Risiko lässt grüßen?
Auch wenn Johan Andersson von Paradox im Interview mit uns etwas lapidar erklärte, dass das Ziel des Spiels vor allem sei, möglichst viel der Karte "rot einzufärben", ist das zwar nicht falsch - es geht darum, das eigene Reich zu vergrößern. Aber was nach Eroberungen à la
Risiko klingt, lässt sich nicht ganz so leicht wie im Brettspiel-Klassiker realisieren. Da sollte man sich nicht vom Tutorial täuschen lassen, in dem man mit den Römern noch recht gemütlich fast ganz Italien erobert, indem man seine Armeen von A nach B schickt - dort hat man nämlich sofort eine volle Schatzkammer sowie Ressourcen, dazu einige Bündnispartner. Wer mit diesen Siegen im Rücken und der schnellen Offensive im Kopf vielleicht mit den Friesen oder auch Karthagern startet, wird sein verlustreiches Wunder erleben. Oder auch einen Bürgerkrieg. Außerdem steigt der Wert der "Aggressiven Expansion" mit Eroberungen, was sich wiederum negativ auf die Nachbarvölker auswirkt und diplomatische Nachteile bis hin zu Allianzen oder Kriegen nach sich ziehen kann - hier sorgt Paradox dafür, dass man balancieren muss.
Auch das militärische Management ist kein Selbstläufer: Die in Kohorten zu je 1000 Mann rekrutierbaren Truppen müssen zu Armeen zusammengefasst, von einem General befehligt, möglichst effizient hinsichtlich der erwähnten Truppentypen sowie Ausgangstaktik (Nahkampf, Einengung etc.) voreingestellt und sehr überlegt eingesetzt werden. Zwar gilt nach Kapitel 8 aus Carl von Clausewitz' "Vom Kriege" grundsätzlich der Vorteil der numerischen Überlegenheit. Aber ohne vorausschauende Planung erlebt man auch sein Waterloo: Selbst wenn man mit Armeen von 20.000 oder 30.000 Mann irgendwo eine Provinz überfällt, in der man "nur" eine feindliche Armee von 12.000 Mann sieht, müssen nicht nur Truppen auf dem Weg versorgt und am Ziel vielleicht Städte belagert werden; da braucht man
Karthago konnte Massilien zum Klientelstaat und einige Nachbarn zu Stammesvasallen machen.
übrigens schon 5000 Mann pro Befestigungsstufe. Viel wichtiger ist, welche militärischen Gegenreaktionen die vermeintliche zu gewinnende Schlacht auslöst - sprich: Welche Koalitionspartner des Feindes treffen da ein? Ach, das hat man vorher gar nicht recherchiert, dass vier gallische Stämme ein Verteidigungsbündis haben? Tja. Plötzlich sieht man vor lauter Standarten die eigenen Truppen nicht mehr...
Chaotisches Gewusel
Sobald ein Krieg inklusive der Bündnispartner und Feinde eskaliert, kann die Übersicht verloren gehen - und zwar sowohl visuell als auch militärtaktisch. Im bunten Gewusel von Standarten und Wappen erkennt man nicht umgehend, wer Freund und wer Feind ist. Also heißt es pausieren und lokalisieren, wer da eigentlich woher kommt. Das kann zu skurrilen Erkenntnissen führen, dass tatsächlich ein verbündeter Stadtstaat aus dem Osten Karthagos seine Truppen bis nach Spanien verschifft, um mir in einem lokalen Krieg zu helfen. Einerseits ist man dankbar, andererseits folgen diese Bündnisaktionen keinem gemeinsamen taktischen Plan, sind manchmal sogar selbstmörderisch, wenn sich eine 2K-Armee einer 10K-Armee entgegen wirft.
Das ist das alte Problem dieser globalen Strategie: Man kann zwar Bündnisse vieler Artund Stufen schmieden, die auf dem Papier zu militärischer Hilfe etc. aufrufen, aber in der Praxis gibt es keine gemeinsame Kommando-Ebene, so dass drei, vier Verbündete einfach irgendwo mitmischen. Oder auch nicht. Trotz dieses Tohuwabohus wirken die statistischen Auflösungen der Schlachten plausibler als in Hearts of Iron 4: Man kann bei einem Klick auf das Gefecht nicht nur in einem Raster sehen, wo welcher Truppentyp gestaffelt steht, sondern dort auch die Verluste sehen. Wichtiger ist, dass man auch den Erfolg der die eigenen taktische Effizienz bemerkt, so dass auch numerisch unterlegene Armee mit der richtigen Aufstellung siegen können. Außerdem muss man der Gegner-KI zugute halten, dass sie einen überrascht: Selbst kleine gallische Lokalmächte fallen in das eigene Hinterland ein oder lassen ihre verbündeten Stämme die andere Flanke angreifen. Es entsteht also ein Gefühl von Aktion und Reaktion. Wobei es auch hier einige überaus seltsame bis selbstmörderische Entscheidungen gibt. Aber man darf nicht vergessen, dass diese Schlachten ja nur eine Facette der Staatsführung sind. Es gilt noch viel mehr zu meistern.