Babysitting statt taktische Planung
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Sieht überlegt aus, aber in der Praxis reicht es, alle Truppen in einem Haufen auf den Feind zu hetzen. |
Auf strategischer Ebene stellt sich einfach zu schnell die Ernüchterung ein, was die Wegfindung, das Truppenverhalten oder kämpferische Finessen angeht. Soll das etwa moderne Echtzeit-Strategie sein? Dass die eigenen Krieger keine Prioritäten kennen und meist das angreifen, was komplett sinnlos und alles andere als logisch ist, ist verdammt ärgerlich. Man darf sie quasi nie aus den Augen lassen und kann somit keine weiträumigen Aktionen oder gar Flügelangriffe einplanen. Es kann auf dem Weg zum Ziel immer wieder dazu kommen, dass selbst große Gruppen von einer kleinen Schar an Feinden aufgerieben werden. Warum? Weil die eigenen Leute gerne Häuser zerstören, während sie selbst attackiert werden.
Nahezu alle Automatismen sorgen für Frust und verlangen sofort Babysitting: Meine Schiffe will ich an die Küste des Feindes schicken, aber sie bleiben immer wieder an Klippen hängen; manchmal drehen sie sich auch nur im Kreis, anstatt auf Beschuss zu reagieren – diese kleinen Bugs tauchen zu oft auf. Selbst nach einem Angriffsbefehl auf ein Ziel kommt es manchmal zu Verweigerungen. Ärgerlich ist auch, dass eigene Türme lieber auf schwache Ziele wie Kundschafter oder Krieger feuern, anstatt sich den stärksten Feind, also das Belagerungsgerät, vorzunehmen. Warum kann ich meinen Türmen keine Zielanweisung geben?
Falls Chris Taylor wirklich engagiert an diesem Spiel beteiligt war, wundert mich dieser Rückschritt in die Steinzeit des Genres: Warum reparieren Feinde eigentlich nie ihre Gebäude? So kann ich alles prima zerstören! Und es soll ja schon vor zehn, fünfzehn Jahren Strategie mit Befehlsstruktur und Bauprioritäten gegeben haben. Da konnte man seinen Truppen die totale Defensive, nur das Zurückschlagen bei einem Angriff, die sofortige Attacke bei Sichtkontakt, die Sicherung von Gebäuden oder nur die Zerstörung von Gebäuden als Verhalten zuweisen. Im Jahr 2011 bekommt man lediglich das passive Sichern und aggressive Angreifen – und beides funktioniert eher schlecht als recht.
Und deshalb muss man auch ebenso rückständig wie plump spielen: Die beste Strategie besteht in der totalen Masse, die man als kunterbunten Haufen auf den Feind walzt. Also möglichst viel und schnell bauen, mit der Lassomethode alles einfangen und ab dafür! So gewinnt man Mission für Mission für Mission. Selbst wenn man bei einigen Missionen „Elite“ als härteren Schwierigkeitsgrad anwählt, ist es zwar kniffliger und knapper, aber hinsichtlich der Strategie ähnlich. Wenn man bedenkt, welche Qualität Age of Empires einmal ins Feld führte, ist das armselig.
Multiplayer-Ernüchterung
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Vor allem Schiffe bleiben ständig irgendwo hängen oder drehen sich im Kreis, statt anzugreifen. |
Aber das schwache Einzelspielererlebnis könnte ja durch den Multiplayer aufgewertet werden: Immerhin kann man online sowohl kooperativ als auch kompetitiv loslegen. Zwar wird man auch dort von der Dummheit der eigenen KI genervt, aber man hat die Chance, auf einen cleveren Mitspieler bzw. Gegner zu treffen. Für das strategische Miteinander gibt es spezielle Missionen, die man entweder viel schneller oder gar ausschließlich mit einem Partner meistern kann. Die Idee ist theoretisch gut, aber in der Praxis wird man auch hier zu oft ernüchtert.
Denn zum einen scheint man sich beim Missionsdesign nicht immer um Unterschiede für kooperative Gefechte bemüht zu haben: Ja, es gibt auch einige gut designte Schauplätze, die das taktische Zusammenwirken zwingend verlangen. Aber viel zu viele Karten bieten zwei Spielern exakt die Herausforderungen, die man auch solo gemeistert hat: Keine erhöhte Truppenzahl, keine doppelte Gefahr, also totale Überlegenheit bzw. Langeweile zu zweit. Man aktiviert für diese zwar vor Spielstart den Knopf „Koop“, aber danach passiert herzlich wenig anderes als im Sologefecht.
Spieler gegen Spieler
Und wenn es auf zufallsgenerierten Karten in die Schlacht gegen andere menschliche Feldherren geht? Das war der eigentliche Kern, der langfristig motivierende Reiz all der Vorgänger. Man konnte sich stundenlang Gefechte mit gut ausbalancierten Völkern und klaren Kontern liefern; Age of Kings gehörte zu den besten Multiplayer-Strategiespielen überhaupt. Aber auch diese Zeiten sind vorbei, denn es gibt kaum spannende Online-Kämpfe unter gerechten, also gleichwertigen Bedingungen – egal ob man sich für ein 1-gegen-1 oder 2-gegen-2 entscheidet.
Zwar basieren auch diese Gefechte auf Schere-Stein-Papier, man kann also wie gehabt mit seinen Speeren die Kavallerie kontern und so weiter. Viel zu oft wird man aber in ein Zufallsgefecht mit deutlich überlegenen, weil im Level weit entfernten oder über Premium-Inhalte aufgepumpten Gegnern geschmissen. Was soll man auf Stufe 12 gegen Stufe 32 ausrichten? Wieso bringt einen das Matchmaking überhaupt zusammen? Und selbst auf gleicher Stufe hat man gegen die Premium-Krieger keine Chance: Nur sie können spezielle Ausrüstung anlegen sowie auf die Beratern zurückgreifen, die wiederum exklusive Spezialeinheiten ermöglichen. Da kann man aufgrund der wesentlich schwächeren Werte in den Bereichen Ernte und Schaden auch mit Taktik nicht mehr viel reißen. Einzelne Gefechte gegen Computergegner in verschiedenen Stufen zum Üben sind übrigens genauso wenig möglich wie Spiele gegen Freunde – die können nur Premiumspieler anlegen.