Test: Endless Space 2 (Taktik & Strategie)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: SEGA
Release:
18.05.2016
Erhältlich: Digital, Einzelhandel
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ab 39,00€
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Pazifisten und Eroberer

Dabei beginnt das Grübeln schon vor dem Spielstart. Die acht Fraktionen (man kann auch eigene erstellen) unterscheiden sich nicht nur rein äußerlich, was den Körper oder das Schiffsdesign angeht - sehr lobenswert sind übrigens die kurzen, aber stimmungsvollen Einführungen in den jeweiligen Charakter sowie politischen Status quo. Jedes Volk besitzt zudem einen eigenen soziokulturellen Hintergrund, dem eine mehrstufige Hauptquest mit vielen Entscheidungen erzählerisches Leben einhaucht. Zwar folgt das Drehbuch meist einer zwei- oder dreigleisigen Schablone, in der es jeweils um eher radikale oder gemäßigte politische Ansichten geht, die man mit seinen Befehlen sowie Gesetzen stützen kann.

Man kann aus acht Fraktionen wählen. Sie unterscheiden sich teilweise sehr stark hinsichtlich der Expansion.
Man kann aus acht Fraktionen wählen. Sie unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Startboni, sondern vor allem der Expansion und der jeweils exklusiven Hauptquest.
Aber so entstehen auf Seiten der wissbegierigen Sophon ganz andere Situationen und Konflikte als auf Seiten der kapitalistischen Lumeris: Streiten die robotischen Technerds z.B. darüber, ob sie eine sehr gefährliche KI noch weiter entwickeln, um ihre Potenziale zu nutzen, geht es bei den mafiös organisierten Familien eher darum, wie skrupellos man Geschäfte macht – manche Dialoge erinnern dabei sogar an Der Pate & Co. Und während die Vodyani wie Kreuzritter ihrer heiligen Mission der offensiven Bekehrung folgen, müssen sie mit Ketzern in den eigenen Reihen umgehen – oder soll man ihnen folgen? Selbst die scheinbar komplett pazifistischen Ungefallenen, die als Baumwesen ganze Systeme mit ihren Ranken umschließen, haben es intern mit dem zwiespältigen Weg des Feuers zu tun, der auch die Expansion rechtfertigt. Selbst die hoch aggressiven Craver, die wie Heuschrecken über Planeten herfallen, sind sich nicht immer einig. Jede Hauptquest erzählt also eine exklusive, sich angenehm zuspitzende Geschichte.

Politische Strömungen und Völker leiten

Im letzten Drittel steigt die Spannung sowohl aufgrund der hart umkämpften Grenzen als auch einiger kooperativer Quests.
Im letzten Drittel steigt die Spannung sowohl aufgrund der hart umkämpften Grenzen als auch einiger kooperativer Quests. Plötzlich bildet man unabhängig von Allianzen auch Teams mit der KI.
Man kann mit seinen Entscheidungen kurzfristig die politische Stimmung in seinem Imperium beeinflussen, die bei jedem Volk von Militaristen, Pazifisten, Technokraten, Ökologen & Co geprägt wird. Wird eine Partei zu mächtig, kann sie damit die Auswahl der Gesetze beeinflussen - aber als Imperator hat man sowohl legale als auch illegale Möglichkeiten, die Wahlergebnisse zu beeinflussen. Nur Vorsicht: Je weiter das Imperium wächst, desto multikultureller und damit politisch heterogener und unübersichtlicher wird die Bevölkerung und damit die Zustimmung - cool ist übrigens, dass man die Bevölkerungsgruppen innerhalb seiner Systeme per Drag&Drop sowie der Galaxie über Transportschiffe verschieben kann, zumal jedes Volk je nach Klima besser oder schlechter produziert. Es gibt in den Systemen sogar einen Effizienzindex, der anzeigt, welche planetaren Boni man gerade mit dem jeweiligen Volk ergattert. Es lohnt sich also, eine passende Heimat zu suchen! Selbst ohne diese Migrationstaktik kann sich das System-Management sehen lassen, denn man hat über zig Gebäude die Möglichkeit, einzelne Planeten optimal zu spezialisieren. Man kann zudem nicht nur Anomalien beseitigen, um Nachteile wie Meteoriteneinschläge zu eliminieren, sondern sie komplett von der unwirtlichen "Asche" hin zu "Wüste" oder "Steppe" terraformen und technologisch bis zu drei Stufen entwickeln.

Die möglichen Gesetze sind als Verstärker ebenfalls wichtig, denn natürlich profitiert man in der Forschung sowie Produktion davon, wenn die aktuelle Politik mit ihren Boni das eigene Spielziel unterstützt. Langfristig drückt man seiner Herrschaft mit seinen Entscheidungen einen Stempel auf, denn die Hauptquest kann je nach Verhalten ganz unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Planeten innerhalb eines Systems können sich stark hinsichtlich des Klimas, der Rohstoffe sowie Bevölkerung unterscheiden.
Die Planeten innerhalb eines Systems können sich stark hinsichtlich des Klimas, der Rohstoffe sowie Bevölkerung unterscheiden.
Jede Fraktion startet mit anderen Merkmalen, die einem vom Start weg indirekte Boni bringen. Die Sophon produzieren z.B. mehr Wissenschaft auf kalten Planeten und erforschen all das schneller, was vor ihnen noch kein anderes Volk erforscht hat. Das Vereinigte Imperium der Menschen gewinnt für industrielle Bauten auch Einfluss und die Craver profitieren in den vier Kernrohstoffen Nahrung, Dust, Industrie und Wissenschaft zu 100% von versklavter Bevölkerung. Hinzu kommen zwei Starttechnologien, die ein kleiner Hinweis darauf sind, in welchem der vier Forschungsbereiche die eigentlichen Stärken liegen - die Sophon beginnen z.B. mit den zwei wissenschaftlichen Bereichen der Xenobiologie und Schaum.

