Test: Raven's Cry (Action-Adventure)

von Eike Cramer



Release:
Q1 2015
28.01.2015
28.01.2015
28.01.2015
kein Termin
Erhältlich: Digital (Steam)
Spielinfo Bilder Videos
Assassin’s Risen: Pirates

Dabei ist der spielerische Ansatz von Raven’s Cry gar nicht verkehrt. Ähnlich wie in Fluch der Karibik von 2003 verbindet Reality Pump Mechaniken aus Rollenspiel, Action-Adventure sowie dem Klassiker Pirates. So besitzt Raven z.B. ein Schiff, mit dem er zwischen den Inseln der Karibik reist, Konvois überfällt und Waren transportiert. Dies kann in mehreren Stufen aufgerüstet und verbessert werden, bevor man es gegen ein größeres eintauscht und zum Schluss mit einem mächtigen Linienschiff (Man-o-War) die See unsicher macht. Die Seeschlachten sind zwar einfach gehalten und längst nicht so dynamisch wie z.B. bei Assassin’s Creed 4: Black Flag, sehen aber ordentlich aus und funktionieren weitestgehend schlüssig. So gibt es mehrere Munitionsarten wie Kettenkugeln oder Kartätschenladungen, mit denen Feindschiffe gut auf die Kaperung „vorbereitet“ werden können. Dank des soliden Handelssystems ergibt das Übernehmen von Ladung durchaus Sinn und man kann sich seinen Lebensunterhalt als Freibeuter verdienen, solange man sich nicht mit großen Marine-Kampfverbänden einlässt.

Leider ist der Seekampf aber der einzige Bereich, in dem mir Raven’s Cry einigermaßen Spaß macht. Das „Rollenspiel“ basiert auf dummen Dialogen, simplen Hol-und-Bring-Aufgaben sowie Nebenquests à la „Bring mal den um, der hat mich dumm angemacht.“ Das hat absolut gar nichts mehr mit der soliden Qualität eines Two Worlds 2 gemein. Keine Aufgabe ist wirklich durchdacht, kein einziger Dialog überzeugt und keiner der Charakter
Besonders in Innenräumen ist die Kulisse bestenfalls Mittelmaß.  Nicht im Bild: die jahrmarktähnliche Soundkulisse.
Besonders in Innenräumen ist die Kulisse bestenfalls Mittelmaß. Nicht im Bild: die jahrmarktähnliche Soundkulisse.
ist mehr als ein klischeehaftes Abziehbildchen. Dazu kommt, dass sich die Entwickler bei dem Entwurf einer Piratenatmosphäre scheinbar an der Pirates-of-the-Carribean-Attraktion aus den Disneyland-Parks orientiert haben. Wirtshäuser, Marktplätze, Dörfer, Dschungel: alles wirkt gekünstelt, statisch und wie die Kulisse einer mittelprächtigen Geisterbahn -  nicht zuletzt weil die Bewohner, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, wie angewurzelt auf ihren Plätzen verharren und immer wieder die gleichen, völlig unzusammenhängenden Kommentare von sich geben.

Apropros Kommentare: Um eine „erwachsene“ Atmosphäre zu erzeugen hat man sich im Hause Reality Pump offenbar überlegt, möglichst viele Schimpfwörter wie Wichser, Schwuchtel oder Hurensohn in möglichst wenig Spielzeit zu stopfen. Dadurch wirkt bereits die erste Seeschlacht, als ob Haftbefehl und Farid Bang die Dialoge verfasst hätten. Liebe Entwickler: Authentizität schön und gut, aber das ist einfach albern.

Ein Kampfsystem aus der Hölle

Noch alberner ist aber das so genannte Kampfsystem, mit dem sich Raven gegen Eingeborene, Piraten und Soldaten wehrt. Ohne jegliches sichtbare Feedback oder eine physikalische Reaktion eines Treffers klickt man sich hektisch durch Gegnerhorden, deren Schläge man dank der unpräzisen Animationen nur mit sehr viel Glück
Stilblüten mit Freibeutern: Diese Dame kann mal so richtig verwendet werden!
Stilblüten mit Freibeutern: Diese Dame kann mal so richtig verwendet werden!
parieren kann. Taktik? Parade und Riposte? Anspruch? Gibt es hier nicht! Hektisches Dauerklicken und simpler Frontalangriff lösen die meisten Konflikte im Handstreich. Dazu kommen völlig unbalancierte Spezialangriffe, mit denen man Gegner zurückschleudern oder mit einem Schlag töten kann – falls sich die KI denn überhaupt wehrt und nicht wie angewurzelt stehen bleibt oder sich ohne Gegenwehr abschlachten lässt.

