Test: SpellForce 2: Shadow Wars (Taktik & Strategie)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Release:
12.03.2010
Spielinfo Bilder Videos
Finessen für Feldherren

In Sachen Echtzeit-Strategie hinkt SF2 dem Genre um Jahre hinterher. Weder das Thema Emotionen noch das Thema Physik, Tageszeit oder Wetter spielt eine Rolle. Warum hat man auf den Einfluss von Tag und Nacht als taktisches Element verzichtet, wie es z.B. in Ground Control 2 (GC2) gebraucht wird? Natürlich kann man jetzt argumentieren, dass das ja nur ein Mix ist. Aber sobald es um Schlachten im Gelände
Türme feuern autoamtisch auf Feinde, lassen sich aufrüsten, aber leider nicht besetzen.
geht, sollten gewisse Punkte einfach Standard sein. Feldherren werden eine ganze Reihe an Finessen vermissen: Wo sind Formationen? Es gibt noch nicht einmal einfache Aufstellungen wie Linie oder Halbkreis. Positiv ist nur, dass sich der eigene Magier meist vorbildlich nach hinten begibt, genau so wie Bogenschützen. Aber das sind rudimentäre Must-haves. Wo sind spezielle Stellungen wie Schildwall oder Speerigel? Das hätte den Kampf ansehnlicher gestaltet. So verkommt alles zu einem kunterbunten Gemetzel, das taktisch wesentlich unübersichtlicher und optisch unattraktiver ist als in HdR 2. Wo ist die einheitliche Marschgeschwindigkeit - wenigstens optional? Das bieten Spiele wie GC2, Earth 2160 oder das kommende ParaWorld . Die Truppen bewegen sich in einer elend langen Linie von A nach B, ohne als Verband zusammen zu bleiben. Sprich: Die Reiter kommen immer als erste an und müssen sich ohne Unterstützung dem Feind stellen. Das führt dazu, dass man nicht strategisch von zwei Seiten Angriffe mit gemischten Verbänden planen kann. Es sei, denn, man will alle Truppen in Gattungen sortiert einzeln befehlen - dieses Babysitting kostet viel zu viel Zeit.

Wo sind Tore oder bemannbare Mauern? Es gibt zwar endlich Türme, aber die kann ich nur mit völkischen Angriffs- oder Heilungsboni erweitern, nicht besetzen. Wo ist eine Alarmglocke für die Arbeiter? Bei einer Attacke lassen sie sich einfach abschlachten. Natürlich verlangt keiner, dass SF 2 gleich all diese Details integriert. Natürlich muss man nicht alles von anderen abkupfern. Aber hätte man nicht wenigstens ein paar dieser Features
Drei spielbare Fraktionen:

Der Bund

Menschen, Elfen und Zwerge mit Druiden, Katapulten, Magiern, Paladinen und Baumwächtern.

Die Clans

Orks, Trolle & Barbaren mit Schamanen, Katapulten, Axtwerfern und Berserkern.

Der Pakt

Dunkelelfen, Schatten und Dämonen mit Gargoyles, Assassinen, Nachtmahren und Zerstörern.

einbauen können? Das hätte gezeigt, dass man sich auch im Bereich der Strategie Gedanken um die Spieltiefe gemacht hat. So kommt es mir vor, als hätte man den Bereich vor allem auf Einsteigerfreundlichkeit und Komfort getrimmt. Phenomic hat Feintuning für Einsteiger betrieben, aber die Wunschliste der Veteranen ignoriert.

Sinnlose Schulterperspektive

Eigentlich eine gute Idee für spannende Momente: Statt aus der erhöhten Übersicht seine Truppen in den Kampf zu schicken, kann man als Spieler auf einen Klick in die Schulterperspektive des Helden schlüpfen. Statt nüchterner Taktik würde richtiges Adrenalin im Handgemenge herrschen. Dieses Prinzip hat man schon im Vorgänger verfolgt, aber leider nicht konsequent genug umgesetzt. Hier habe ich mich wirklich auf eine Weiterentwicklung gefreut. Deshalb ist es umso enttäuschender, dass die 3rd-Person-Ansicht immer noch spielerisch und atmosphärisch sinnlos ist. Zwar kann man seinen Truppen vorgeben, dass sie dem Helden in dieser Ansicht folgen, aber das Resultat ist taktisch unbrauchbar: Warum rennen die Soldaten dem Helden bloß hinterher, anstatt ihn z.B. zu flankieren oder in einem Halbkreis zu schützen? Man stelle sich auch das erhabene Bild vor: Auf dem Weg zum nächsten Kampf joggt man hinter einer Mauer aus Schwertkämpfern oder
In Sachen Mimik und Gestik ist SpellForce 2 immer noch hölzern und wiederholungsanfällig: Es gibt kaum Unterschiede zwischen Held und NPCs.
Kavallerie! Das hätte Spaß und Sinn gemacht. Aber so hat man viel Potenzial verschenkt. Denn nicht nur für Abenteurer, die einen Magier spielen, ist diese Spitzenposition vornweg gefährlich, denn die Feinde werden als Erstes auf euch aufmerksam. Kurzum: Man vergisst die Schulterperspektive schnell und wechselt wieder zur klassischen Vogelperspektive. Gerade hier wird SF2 dem Ziel nicht gerecht, Strategie- und Rollenspiel erstklassig verbinden zu wollen. Wir sind gespannt, ob Rise & Fall: Civilizations at War die Verbindung von Hack`n Slay und Strategie hinkriegt.

