All die Kasernen, Türme, Fahrzeuge und Figuren reihen sich nahtlos in das gelungene Design ein. Die metallisch glänzenden Panzerplatten und Stahlträger sowie die von bekannt bis bizarr reichenden Einheiten laden immer wieder zum Drehen und Zoomen ein: Es gibt sowohl konventionelle Truppen als auch futuristische Amazonen, mechanische Droiden und insektoide Aliens, die sich verpuppen, klonen sowie mutieren können. Und das Schöne ist, dass ihr aufgrund des modularen Bauprinzip bis zu einem gewissen Grad selbst das Aussehen eurer Truppen bestimmen könnt: Man kann sich über wenige Klicks
|
Schlacht im Nebelfeld: Trotz schlechter Sicht sind Raketen im Sechserpack immer eine gute Wahl. |
aussuchen, welches Chassis, welchen Laser und welche Panzerung man seinem künftigen Gefährt verpassen möchte und dem Ganzen sogar noch einen Namen geben. Ihr wollt einen schnellen Buggy mit Raketenwerfer statt Laser? Kein Problem. Die Technologiebäume der Völker bieten euch so viele Zweige zum Ausprobieren, dass man sich in Anbetracht der ganzen Palette zunächst staunend umschaut und neugierig stöbert.
Und die Technik hat noch zwei weitere Joker parat: Erstens werden im Kampf selbst die Rüstungen von einzelnen Einheiten realistisch versengt und verbeult, so dass man nach einem Gefecht keinen glänzend polierten, sondern staubig demolierten Stahl auf seinem Panzer sieht - Materialverschleiß in Echtzeit. Und zweitens kommt eine Physik-Engine zum Einsatz, die euch mit der Umgebung spielen lässt: Ihr könnt z.B. eine Geröll-Lawine auslösen, indem ihr Felsen an einem Abhang so vorteilhaft anschießt, dass sie Richtung Tal und Feind donnern - auf dem Weg walzen sie alles nieder. Das Schöne ist, dass Earth 2160 laut Entwickler vor allem eine leistungsfähige Grafikkarte, aber nicht unbedingt einen ultraschnellen Prozessor benötigen soll. Ein Minimum liegt allerdings bei einer GeForce 3Ti, 1,5 Ghz samt 512 MB Ram.
Friede, Freude, Awardkuchen?
Jetzt haben wir so viel gelobt, aber so wenig kritisiert. Gibt`s denn keine Schwächen? Doch, die gibt es u.a. im Truppen-Management: Es gibt zwar die Wahl zwischen Feuerstoß und genauem Zielen sowie freiem Feuer und Feuer erwidern, aber leider keine Formationen, sondern nur die automatische Ausrichtung von Artillerie hinten und Panzern bzw.
|
Ein Technologiewald zum Austoben: Earth 2160 lässt euch bei der Forschung die Qual der Wahl. |
Infanterie vorne. Man kann z.B. auf Befehl keine Linie bilden, so dass einige hintere Soldaten oft tatenlos zusehen wie ihre vorderen Kameraden schießen - hier muss man noch umständlich oft mit Klicks nachhelfen. Auch die vielen interaktiven Deckungsmöglichkeiten hinter Stahlwänden oder in Ruinen haben noch ihre Tücken: Wir haben deutliche Reichweitenvorteile oder eine manuelle Richtungsänderung à la
Ground Control 2 vermisst. Hier muss Earth 2160 im Härtestest erst noch beweisen, ob sich das auf Dauer nachteilig auswirkt. Dazu gehört auch die bisher nur unzureichend funktionierende Vereinheitlichung der Marschgeschwindigkeit. In unseren Probekämpfen spazierten durchmischte Truppen auch nach einer Gruppenbildung noch mit langen Kolonnen statt mit kompakten Verbänden über den Mars. Das soll allerdings laut Entwickler noch genau so verbessert werden wie gelegentliche Grafikfehler, die einen Schützen z.B. mit Blick und Feuerstrahl nach Süden zeigen, obwohl im Norden ein Feind umfällt.
