Takahashis dritter Streich
Sony ist schon seit drei Jahren nicht mehr Teil des Projektes Wattam, stattdessen sprang Annapurna Interactive (
What Remains of Edith Finch,
Ashen) als Publisher ein. Mit deren Hilfe und unter Mitwirkung von Executive Producer Robin Hunicke (
Journey) entstand ein überaus kurioses Videospiel. Keita Takahashi, der schon im Alter von 29 Jahren für Namco sein kreatives Meisterstück
Katamari Damacy (2004) ablieferte und zwischenzeitlich als Spielplatz-Designer arbeitete, ist in Wattam in seinem Element: kreischende Primärfarben und lachende Gesichter gepaart mit einem Spielprinzip, das man so bislang noch nicht gesehen hat. Dabei ist Wattam inhaltlich näher an
Noby Noby Boy, seinem experimentellen PS3-Spiel mit dehnbarem Wurm, als an der
Katamari-Serie, wo noch typische Spielelemente wie Levels, Highscores oder Zeitlimits vorhanden waren.
Gestatten, der (grüne) Bürgermeister und seine geometrischen Brüder. Alle mit Explosionshut und Hang zu irrem Lachen.
Wattam setzt dem Spieler eine bunte Ebene vor, auf der sich merkwürdige Figuren tummeln: ein grüner Würfel mit Schnauzbart und Zylinder, genannt „Bürgermeister“, dazu Früchte, Alltagsgegenstände, Elektronikgeräte, Körperteile - allesamt mit fröhlichen Gesichtern. Mit dem rechten Analogstick wechselt man zwischen diesen Charakteren - ein Steuerungskonzept, das bis zum Ende etwas Unbehagen bereitet. Die Kameradrehung, die in Hunderten Spielen auf besagtem rechten Stick liegt, wird in Wattam nämlich mit den unteren Schultertasten erledigt. Die Figuren sind nicht gerade Multitalente: Sie können hopsen, (etwas schwammig) herumlaufen, sich begrüßen, einander an den Händen fassen. All das sieht ulkig aus, führt aber zu wenig. Um die gestellten Aufgaben zu bewältigen, gilt es, die Spezialaktionen einiger weniger, fähigerer Gesellen zu nutzen: Der Bürgermeister kann auf Knopfdruck eine explosive Kiste zünden, der Baum verwandelt allerlei Gegenstände in Früchte und Gemüse, der Ventilator erzeugt einen Luftstrom und der riesige Mund verputzt kleinere Figürchen, um sie anschließend als softweiche Kothäufchen wieder auszuscheiden. Wozu das gut sein soll? Eigentlich nur, um die aktuelle Aufgabe, am oberen Bildrand durch vier stilisierte Häufchen angezeigt, zu erfüllen. Dann freuen sich alle Figürchen, kichern dümmlich und meist rauscht aus dem Weltall ein großes Objekt heran (Stuhl, Kürbis, Toilette, Schiff), auf dessen Oberfläche neue, beseelte Gegenstände in die Welt gelangen: „Hallo Besen“, „Hallo Nase“, „Hallo Fotokamera“ rufen sie sich dann gegenseitig zu - der Spieler schüttelt den Kopf und fühlt sich unangenehm an die Teletubbies erinnert.
Vier Stunden Nonsens
Milchflasche Bertha klettert oben auf den Turm, wo ich schon ein Klo verbaut habe. Und ja, links kullert ein goldenes Kothäufchen herum.
Wer hier beim Lesen schon die Lust verloren hat, sollte einen großen Bogen um Wattam machen - sinnvoller wird es nämlich mehr. Man stapelt die Figuren aufeinander, um eine bestimmte Höhe zu erreichen, spült Dinge in einem Klo mit Gesicht herunter, sucht die Kaviar-Kinder vom weinenden Sushi-Teilchen, explodiert gemeinsam in Regenbogenfarben oder fasst sich an den Händen und tanzt um einen kleinen Setzling, bis daraus ein stattlicher Baum erwächst. All das wird begleitet von Lachen und Plärren, traurig-tränenden Schmollgesichtern oder eben ein bisschen Kacka-Humor. Das ist in der Tat ziemlich originell und auch wirklich einzigartig inszeniert, ein motivierendes Spielprinzip oder gut designte Geschichlichkeitsprüfungen sucht man hinter all dem Nonsens aber vergebens. Auch die Hintergrundgeschichte, die wie in der
Katamari-Serie mit gemalten Bildern erzählt wird, trägt nur wenig zu einer kohärenten, sinnstiftenden Spielerfahrung bei.
Die Spielwelt von Wattam setzt sich aus Ebenen und andockenden Schiffen zusammen - dort tummeln sich zahlreiche Charaktere.
Man merkt Wattam (das auf PC im Epic Games Store erhältlich ist) in beinahe jeder Szene an, dass sein japanischer Schöpfer vom Prinzip des ziellosen Spielens und von kindlichem Übermut angetan, ja geradezu begeistert ist - Wattam könnte daher gerade Kindern gefallen, würde es sein jeweils nächstes Spielziel nicht umständlich verschleiern. Mitunter sucht man minutenlang herum, wer jetzt eigentlich gerade etwas von einem wollte - daher ist es vielleicht ratsamer, wenn Kinder einem Erwachsenen beim Zocken zusehen. Dann kann man sicher auch gemeinsam lachen, wenn man schon wieder zum Zeitvertreib den explosiven Bürgermeister zündet oder im wahrsten Wortsinne einfach mal Scheiße baut.