Aber genau da liegt ein großes Problem: Spannung kommt so doch nie auf. Stattdessen habe ich unterm Strich ein paar Stunden damit verbracht, das Hampeln am Seil, die teils störrische Kamera sowie physikalische "Besonderheiten" durch häufiges Vor, Zurück, Vor, Zurück, Vor... auszugleichen. Das Manipulieren der Zeit wirkt nicht wie eine coole Fähigkeit, sondern der Cheat-Code eines Programmierers zum schnellen Testen einzelner Mechaniken. Spaß hatte ich damit jedenfalls kaum.
Gestörtes Raum-Zeit-Gefüge
Und das ist nicht die einzige temporale Schwäche. Das automatische Anhalten der Zeit verursacht nämlich seine ganz eigene Form eines schlechten Zeitgefühls. Tatsächlich bleibt der Ablauf sofort stehen, wenn man keine Taste drückt: Das sieht schick aus und erlaubt das ruhige Bedenken des nächsten Schritts. Es wirkt aber auch ausgesprochen
Tatsächlich sieht Shadwen an allen Ecken ebenso hübsch wie nahezu gleich aus...
verstörend, dass das Geschehen ständig auf unnatürliche Art unterbrochen wird. Für mein Empfinden haben die Entwickler hier die Idee über das Spielgefühl gestellt und ich habe irgendwann fast durchgehend die Taste zum manuellen Weiterlaufen der Zeit festgehalten, was sicherlich nicht im Sinne der Erfinder war.
Game Over statt Spannung
Die haben es sich ohnehin sehr einfach gemacht – mit einem Spiel, das sofort "Game Over!" ruft, sobald eine Wache Alarm auslöst oder Shadwen angreift. Sprich, es gibt weder den Kampf noch Alarmphasen, in denen die Soldaten nach mehr als einem Geräusch suchen. Das typische Katz-und-Maus-Spiel der Stealth-Action beschränkt sich also auf ein kurzzeitiges Ablenken der Gegner und das ist mir auf Dauer zu wenig.
Der Spaß hört spätestens dort auf, wo die Gegner nicht einmal in Heuhaufen nach Shadwen suchen, nachdem sie vor ihren Augen dort hineingekrochen ist. Wenn sich die Attentäterin buchstäblich an ihren Rücken schwingt, auf dass der Angerempelte die Aktion weder mit einer Animation noch einem Kommentar registriert, zeigt sich das Spiel sogar von seiner hässlichen Seite.
Das Ellie-Syndrom
Im Kern funktioniert das einfache Konzept des Schleichens und Schwingens ja. Zumal geräuschvolle Maschinen, Giftpfeile und andere Werkzeuge eine hilfreiche Ergänzung sind, für deren Herstellung die Attentäterin Gegenstände
... und wird von ärgerlichen Schwächen geplagt. Diese Wache wird Shadwen etwa nie finden.
benötigt, die sie in versteckten Kisten findet. Das sorgfältige Erkunden der Umgebung wird also belohnt.
Shadwen muss zudem nicht nur selbst ans Ziel gelangen, sondern die Wachen auch so ablenken oder beseitigen, dass ihr die kleine Lily unbehelligt folgen kann: Das Mädchen läuft immer dann zum nächsten Heuhaufen oder Busch, sobald der Weg dorthin frei scheint. Die zwei Damen reden zwar fast nur während der Ladepausen und reagieren beim Spielen nicht direkt aufeinander. Dennoch entsteht durch das indirekte Führen ein ganz eigener Rhythmus abseits dessen, an das man durch
Metal Gear,
Splinter Cell und
Dishonored gewöhnt ist.
Doch dann springt Lily einem Gegner mal wieder direkt vor der Nase herum – was der "selbstverständlich" komplett übersieht. Und so reiht sich auch dieser Baustein in die Reihe der vielen guten Ideen ein, welche die Trine-Macher unter einem großen Berg konzeptioneller und technischer Probleme begraben.