Sehr optimistisch stimmt wiederum die Möglichkeit der Tarnung, denn ihr könnt nicht nur Bodennebel geschickt ausnutzen, sondern auch das Tarnfeld bestimmter Einheiten aktivieren, um sie unsichtbar zu machen. Auch die Wegfindung zeigte nur selten Aussetzer und selbst Einheiten mit weit entferntem Marschbefehl kamen über die Minikarte heil und korrekt an. Zum logistischen Komfort trägt auch die wunderbare Gruppenbildung beim Truppenbau bei: Habt ihr eine Gruppe 2 weit draußen im Feld und wollt diese verstärken, verpasst ihr den Einheiten in eurer Fabrik einfach die Ziffer 2 als Ziel und schon rattert der frische Nachschub automatisch da hin, wo er gebraucht wird - das erspart wiederum umständliches Klicken. Selbst ganze Produktionspakete aus unterschiedlichen Truppentypen lassen sich hier schon einplanen.
Epische Kampagne
Ein großes Fragezeichen lassen wir für den Test noch hinter drei elementaren Wertungspfeilern stehen: dem Leveldesign, der KI und der Kampagne. Ersteres muss noch beweisen, ob es in Sachen Spielfluss und Abwechslung punkten kann. Die anfänglichen Missionen beinhalteten sowohl unterhaltsame Überraschungen und interessante Ziele als auch zähe Momente, die durch missverständliche Anweisungen bzw. eine sehr hartnäckige KI entstanden sind. Da euer Gegner bis zum letzten Mann und Rohstoff komplett autark im Hintergrund werkelt, kann es sehr langwierige Auseinandersetzungen geben, die erst mit der Zerstörung der letzten Gegnerstruktur das Ende einläuten - wir haben für die erste Mission z.B. 75 Minuten gebraucht.
Dafür ist die Freude nach dem Sieg umso größer, da alle Einheiten Erfahrungspunkte gewinnen und ihr Veteranen sogar in die nächste Mission übernehmen könnt. Das ist ein großer Pluspunkt für Earth 2160, denn so kann man sich wesentlich besser mit seinen Einheiten identifizieren und ist stets bemüht, Kanonenfuttertaktiken zu vermeiden und klug vorzugehen. Trotzdem muss der schmale Grad zwischen Herausforderung und Frust über die Missionsziele gemeistert werden - wir sind gespannt, ob Reality Pump diesen Spagat leisten kann. Insgesamt wird es übrigens drei
|
Raser mit Raketenaufsatz Marke Eigenbau. Im Baukasten könnt ihr komfortabel neue Fahrzeuge zaubern. |
Schwierigkeitsgrade geben, die laut Entwickler nicht einfach durch mehr oder weniger Hitpoints, sondern durch mehr oder weniger komplexe Verhaltensweisen bestimmt werden: In der leichten Stufe greifen euch Kontrahenten vielleicht ohne das Ausnutzen ihrer Flugfähigkeit an, während sie in der normalen aus der Luft attackieren und in der schweren sogar aus zwei Richtungen kommen.
Die Kampagne soll euch über 100 Stunden (!) mit allen vier Völkern vertraut machen und eine umfangreiche Story aus zwei Perspektiven erzählen - das wäre meines Wissens ein Epos, das es in dieser Opulenz noch nicht im Genre der Echtzeit-Strategie gegeben hat. Unsere Spielzeit hat allerdings noch nicht ausgereicht, um die Qualität in Sachen Spannungskurve, Charaktere und Plot zu beurteilen. Die ersten Zwischensequenzen in Spielgrafik wurden jedenfalls sehr gekonnt inszeniert und die Story kommt dank mysteriöser fremder Lebensformen recht schnell in Gang. Bisher schien uns Held Falkner allerdings noch ein bisschen zu blass im Vergleich zu den skurrilen virtuellen Agenten, die wesentlich knackiger wirken. Aber vielleicht entwickelt er sich ja im Laufe des Abenteuers noch? Zeit genug hat er.