Das ultimative Böse
"Das begriffsstutzige Böse setzte sich […] in Bewegung. Zumindest sollte es das. So steht es hier im Dungeons-2-Lösungsbuch". Spätestens in diesem Moment konnte ich das Drehbuch nicht mehr ernst nehmen. Schade eigentlich. Denn mit dem ehemaligen Comedian und derzeitigem Dozenten Monty Arnold wurde ein hervorragender Sprecher verpflichtet, der den Spieler in bester Tradition als Erzähler begleitet und mit Kommentaren piesackt. Er versucht alles in seiner Macht stehende, um so etwas wie Atmosphäre zu transportieren. Und solange er keine Witze reißen muss, geht dieses Vorhaben auch meist auf. Doch sobald die Autoren versuchen, komisch zu sein, erreichen sie nicht einmal das "Niveau" eines Mario Barth oder die Platitüden von Kinostreifen wie Die Pute von Panem oder anderen "Film-Spoofs". Klar kann man über Humor vortrefflich streiten - hierzulande erst recht und bekanntlich ist ja "Humor, wenn man trotzdem lacht." Nur hier blieb mir das Lachen nicht einmal im Halse stecken. Die Gags zündeten einfach nicht bei mir. Liegt es daran, dass zu häufig die vierte Wand aufgemacht und sich über den Spieler, seinen Fortschritt oder seine Spielgeschwindigkeit lustig gemacht wurde? Oder doch daran, dass pointierter Humor und witzige Dialoge zu den Königsdisziplinen für Autoren gehören und die Schreiber für Dungeons 2 die hohe Hürde nicht nehmen konnten? Es ist die Mischung, die mit ihren Haudrauf-Anspielungen auf andere Spiele, Filme usw. sehr uneinheitlich wirkt.
Man ist mit seinen Dienern nicht nur unterirdisch, sondern auch in der Oberwelt unterwegs.
Doch der vermeintliche Humor ist ja nur ein Teil des Höhlenmanagement-Mosaiks, das Realmforge hier zusammengesetzt hat. Und im Gegensatz zum Skript funktionieren andere Teile wesentlich besser. Im Kern geht es immer noch darum, in der Rolle des absoluten Bösen seine unterirdischen Behausungen auszubauen, mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen zu wirtschaften und treu ergebene Gefolgsleute anzuheuern. Im Gegensatz zum vor kurzem erschienenen War for the Overworld beschränkt man sich auf fünf Grundtypen, von denen die Schnodderlinge nur als Lakaien eingesetzt werden. Sie graben, transportieren und sind auch als Krankenwagen unterwegs, wenn sie Verletzte oder Tote ins Lazarett schleppen. Die anderen Gruppen (Orks, Naga, Goblins, Trolle) lassen sich entweder als Standard-Kanonenfutter in die Schlacht werfen oder mit entsprechender Forschung und Ausbildung in je zwei Einheitentypen spezialisieren. So kann aus dem Goblin z.B. der Gob-o-Bot werden, der mit einem dualen Flammenwerfer auf die Gegner losgeht, während die Naga-Königin alliierte Truppen heilen kann.
Manager des Bösen
Dabei bieten die Echtzeit-Strategie-Kämpfe allerdings keinerlei Finessen, sondern verkommen zu unspannenden Materialschlachten.
Da die Spezialisierung bzw. der Entwicklungsweg dorthin kostspielig ist und bis auf die Orks alle Gruppen auch in die Produktion von dafür nötigen Ressourcen eingebunden sind, ist man mit vorausschauender Planung beschäftigt, bis die Truppe eine schlagkräftige Form angenommen hat. Denn wie es sich gehört, wird man auch von Zeit zu Zeit von Helden angegriffen, die den Weg in den Dungeon gefunden haben und verhindern wollen, dass das unsagbar Böse wieder zu voller Kraft zurückkehrt und sie vernichtet. Die Steuerung ist denkbar einfach. Mit der den Cursor ersetzenden Hand kann man Steine markieren, die von den Schnodderlingen zerkloppt werden, so dass neue Wege oder Räume entstehen – dabei geschürftes Gold wird schnellstmöglich in die nächste Schatzkammer gebracht. Freie Flächen kann man ebenso einfach als Lazarett, Wachstube, Manakammer usw. kennzeichnen, wobei der Boden im Gegensatz zur Dungeon-Keeper-Serie und ihrem modernen Nachfolger War for the Overworld nicht erst „eingenommen“ werden muss. Hier gilt: Was leer ist, kann bebaut werden. Wie man es kennt, kann man seinen Dienern (Sklaven?) mit der Hand einen Klaps geben, damit sie kurzzeitig effektiver arbeiten. Und natürlich kann man seine Figuren auch aufnehmen und an anderer Stelle wieder absetzen - ein probates Mittel, wenn sich Eindringlinge ankündigen und man schnell eine Abfangtruppe benötigt.
Der Dungeon-Ausbau ist gelungen, wird aber unnötig zur Basisbau-Grundlage der Oberwelt-Ausflüge degradiert
Allerdings fehlen mir ein paar Komfortfunktionen. Zwar kann ich durch die verschiedenen Gruppentypen durchschalten, woraufhin die Kamera zur nächsten Figur der jeweiligen Art durchschaltet. Doch ich kann nicht z.B. alle Orks auf einmal aufnehmen, um sie ggf. schützend vor den Nagas zu postieren, die dummerweise in der ersten Kampfreihe gelandet sind. Stattdessen muss ich auf das Porträt klicken, dann ins Bild, dann wieder auf das Porträt, dann wieder ins Bild usw. Wenn man acht oder zehn Orks in seiner Höhle hat und mindestens die Hälfte davon schnell einsetzen möchte, verkommt das ansonsten durchdacht wirkende Interface zu einer unnötigen Klickorgie. Was die recht umfangreichen Forschungsbäume und Entwicklungsmöglichkeiten betrifft, hat man zwei Möglichkeiten, sich schnell zum Ziel zu bewegen. Entweder man lernt die üppig gefüllte Liste mit Tastaturkommandos oder man klickt in den entsprechenden Raum und kann nun entweder Forschung anstoßen oder zusätzliche Einrichtungen platzieren. Möchte man die Früchte seiner Arbeit genießen, kann man sich zurücklehnen und den Blick über seinen Dungeon schweifen lassen, der mit einem gelungenen Artdesign überzeugt und auch einen passablen Wuselfaktor bietet: Unbeschäftigte Vasallen hämmern an den Wänden herum. Orks übernehmen die Initiative und ohrfeigen an Stelle des Spielers die Schnodderlinge, wenn sie der Meinung sind, dass sie zu langsam arbeiten - nett! Allerdings würde ich mir hier eine Einstellmöglichkeit wünschen, mit der ich Ihnen die Macht wieder entreißen kann, damit die Dungeonpflege allein in meinen Händen bzw. meiner Cursor-Hand liegt.