Vorschau: Might & Magic Showdown (Taktik & Strategie)

von Jörg Luibl



Might & Magic Showdown (Taktik & Strategie) von Ubisoft
Miniaturen im Komborausch
Publisher: Ubisoft
Release:
Q4 2017
Spielinfo Bilder Videos
Ubisoft hat kürzlich Might & Magic Showdown für PC angekündigt. Der von Ubisoft Montreal und Funhouse entwickelte Titel bietet taktische Spieler-gegen-Spieler-Gefechte mit Miniaturen und ist bereits für knapp 20 Euro über Early Access erhältlich. Ob sich der Einstieg lohnt, verrät die Vorschau.

Die Statik der Automatismen

Ich warte, bis der eine Abkühltimer abgelaufen ist, dann klicke ich auf "Fire Missiles". Ich warte bis der nächste abgelaufen ist, dann klicke ich auf "Sundering Strike". Während ich so meinen Helden attackieren lasse, leisten meine Unterstützer an den Seiten automatisch ihre vordefinierte Arbeit, ohne dass ich noch etwas anklicken muss. Meinen Zauberer habe ich im Taktikeditor angewiesen, möglichst den stärksten Gegner mit einer Kombo aus vier mal "Lightning Shock" sowie einem finalen "Lightning Blot" zu beharken - bis zu fünf Plätze kann man zu einer Kette formen. Mein Ork soll dasselbe machen, mein Heiler soll jeweils den mit den wenigsten Lebenspunkten aufpeppeln.

Die Kontrahenten sind bereit, gleich geht es los.
Die Kontrahenten sind bereit, gleich geht es los.
Ich lehne mich zurück, registriere den verteilten Schaden, das läuft auch alles ganz gut und wird ansprechend inszeniert. Ubisoft Montreal zeigt hübsch modellierte Figuren, die sich geschmeidig bewegen und man kann die Kamera jederzeit auf einen Helden fixieren, um die wuchtig inszenierten Kämpfe mit ihren bunten Effekten genauer zu betrachten. Aber obwohl auch spektakuläre Feuerzauber und mächtige Bestien in den Arenen zu sehen sind, lassen mich diese Gefechte vollkommen kalt. Nicht als Rollenspieler, sondern als Taktiker und Freund von klassischen Tabletops mit Miniaturen. Das liegt vor allem daran, dass das Spielprinzip kaum etwas von der Faszination dieses Hobbys replizieren kann.

Viel zu kleine Arenen

Für jede Figur kann man eigene Komboketten definieren.
Für jede Figur kann man eigene Komboketten definieren.
Erstens sehen die "Dioramen", also die Kulissen, in denen man kämpft, nicht nur alle gleich aus, sondern sie sind schrecklich klein und es gibt keinerlei relevantes Gelände - alles ist flach, Fallen, Anhöhen oder Hindernisse sind Fehlanzeige. Zweitens bewegt man sich nicht rundenweise über Hexfelder oder zu einem Zielort, sondern kann lediglich mit seinem Helden den nächsten Feind anklicken, während alle anderen im Team wie oben erwähnt automatisch agieren. Damit fällt die Bewegung sowie die Deckung, wichtige Elemente in jedem klassischen Tabletop, komplett weg. Natürlich muss man für die Echtzeit einige Kompromisse für den Spielfluss eingehen, aber so geht viel an Miniaturenflair verloren, das andere Spiele wie Wartile deutlich besser einfangen.

Die "Kampagne" ist lediglich ein 30-stufiges Tutorial.
Die "Kampagne" ist lediglich ein 30-stufiges Tutorial.
Ein Symbol für die Absurdität ist dann, dass es tatsächlich einen Button für "Formationen" gibt, so dass man seine Hand voll Figuren offensiv oder defensiv aufstellen kann, so dass der Heiler ganz hinten steht - was spätestens mit dem Start des Kampfes keinerlei Rolle mehr spielt, denn jeder läuft nach seinen vordefinierten Taktiken umher, es gibt keine Flankierungsboni oder Hinterhalte, sondern letztlich immer ein buntes Tohuwabohu, bei dem es um knallhartes "Damagedealen" an vorderster Front geht. Auch die acht Werte einer Figur, von Health über Energy bis Speed gehen für die Planung oder Entwicklung komplett unter.

