegeben - allerdings immer beschränkt auf bestimmte Spieleserien oder -hersteller.

Musikalisches Staraufgebot

Deswegen fasste Branchengröße Nobuo Uematsu (Final Fantasy, Lost Odyssey ) 2006 zusammen mit Freunden den Entschluss, "Press Start - Symphony of Games" ins Leben zu rufen und das Tief zu beenden: Die beste Spielemusik sollte in einem jährlichen Orchesterkonzert aufgeführt werden, vergleichbar mit den Eröffnungsveranstaltungen der Games Convention von 2003-2007. Nur ohne Politikeransprachen. Gleich die ersten beiden Präsentationen erfreuten sich großer Beliebtheit in Japan. Und so wunderte es kaum jemanden, dass auch die mehr als 2.000 Tickets für das dritte "Press Start - Symphony of Games" innerhalb weniger Stunden ausverkauft waren.
Prächtige Kulisse: "Press Start" in Tokio.
Kein Sitzplatz in der Bunkamura-Konzerthalle in Tokio blieb leer, als unter der Leitung von Taizo Takemoto das Kanagawa Philharmonic am 13. September 2008 aufspielte. Dirigent und Ensemble sammelten bereits in der Vergangenheit Erfahrung mit Spielemusik: Sei es bei der "Tour de Japan - Music from Final Fantasy" für den Maestro - oder bei "Shenmue"-Aufnahmen für das Orchester.

Neben diesen idealen Ausgangsvoraussetzungen protzte "Press Start - Symphony of Games 2008" mit einer beeindruckenden Anzahl japanischer Komponisten auf der Bühne: So erzählten beispielsweise Nobuo Uematsu, Koji Kondo ("Super Mario Bros.", "Legend of Zelda") und Yasunori Mitsuda ("Chrono Trigger", "Xenosaga") Anekdoten und gaben einen Einblick in ihre Arbeit. Auch der Vater aller Spielemusikkonzerte, Koichi Sugiyama ("Dragon Quest") ließ es sich nicht nehmen, der Veranstaltung als Gast beizuwohnen. Zusammen mit dem Publikum erlebte er, wie der Saal in Sekunden zum musikalischen Schauplatz eines Wild-West-Abenteuers wurde, als den Auftakt des Konzerts "Wild ARMs: 2nd Ignition" machte. Handwerklich konventionell für Orchester, Gitarre und - als pfiffiges Extra - mit einem pfeifenden Posaunisten ausgearbeitet,  überzeugte das Medley zum Rollenspiel auch live und markierte einen idealen Start der Veranstaltung.

Vom Film zum Joggen

Ähnlich filmisch angelegt war "Monster Hunter", das gewisse Ähnlichkeiten mit Hollywood-Blockbustern aus dem Hause Spielberg nicht verleugnen konnte: Schmachtende Streicher und schmetterndes Blech mit exzellent ausbalanciertem Instrumenteneinsatz zeichneten ein Bild von Gefahr, Kampf und vereinzelten Verschnaufpausen. Keine
Zum Autor

Thomas Böcker ist Geschäftsführer der Merregnon Studios, organisierte von 2003 bis 2007 die Spielemusik-Konzerte im Leipziger Gewandhaus sowie die symphonische Aufführung der Musik von Chris Hülsbeck im vergangenen August.

Er war außerdem an den Welttourneen PLAY! sowie Distant Worlds: Music from Final Fantasy als Produzent und Berater beteiligt und als Projektkoordinator bei Live-Aufnahmen für THQ, Sega oder Square-Enix tätig.
Frage: Bei "Press Start - Symphony of Games" verstand man es, unterschiedliche Atmosphären in den Konzertsaal zu bringen und in einem tadellos abgestimmten Programm abwechslungsreich zu präsentieren. Entführungen ins alte Japan ("Samurai Shodown"), in die luftigen Höhen der Wolken ("Baten Kaitos") oder den Gerichtssaal ("Ace Attorney") inklusive.

