Test: Pride of Nations (Taktik & Strategie)

von Bodo Naser



Pride of Nations
Entwickler:
Release:
10.06.2011
Spielinfo Bilder Videos

Pride of Nations, das AGEOD für Paradox entwickelte, hat sich schon in der Vorschau als hyperkomplex erwiesen. Das allein sagt noch nicht viel über die Qualität, denn das Hardcore-Strategiespiel ist leider auch etwas unübersichtlich. Kann das Historien-Epos trotzdem unterhalten?



Bewegte Zeiten

Frankreich ist schon mächtig, die anderen wollen es erst werden, was seine Zeit dauert.
Frankreich ist schon mächtig, die anderen wollen es erst werden, was seine Zeit dauert.
Das 19. und frühe 20. Jahrhundert war eine Zeit des Aufbruchs, Fortschritts und der Kolonisierung. Es wurden mehr Erfindungen gemacht als in den Jahrhunderten zuvor, die technische Meilensteine wie Eisenbahn, Telefon oder Auto hervorbrachten. Erstmals formierten sich moderne Parteien wie Liberale, Konservative oder Sozialisten. Neue Nationalstaaten entstanden wie das Deutsche Reich, Italien oder das reformierte Japan, die die alten Mächte wie Frankreich, England oder Russland herausforderten. Die Großmächte rangen auch um Einfluss in fremden Ländern, wo Handelsposten oder Kolonien entstanden. Selbst das erst 1871 gegründete  Deutsche Reich hatte Ende des 19. Jahrhunderts Kolonien in Afrika, obwohl Reichskanzler Bismarck diese zuvor noch als entbehrlich angesehen hatte.

Kein Wunder also, dass sich die Macher von Pride of Nations ebenfalls für diese interessante Zeit entscheiden, obwohl Publisher Paradox eigentlich mit Victoria schon ein Spiel zur Epoche des Imperialismus hat. AGEODs rundenbasierte Simulation spielt allerdings von 1850 bis 1920 – also noch über den Ersten Weltkrieg hinaus. Doch das sind nur grobe Eckdaten, denn im Spiel läuft dann bekanntlich vieles anders, da man den Lauf der Geschichte ändern kann. Im Test fand etwa der Krieg Preußen gegen Österreich, der in echt erst 1866 tobte, schon 1851 statt. Neben Deutschland sind auch noch Österreich, Italien, Frankreich, England, Russland, USA und Japan spielbar. Anders als bei Victoria 2 kann man also nicht alle damaligen Staaten spielen, was auch nicht immer spannend war. Stattdessen regiert man gestandene Länder, die mehr Möglichkeiten haben. Manch vielversprechende Mittelmächte wie Osmanisches Reich, China oder Mexiko kann man aber nicht in die Moderne führen.

Ruhm und Ehre fürs Vaterland

Man spielt mal ne Runde Machtpoker um Einfluss und Ansehen.
Man spielt mal ne Runde Machtpoker um Einfluss und Ansehen.
Der Ruhm der gewählten Nation steht im Vordergrund, denn es ist das Spielziel, das angesehenste Land zu haben. Zu Beginn gibt es eine Rangliste, wo Großbritannien ganz vorne steht. Es ist also einfacher, mit England einen Stich zu machen, da man schon alles hat, als etwa mit Italien, das zu Beginn noch recht klein ist: Denn man fängt mit Piemont-Sardinien an, das erst den italienischen Stiefel auf seine Seite ziehen muss. Ähnlich ist es in Deutschland, das zu Beginn noch schlicht Preußen heißt und nur halb so groß ist. Es gibt dennoch viele Möglichkeiten, Ehre einzuheimsen, wie eine gewonnene Schlacht, eine durchgeführte Reform oder eine Expedition nach Afrika, was aber auch Geld aus der klammen Staatskasse abzwackt. Selbst das Aufstellen eines ganzen Gardekorps bringt Ansehen, obwohl das zusätzlich zum Zaster noch Rohstoffe und Männer kostet.

Eine neue Möglichkeit, Ehre zu erwerben, sind die internationalen Krisen, die leider viel zu selten vorkommen. Man hätte gleich die ganze Diplomatie so machen können, da sie eine Abwechslung im Einerlei des Regierens darstellten. Hier haben sich die Macher wirklich etwas einfallen lassen, denn man spielt eine Art von Kartenspiel gegen den Computergegner. So müssen z.B. die USA und Preußen eine Partie Machtpoker um Samoa spielen. Man kann verschiedene Karten aussuchen, die die Krise verschleppen, aufblasen oder lösen helfen. Wer sich das nicht zutraut, kann sich ein Deck von der KI erstellen lassen. Dazu gehören Aktionen wie Pressekonferenzen abhalten, den Gegner bloß stellen oder eine internationale Konferenz zur Lösung vorschlagen. Leider läuft der eigentliche Schlagabtausch dann automatisch ab wie auch die Schlachten. Wer hier punktet, kann wertvolles Ansehen gewinnen - ganz im Gegenteil zur sonstigen Diplomatie, die wenig interessant ist.