Wenig Miniaturencharme

Die Ernüchterung rührt auch daher, dass die Gefechte so extrem auf das Aktivieren von effizienten Komboketten reduziert werden, dass man lediglich
Im Gefecht geht es ansehnlich, aber stark automatisiert zur Sache.
Im Gefecht geht es ansehnlich, aber stark automatisiert zur Sache.
auf die Abkühlleiste schaut. Ja, es gibt auch Bereichsschaden, Ausweichmanöver, Buffs und Debuffs sowie Magietypen, die sich gegenseitig kontern. Das ist also kein Selbstläufer, bei dem man alles anklicken kann und gewinnt. Man muss beim Anlegen seiner fünfstufigen Ketten auf die Art der Gegner reagieren und sich mit alternativen Kombos vorbereiten. Aber schon im Laufe der "Kampagne", die übrigens den Namen nicht verdient, weil es lediglich ein Tutorial über 30 Stufen ohne Story ist, wird man der immer gleichen Aktionen müde.

Was bleibt mir als Miniaturenliebhaber? Wenig. Zwar sind die freischaltbaren Figuren recht ansehnlich, aber auf einen Klick kann ich Zauberer, Minotaurus & Co mit "Classic" schon viel zu gut vorbemalen. Wer etwas Individualität hineinbringen will, kann den Körper oder die Waffen der Figuren selbst nicht modifizieren, aber dafür auf diverse Paletten mit zig Farben und Materialien zugreifen. Hinzu kommen freischaltbare Vorbemalungen wie "Dark Leopard" oder "Good and Evil". Apropos: Ubisoft berieselt mich von Anfang an sehr penetrant mit Freischaltbarem sowie unsinnigen Erfolgen wie "The Spender", weil ich z.B. gerade 3500 Credits der virtuellen Währung investiert habe. Und natürlich deutet dieses System darauf hin, dass es im finalen Spiel zig Mikrotransaktionen geben wird.
 

AUSBLICK



Ich liebe Tabletop, sammle seit vielen Jahren Miniaturen und bemale sie. Außerdem steh ich auf Taktik im kleinen Verband. All das müsste eigentlich dafür sorgen, dass dieses Might & Magic Showdown meinen Nerv trifft. Aber nach der anfänglichen Neugier auf das, was Ubisoft Montreal da angesichts der Faszination des Hobbys vor hat, Stichwort: "Kindheitserinnerungen", stellte sich innerhalb der kleinen Arenen schnell Ernüchterung ein. Bei automatisierter Bewegung und ohne jegliche Geländetaktik geht es in Echtzeit nur darum, möglichst effektive Kombos auszulösen. Zwar wird das alles ansprechend visualisiert, man muss sein Team auf den Gegner und seine Schwächen einstellen, außerdem kann man eigene Ketten mit zig Eventualitäten vordefinieren - das ist durchaus anspruchsvoll. Aber will man damit eSportler ansprechen oder Fantasytaktiker? Letztlich fühle ich mich hier eher wie ein Abkühltimer-Beobachter als der Anführer einer Truppe, die mir so ans Herz wächst, dass ich sie individuell bemalen will. Wozu auch, wenn es vordefinierte Stile auf einen Klick gibt? Hinzu kommt ein unheimlich penetrantes Erfolge- und Freischaltungssystem für nahezu alle Bereiche des Spiels inklusive Währung, das mich ständig berieselt. Die "Kampagne" verdient aktuell übrigens den  Namen nicht, denn sie ist nur ein 30 Stationen langes Tutorial von Anfänger bis Experte ohne erzählerischen Rahmen. Falls ihr Miniaturen und Tabletop liebt, empfehle ich euch eher Wartile von Playwood Project. Die Dänen fangen das Flair dieses Hobbys deutlich besser ein.

Einschätzung: ausreichend

Kommentare

LeKwas schrieb am
Wird nix mehr draus, nach einer erfolglosen Early Access Phase (meiste Zeit unter 25 Spieler gleichzeitig, Spitzenwert bei 78, Besitzerzahlen schwankten zwischen ca. 5.600 und 3.000 zuletzt) wurde das Spiel gestern aus dem Store genommen, und die Server gehen am 31. Juli vom Netz:
https://steamcommunity.com/games/517070 ... 5220124345
http://steamcharts.com/app/517070#All
http://steamspy.com/app/517070
Sie möchten bis Ende des Monats auch bei Anfrage den vollen Kaufpreis an die verbliebenen Spieler zurückerstatten.
BlackStone schrieb am
Schade, dass der Fokus wohl eindeutig auf simpel und schnell inszenierten MP-Gegurke liegt. Die Vorlage hätte zu so viel mehr getaugt.
Aber danke, für den Hinweis auf Wartiles, das werd ich definitiv im Auge behalten - auch wenn es wohl auch Echtzeit und nicht Rundenbasiert ist.
schrieb am