Auch die Kulisse ist für ein PC-Spiel im Jahre 2015 veraltet: Die Schauplätze sind zwar ordentlich entworfen und vor allem die Seeschlachten machen dank der guten Wasserdarstellung sowie des Schadensmodells der Schiffe eine ordentlich Figur. Ansonsten sind die geringe Sichtweite, heftige Popups, Marionetten-Animationen, schwache Effekte und matschige Oberflächen einfach nicht mehr zeitgemäß. Dazu kommen häufige Clipping-Fehler und sichtbare Nachlader. Gerade in größeren Städten führt das schnell zu andauerndem Streaming-Zuckeln. Ja, die Welt ist üppig dimensioniert und bietet viele Schauplätze unterschiedlicher Größe, die durchaus ansprechend entworfen sind – insgesamt erreicht man aber bestenfalls mittleres PlayStation-3-Niveau.

Kommentare

LeKwas schrieb am
@ Kajetan: Naja, ein Redakteur von Giga erhielt schon auf der Gamescom 2013 die Gelegenheit, einen kurzen Blick auf Raven's Cry zu erhaschen. Seine Eindrücke beschrieb er als grauenhaft:
https://www.youtube.com/watch?v=hrcb1VYpeTE#t=21m45s
Nach den 2 Jahren zuvor, in denen Octane daran werkelte, gab es noch nicht einmal ein Kampfsystem - das spricht Bände. Wenige Tage später gab Topware dann auch den Entwicklerwechsel offiziell bekannt (siehe GS News).
Und bei insgesamt 13 Verschiebungen - 4 allein seit dem letzten Oktober - würde ich nicht unbedingt von Hektik zu sprechen. Wirkt auf mich eher so, als hätte Reality Pump irgendwann das Handtuch geworfen, als sie merkten, dass es - egal wie viel Entwicklungszeit sie auch in das verkorkste Ding reinstecken mochten - kaum besser würde.
Kajetan schrieb am
Eisenherz hat geschrieben:Vor allem haben sich Topware und der eigentlich fähige Entwickler hier viel Negativ-Publicity eingehandelt.
Eigentlich nicht. Denn Ravens Cry ist ja nicht so derart heftig untergangen, weil es schlecht ist, sondern weil keine Sau mitbekommen hatte, dass es das Spiel überhaupt gibt. Hätte man da mehr die Werbetrommel gerührt, man hätte tonnenweise mehr Umsätze bekommen als jetzt. Alleine nur von den Leuten, die "Piraten-RPG mit Schiffsschlachten" hören und dann sofort blind zugreifen.
Eisenherz schrieb am
Vor allem haben sich Topware und der eigentlich fähige Entwickler hier viel Negativ-Publicity eingehandelt.
Kajetan schrieb am
LePie hat geschrieben:Naja, wenn dir dein Vorgänger eine wahre Coderuine hinterlässt, dann kannst du dir selbst als bester Entwickler daran die Zähne ausbeißen.
Wenn man sich Ravens Cry so ansieht, würde ich das jetzt nicht als Coderuine bezeichnen. Sondern nur als Spiel, dem man anmerkt, dass hier in aller Hektik irgendwelche Assets zusammengeprügelt wurden und sobald das alles irgendwie halbwegs lauffähig war, wurde es veröffentlicht, weil Topware offenbar dringend Geld benötigt.
Wobei, wenn ein Spiel eine Woche nach Release nicht mal mehr unter den ersten 600 der Steam-Verkaufscharts auftaucht (und es bislang nur auf Steam erschienen ist) ... viel hat Topware dadurch nicht einnehmen können. Um es mal höflich auszudrücken.
LeKwas schrieb am
Naja, wenn dir dein Vorgänger eine wahre Coderuine hinterlässt, dann kannst du dir selbst als bester Entwickler daran die Zähne ausbeißen.
schrieb am