Von Kolonisten, Bekehrern und Ranken

Damit nicht genug, gibt es wesentlich spielerische Unterschiede, was die Expansion betrifft: Die Menschen und Sophon besiedeln andere Systeme,

wed
Der sonst so arrogante Horatio denkt tatsächlich über eine Allianz nach...? Der Charakter der Völker wird auch in den kleinen Dialogen der Diplomatie spürbar.
indem sie auf einem Planeten zunächst eine Kolonie gründen, die erst nach vielen Runden umgewandelt und somit auch farblich in das Imperium integriert wird – in der Zwischenzeit ist sie auch angreifbar. Die Rissgeborenen vermehren sich gar nicht biologisch, sondern müssen neue Bevölkerung industriell herstellen. Die amphibischen Lumeris brauchen zum Besiedeln gar keine Kolonisten, sondern lediglich Dust und die Craver versklaven lieber alle Eingeborenen und beuten Planeten so schonungslos aus, dass sie immer Probleme mit der Zustimmung haben.

Noch exotischer geht es bei zwei anderen Fraktionen zu: Die fanatisch religiösen Vodyani betreten gar keine Planeten, sondern verharren in der Umlaufbahn in ihren so genannten „Archen“ und bekehren sie von dort aus, indem sie Dust in Glauben umwandeln.Und die Baumwesen der Ungefallenen brauchen ebenfalls keine Kolonisten, sondern breiten ihre Ranken auf Systeme aus, so dass diese fest verbunden und damit komplett besiedelbar sind. All das hat natürlich konkrete Auswirkungen auf die Art der expansiven Strategie sowie Gewichtung der Forschung. Umso bemerkenswerter ist, dass die Balance trotz dieser Unterschiede eine sehr gute ist, denn auch sehr mächtig erscheinende Fraktionen haben irgendwo einen Engpass oder ein Defizit.

Tutorial & Online-Multiplayer

Für Einsteiger empfehlen sich also eher die „normal“ expandierenden Völker wie die Menschen oder Sophon. Und keine Bange: Zwar braucht es etwas Zeit, bis man die komplexe Spielemachnik von Endless Space 2 verinnerlicht hat, aber es gibt ein gutes Tutorial in drei Stufen, das auf der ersten Ebene sogar Anfänger im Bereich der 4X-Strategie mit grundsätzlichen Erläuterungen an die Hand nimmt. Wer den Vorgänger kennt, wird lediglich Tipps zu den Neuerungen bekommen. Falls ihr mit Freunden online spielen wollt, könnt ihr das mit bis zu acht Leuten in privaten Multiplayer. Außerdem lassen sich auch öffentliche Spiele anlegen und betreten - inklusive zuschaltbarer KI.
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Kommentare

Dr.Bundy schrieb am
So langsam wird für mich Endless Space 2 interessant. Ich schätze es sind viele Kinderkrankheiten ausgebügelt ?
James Dean schrieb am
dessoul hat geschrieben: ?04.06.2017 11:55
Ich bin von Stellaris ziemlich angeödet, weils für mich da nichts mehr zu endecken gibt. Ich habe eine Hassliebe mit diesem Spiel. Ich habe so gehofft, dass es endlich mal etwas besseres gibt.
So ging's mir leider auch. Ich habe damals Stellaris bei Release gekauft und immer wieder ein paar Runden gestartet, aber ich habe meist aufgehört, sobald die Galaxie erkundet war und ich 10 oder 12 Planeten hatte. Da war dann irgendwie die Luft raus und es passierte nicht mehr viel.
gollum_krumen schrieb am
Paranidis68 hat geschrieben: ?06.06.2017 13:03 Könnte mich jemand vorwarnen, was zu viele Kolonien bedeuten. Wo die Schmerzgrenze zu erkennen ist und welche Möglichkeiten man nutzen sollte, um die Anzahl allgemein zu erhöhen.
Ich bin gerade bei 6/6 angekommen und bin etwas zögerlich beim wilden ausprobieren.
Meine Erfahrung: Kolonisiere, was das Zeug hält, so früh es geht. Kolonien kosten Geld, Nahrung (bis dahin, dass die Bevölkerung auf anderen Planeten stirbt!), Zufriedenheit und die Fähigkeit, sie militärisch zu verteidigen.
Ist aber mMn nicht wie bei CIV 5, dass man ein kleines feines Reich sogar besser spielen kann. Bei ES2 heißt es expandieren, was deine Ressourcen hergeben.
Paranidis68 schrieb am
Jetzt ist aber ein umfangreicher Beta Patch erschienen. Liest sich schon sehr gut.
schrieb am