Motivierende Befehlsübergabe

Dafür hat man andere Ansätze verfolgt: Eine wirklich gelungene Neuerung ist, dass man computergesteuerten Offizieren Befehle geben kann. Sie führen quasi eine eigene kleine Basis mit Truppen und fragen euch, ob sie sich eher defensiv oder aggressiv verhalten sollen, ob sie das nördliche oder südliche Orklager überfallen sollen. Dieses "Bulwark" kann nur bezwungen werden, wenn man auch die kleinen Nachschublager der Grünhäute schleift. Die Aufteilung der Aufträge auf KI-Kommandanten ist eine gute Idee, denn so braucht man sich nicht um alles alleine kümmern und kann parallele Angriffe fahren: Es macht Spaß zu sehen, wenn sich die Kolonnen auf der Minikarte selbstständig auf den Weg zum Feind machen und alles platt walzen - leider immer im langen Gänsemarsch hintereinander, statt in geordneter Formation.

Überhaupt spielt sich SF2 in den Momenten gut, wenn es nicht um kleine oder große Einzelschlachten geht, sondern um Zwei-Fronten-Situationen: Hier kommt Spannung auf, wenn ich gleichzeitig an Punkt A eine Verteidigung organisieren und an Punkt B die Befreiung eines Orkhäuptlings verhindern muss. Das sind die Situationen, in denen man endlich als Stratege gefordert wird. Und genau davon hätte SF2 einfach viel mehr bieten müssen.
            

Kommentare

Help schrieb am
Überaus löblich, wie sich 4Players nicht von Hype anstecken und durch deutsche Entwickler zureden lässt. Die Bewertung passt zur internationalen Meinung:
http://www.gamerankings.com/htmlpages2/ ... lforce%202 Durchschnitt: 80 %
während die deutsche Jubelpresse http://www.pcgamesdatabase.de/gameinfo.php?game_id=1751 durchschnittlich 88,1 % vergab (wäre 4Players herausgerechnet, wäre der Schnitt wohl über 90 %).
Auch hier sieht man mal wieder, wie deutsche Entwickler und die Werbepresse, getarnt als seriöse Konsumentenberater, die Leser veräppeln.
Bravo 4Players :)
johndoe-freename-102382 schrieb am
Ach, Spellforce ist toll. Allerdings vor allem als irre langer Kinofilm, der mit Effekten, Details und viel Liebe zum Spiel herkommt.
Für ein Strategiespiel sind die Animationen wirklich schick, besser als in Oblivion dazu auch noch.
viel zu entdecken, viel zu sehen und wer mal von Supreme Commander oder CoH eine Verschnaufpause braucht (weil, nennen wir es so, die beiden Titel sind anstrengend), ist mit diesem Teil immer gut bedient.
Und wann hatte ein Spiel das letzte Mal 60 Stunden Spielzeit? Bei mir wars Oblivion, allerdings nur dank der Fangemeinde, die immer wieder neue, tolle PlugIns brachte
luckylefti schrieb am
Ach ist das wieder schön. 11 Seiten um darüber zu diskutieren ob was stimmt oder nicht. Es leben die Foren!
johndoe-freename-79054 schrieb am
Zum Beispiel hat der Tester ganz offensichtlich auch noch nie was von der "Folgen"-Funktion gehört, die das Problem der unterschiedlichen Fortbewegungsgeschwindigkeiten eliminiert und dafür sorgt, dass genau die Einheiten zuerst ankommen, die man auch vorn haben will. :lol:
Naja, ich bin jetzt schon ein ganzes Stück im Spiel fortgeschritten und meine Meinung über den Test bestätigt sich. Ein paar Punkte (z.B. Wegfindung) sind auf jeden Fall kritikwürdig, im großen und Ganzen kann man den Test aber wieder knicken.
schrieb am