Etwas weniger beeindruckend hingegen waren Stücke wie "Touch! Generations", ein Medley mit Musik aus Spielen wie "Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging", "Wii Fit" und "Wii Sports". Das Arrangement gab sich sehr simpel und enttäuschte aufgrund von Einfallslosigkeit. Auch "Spelunker" war wohl speziell aufgrund seiner Popularität in Japan ins Programm aufgenommen worden. Zwar sorgte es für einige Lacher, da es versuchte, die Spielerfahrung in einer Suite musikalisch umzusetzen. Aber leider scheiterte es, Nichtkennern der Materie genügend Substanz zu bieten, um zu begeistern. Beide Stücke standen stellvertretend für einen Schwachpunkt des Konzerts: Trotz zumeist exklusiver Arrangements waren einige der Medleys zu unausgegoren - und ließen (ausgefeilte)  Übergänge zwischen den Titeln gar komplett vermissen. Es wäre wünschenswert gewesen, etwas experimentierfreudiger mit dem Ursprungsmaterial umzugehen.

Mehr davon!

Gefreut hätte dies wohl auch die Musiker des Kanagawa Philharmonic:
Paradies für Musikliebhaber? Endlich wieder ein großes Spielemusikkonzert in Japan.
Die Qualität der Aufführung war generell sehr gut, nicht zuletzt dank des souveränen Taizo Takemoto, der mit seinem leichten, beschwingten Stil sicher durch das Programm führte. Ähnlichen Jubel lösten die Solisten bei "Press Start - Symphony of Games" aus: Gitarrist Haruo Kubota, Sängerin Emiko Shiratori und Shamisen-Spieler Takemi Hirohara lieferten erstklassige Auftritte ab - Letzterer bot dem staunenden Publikum sogar ein Solo und gab damit eine Lehrstunde in Sachen traditionelle japanische Instrumente.

Keine Frage: Am Ende überwogen die positiven Eindrücke. Und zwar stark: Den Reaktionen des kulturell bedingt eher zurückhaltenden japanischen Publikums folgend traf man in diesem Jahr punktgenau den Nerv der Fans. Darf man den Organisatoren glauben, stehen die Chancen für ein "Press Start - Symphony of Games 2009" gut. Es wäre sehr zu wünschen, denn die diesjährige Veranstaltung bot einen wunderbaren, sympathischen Abend mit Spielemusik, der vortrefflich zu unterhalten wusste.

Bitte mehr davon!

          

Kommentare

unknown_18 schrieb am
Ja, ich musste auch direkt an die Konzerte in Leipzig zurück denken, das fehlte mir dieses Jahr doch sehr (hab dieses andere Konzert dieses Jahr ausgelassen gehabt). Muss sagen diese zwei Konzerte, die ich live miterlebt habe (2007 immerhin 50 Euro für einen Sitzplatz weiter vorne ausgegeben - war lohnenswert), haben mich schon schwer beeindruckt (gut, auch weil ich in der Autogrammstunde u.a. direkt Uematsu gegenüber stand, das ist schon ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst :mrgreen: ) und ich würde gerne zukünftig weitere miterleben.
Ehrlich gesagt reizen mich aber nur welche in richtigen Konzertsälen, sowas wie dieses Jahr in Leipzig in einem Stadium eher weniger. Außerdem ist natürlich auch ein Live Orchester etwas ganz anderes als Lautsprecherboxen. Ein Konzertsaal klingt zum einen ganz anders und da er doch kleiner ist fühlt es sich auch viel näher und irgendwie direkter/persönlicher an. Vor allem ist es auch wesentlich emotionaler, wenn man im Saal sitzt und einem Stück lauscht, das in einem die Erinnerungen an das Spiel nach oben treibt und so für den ein oder anderen Tränenausbruch verantwortlich ist. ;) Sowas kann einfach nichts ersetzen.
johndoe530347 schrieb am
Schöner Artikel. Mit Wehmut muss ich da an die Konzerte im Leipziger Gewandhaus zurückdenken und dass es sie wohl nicht mehr geben wird. In Köln wird das vermutlich ähnlich mainstreamig verlaufen wie dieses Jahr.
Bitte mehr Spielemusikkonzerte westlich von Japan! :)
schrieb am