Kein Entkommen
„Willst du beim Spielen aktiv sein und deinen Körper einsetzen?“, fragt mich der nette Mann, bevor er mir die VR-Brille aufsetzen und mich von der realen Welt in die virtuelle Apokalypse entführen möchte. Ich zögere einen Moment und antworte: „Klar, warum nicht?“. Eine gute Entscheidung, wie sich später herausstellen sollte. Zunächst bin ich bei meiner Ankunft im zombieverseuchten Washington enttäuscht, denn genau wie schon bei HoloLens versagte auch hier die im Vorfeld durchgeführte Kalibrierung. Statt eines halbwegs scharfen 3D-Bildes erwarteten mich extrem starke Doppelkonturen und alles war verschwommen. Und das erwies sich spätestens in den Auseinandersetzungen mit der untoten Meute als sehr störend, auch wenn die übertriebenen Zielhilfen das Schlimmste verhinderten. Ein Zeichen dafür, dass die Technologie noch nicht ausgereift ist oder irgendetwas mit meinen (eigentlich guten) Augen nicht stimmt? Ich tippe und hoffe auf Ersteres, wurde das StarVR-Headset doch erst im Juni enthüllt und war auch bei unserem ersten Antesten im Sommer noch ein früher Prototyp. Nach Gesprächen mit Kollegen hatten diese augenscheinlich mit ähnlichen Problemen zu kämpfen und die Kalibierung lieferte nicht die gewünschten, knackscharfen Ergebnisse.
Wegrennen ist nicht drin: Man ist zwar bewaffnet, aber an einen Rollstuhl gefesselt.
Abgesehen von den technischen Problemen hatte mich die VR-Experience in Kirkmans Apokalypse aber schnell gepackt. Nicht nur, weil die Abschottung von der realen Welt und die lauten Kopfhörer auf den Ohren die Immersion enorm steigern. Auch deshalb, weil ich meine Ausgangslage so beklemmend finde: Ich bin kein ausgebildeter Soldat oder ein Polizist wie Rick im Comic oder der TV-Serie. Ich bin noch nicht einmal ein gewöhnlicher Zivilist, der zur Not die Beine in die Hand nehmen und vor der heranstürmenden Meute davonlaufen kann. Nein. Denn ich sitze hier. An einen Rollstuhl gefesselt. Ohne Waffe. Und ich kann mich in den ersten Minuten dieser beeindruckenden Techdemo nur umsehen, während das bedrohliche Stöhnen immer näher kommt und zwei Typen im Nachbarraum wild darüber diskutieren, ob sie mich in meinem Rollstuhl überhaupt mitnehmen oder diesen Fleisch-Ballast nicht doch besser zurücklassen sollen. Kurz gesagt: Meine Lage könnte wohl kaum schlimmer sein!
Intensive Flucht
Die Plastik-Shotgun ist - genau wie das StarVR-Headset - mit Sensoren ausgestattet, um die Position und Aktionen zu erfassen.
Zu meinem Glück gehen sie das Risiko ein und kurz bevor mich der erste Untote anknabbern kann, werde ich durch die engen Gänge des verwüsteten Gebäudes geschoben. Was für ein Gefühl! Da ich ebenfalls auf einem Stuhl sitze, identifiziere ich mich noch stärker mit dem, was dort auf dem Bildschirm passiert und kann perfekt in die Rolle der Spielfigur hinein tauchen. Es ist in mehrerer Hinsicht eine clevere Idee, mein Alter Ego aus der virtuellen Realität in einen Rollstuhl zu setzen: Zum einen umgeht man dadurch das typische Steuerungsproblem, sich mit einem Controller oder einer aufwändigen Vorrichtung per pedes durch die VR-Welt bewegen zu müssen, was unter Umständen auch die so genannte Motion Sickness fördern kann und Übelkeit hervorruft. Zum anderen verstärkt die eingeschränkte Bewegungsfreiheit und Abhängigkeit das Gefühl der Bedrohung und Hilflosigkeit. Ganz nüchtern betrachtet ist diese Art der VR-Erfahrung aber eigentlich nichts anderes als der klassische Schienen-Shooter, der eher wie ein interaktiver Film wirkt. Aber das ist ein Kompromiss, mit dem ich mich als Fan von Segas Zombiehatz oder Dead Space Extraction anfreunden kann.