Gefühltes Schneckentempo

Ansonsten ist man aber meist mit profanen Dingen beschäftigt, wenn man sich um Handel, Transport und Produktion kümmert. Je nach Land muss man erst mal eine Einsenbahn bauen: Deutschland hat schon eine, während Japan schienentechnisch noch unbefleckt ist – kein Wunder, denn zu Beginn darf man noch keine Eisenstränge in den Bergen verlegen, da das technisch nicht möglich war. So muss man Österreich lange auf die Verbindung nach Norditalien warten, die wichtig ist, um schnell Truppen dorthin zu verschicken. Der Bahnbau dauert seine Zeit wie so vieles in dem rundenbasierten Strategiespiel, das ordentlich Sitzfleisch erfordert. Die Fertigstellung ist nicht unter 90 Tagen zu haben, während Fabriken sogar 120 Tage brauchen. Aus Zeitgründen hat man sich wohl auch den Multiplayer geschenkt, da man hier ewig auf den Mitspieler warten müsste.

Bis zum Schluss der Kampagne im Jahr 1920 sind es stolze 1680 Runden, was eine Menge Holz ist – aber so lange dürften ohnehin nur die Wenigsten spielen. Das ist selbst in dem 15-tägigen Rhythmus, in dem das Spiel läuft, eine halbe Ewigkeit. Bei einem Echtzeit-Strategiespiel könnte man die Bescheunigungstaste drücken, wenn’s mal zu lange dauert, hier muss man alles miterleben – sei es nun die ewige Rohstoffknappheit, marode Infrastruktur oder Aktionen wie Häuptling bestechen, die Runde um Runde dauern. Pro Spieljahr kann man locker einen realen Nachmittag rechnen, je nachdem wie intensiv man sich reinkniet. Besonders lange dauert die Entwicklung einer Technologie, die sich schon mal drei Spieljahre hin zieht. Selbst Genre-Schwergewichte wie Hearts of Iron spielen sich dagegen wie eine flotte Landpartie.

Kommentare

arvid [I] schrieb am
Während Spiele, wie Hearts of Iron +, als top Rundespiele eingeordnet werden, wird ein Spiel wie Pride of Nations als zu komplex beschreiben, nur weil die Kämpfe als Simulation ablaufen? Hallo?
Dann sollten meiner Ansicht nach die komplexen und wirklich rundenbasierten Games als Strategiespiele im Bereich Rundenbasierte Strategiespiele getestet werden. Demgegenüber sollten die restlichen Hearts of Iron, Victoria & Co im Bereich Simulationen getestet werden.
Sonst kommt man total durcheinander.
Ich verstehe auch nicht, wie man den Multiplayer übersehen kann. PbE ist doch zu finden und gerade ein Markenzeichen für Rundengames.
Genauso wie der Hot-Seat.
Wegen des Fehlens von Hotseat habe ich mir bspw. Civ5 auch noch nicht gekauft. 8)
Josch schrieb am
Vllt. bin ich ja zu ungeduldig, aber ich finde eine 1 bis 1 1/2 minütige Wartezeit nach jeder Runde unzumutbar. Da bleib ich lieber bei den Echtzeit-Spielen von Paradox selber.
greenelve schrieb am
Tex_Murphy hat geschrieben:oder den Multiplayermodus im Handbuch nachschlagen ;)
der unter "Spiel speichern" steht 8)
..sry aber das ist zu genial um es nicht wieder aufzugreifen :baeh:
PS: gilt das bereits als Easteregg...MP Eintrag im Handbuch muss man ja genauso suchen, wie die Eier zu Ostern :ugly:
Tex_Murphy schrieb am
oder den Multiplayermodus im Handbuch nachschlagen ;)
4P|Bodo schrieb am
Pixelheld hat geschrieben:Danke für die Antwort.
Hab mir für das kommende, verlängerte Wochenende "Darkest Hour" besorgt.
Wenn du schon schreibst "es dauert eine Weile" (Ich gehe davon aus, daß du technisch auf dem neusten Stand bist), dann dauert es bei mir ZU lange.
Das Rundenende war ganz unterschiedlich lang und dauerte etwa von knapp einer bis anderthalb Minuten, je nachdem was los war. Man kann ja währenddessen was anderes machen wie fernsehen, kurz aufs Klo gehen oder was lesen.;-)
schrieb am