Monetarisierung über alles?
Denn Magic: The Gathering ist der Erfinder der Pay-to-Win-Lootbox. Die zufällig zusammengestellten Booster-Packungen, die Karten verschiedener Seltenheitsstufen enthalten, sind die Urform der heute omnipräsenten Beutekisten – und die großen Stärkeunterschiede zwischen den Karten, von denen sich die Besten natürlich im „Rare“ oder „Mythic Rare“-Slot der Booster verbergen, sorgen natürlich für ein massives Gefälle zwischen Spielern, die hunderte bis tausende Euros in ihre Kartensammlung investieren können und denen, die dies nicht tun. Im Klartext: Um wirklich kompetitive Decks spielen zu können muss man sich teure Karten leisten. Und das gilt auch für Magic: The Gathering Arena, das mit einem Free-to-Play-Modell an den Start gegangen ist.
Doch anders als in der Offline-Welt gibt es bei MtG Arena keinen Zweitmarkt, auf dem sich Spieler gezielt einzelne Karten kaufen können, um ihr Traum-Deck zu erhalten. Bei MtG Arena sind Booster und Wildcard die einzigen Möglichkeiten, um an die gewünschten Kreaturen, Hexereien, Artefakte oder Spontanzauber zu kommen. Wer virtuelle Booster aufreißt (die anders als ihre physischen Pendants nur acht statt 15 Karten enthalten, dafür aber statt 3,50¤ - 4,50¤ mit rund 1,50¤ pro Pack auch weniger kosten), erhält nach sechs geöffneten Packs eine Rare- oder Mythic-Rare Wildcard, die er im Deckbaukasten frei gegen eine Karte der jeweiligen Seltenheitsstufe eintauschen kann. Zudem können nicht mehr als vier Duplikate einer Karte angehäuft werden, da maximal ein „Playset“ pro Deck eingesetzt werden darf und sich eine virtuelle Karte in mehr als einem Deck befinden kann.
Mehr Booster, mehr Karten, mehr Decks, mehr Booster ...
Das funktioniert gut, da so auf „Dusting“ verzichtet werden kann, bei dem man z.B. dutzendfach überzählige Commons gegen eine benötigte Karte eintauscht. Die Monetarisierung ist dennoch recht aggressiv, da man nur recht langsam Ingame-Währung und damit Packs erhält. Klar – MtG Arena ist Free-to-Play und es ist legitim, dass WotC langfristig auch mit dem virtuellen Magic Geld verdienen möchte, die Karten also nicht mit vollen Händen verschenkt. Mit genug Geduld im Angesicht sicherer Niederlagen mit nicht perfektionierten Decks und ausreichend Ausdauer angesichts der damit verbundenen, langsameren Gewinnausschüttung ist es nämlich durchaus möglich, nicht einen Cent in Arena zu investieren und dennoch kompetitiv zu spielen. Die entscheidende Frage ist nur, ob man neben den dringend benötigten Karten auch noch teure visuelle Modifikationen sowie zusätzlich einen aus Fortnite und Co. bekannten Season-Pass anbieten sollte, der die Ausschüttung von Erfahrungspunkten, Belohnungen, Kartenrahmen- und Rückseiten erhöht.
Das große Melken
Denn Arena ist eben nicht nur über die virtuellen Boosterpackungen monetarisiert: WotC hat über 25 Jahre gelernt, dass Magic-Spieler bereit sind für Sonder-Versionen der normalen Karten, Special-Editions und sonstiges Bling-Bling deutlich mehr Geld auszugeben als üblich. Mit besonderen Fullart-Kartenmotiven, individuellen Kartenrücken bzw. virtuellen Kartenhüllen und kleinen Zusatzanimationen wie einer Katze oder einem Fuchs, der vom Rand des Schlachtfeldes aus die Matches verfolgt, versuchen die Entwickler, diese Erfahrung jetzt auch bei Arena in klingende Münze umzusetzen. Dabei können u.a. gezielt visuelle Aufwertungen per (teurem) Direktkauf erstanden werden. Diese können z.T. aber auch über tägliche Herausforderungen und den Season-Pass, der alleine mit knapp 20¤ (je nach Kauf-Verhältnis der nötigen Echtgeld-Währung) zu Buche schlägt, verdient werden. Dieses System, dessen Daumenschrauben im Verlauf der Beta immer stärker angezogen wurden, wirkt raffgierig, da die mögliche Zahl der am Tag zu verdienen XP mit täglichen Aufgaben wie „Zerstören 20 Kreaturen“ oder „Spiele 20 rote Zaubersprüche“ künstlich limitiert ist. Gleichzeitig wird aber aggressiv mit einem Level-Kauf im Seasonpass für 250 Edelsteine (etwa 1,60¤) pro Stufe bei 100 Stufen pro Saison geworben.
Die Magic-Spieler-Attitüde im Hinterkopf, jederzeit lieber zu viel als zu wenig Geld für das liebste Kartenhobby auszugeben, scheint mir, dass Wizards of the Coast einen ungemein effizienten Weg gefunden hat, die Spielergemeinschaft noch intensiver zu melken. Und das mit Erfolg – die letzten Quartalsberichte des Mutterkonzerns Hasbro bescheinigen der Marke Magic einen massiven Umsatzanstieg, der vor allem mit der steigenden Popularität von Arena zu tun haben dürfte. Dabei haben die Entwickler allerdings alle Monetarisierunsschrauben auf Anschlag gedreht und auch nicht darauf verzichtet, mit Ankündigungen wie den zunächst vorgesehenen doppelten Wildcard-Kosten für Historic-Karten sowie die Beschränkung der alten Sets auf das absurd teure, größte Booster-Paket (wohlgemerkt ohne Wiederverkaufsmöglichkeit der überschüssigen Karten!) noch tiefere Wal-Gewässer zu testen, was allerdings von der Community in den sozialen Netzwerken zum Glück eingebremst wurde.