Die Statik der Automatismen
Ich warte, bis der eine Abkühltimer abgelaufen ist, dann klicke ich auf "Fire Missiles". Ich warte bis der nächste abgelaufen ist, dann klicke ich auf "Sundering Strike". Während ich so meinen Helden attackieren lasse, leisten meine Unterstützer an den Seiten automatisch ihre vordefinierte Arbeit, ohne dass ich noch etwas anklicken muss. Meinen Zauberer habe ich im Taktikeditor angewiesen, möglichst den stärksten Gegner mit einer Kombo aus vier mal "Lightning Shock" sowie einem finalen "Lightning Blot" zu beharken - bis zu fünf Plätze kann man zu einer Kette formen. Mein Ork soll dasselbe machen, mein Heiler soll jeweils den mit den wenigsten Lebenspunkten aufpeppeln.
Die Kontrahenten sind bereit, gleich geht es los.
Ich lehne mich zurück, registriere den verteilten Schaden, das läuft auch alles ganz gut und wird ansprechend inszeniert. Ubisoft Montreal zeigt hübsch modellierte Figuren, die sich geschmeidig bewegen und man kann die Kamera jederzeit auf einen Helden fixieren, um die wuchtig inszenierten Kämpfe mit ihren bunten Effekten genauer zu betrachten. Aber obwohl auch spektakuläre Feuerzauber und mächtige Bestien in den Arenen zu sehen sind, lassen mich diese Gefechte vollkommen kalt. Nicht als Rollenspieler, sondern als Taktiker und Freund von klassischen Tabletops mit Miniaturen. Das liegt vor allem daran, dass das Spielprinzip kaum etwas von der Faszination dieses Hobbys replizieren kann.
Viel zu kleine Arenen
Für jede Figur kann man eigene Komboketten definieren.
Erstens sehen die "Dioramen", also die Kulissen, in denen man kämpft, nicht nur alle gleich aus, sondern sie sind schrecklich klein und es gibt keinerlei relevantes Gelände - alles ist flach, Fallen, Anhöhen oder Hindernisse sind Fehlanzeige. Zweitens bewegt man sich nicht rundenweise über Hexfelder oder zu einem Zielort, sondern kann lediglich mit seinem Helden den nächsten Feind anklicken, während alle anderen im Team wie oben erwähnt automatisch agieren. Damit fällt die Bewegung sowie die Deckung, wichtige Elemente in jedem klassischen Tabletop, komplett weg. Natürlich muss man für die Echtzeit einige Kompromisse für den Spielfluss eingehen, aber so geht viel an Miniaturenflair verloren, das andere Spiele wie
Wartile deutlich besser einfangen.
Die "Kampagne" ist lediglich ein 30-stufiges Tutorial.
Ein Symbol für die Absurdität ist dann, dass es tatsächlich einen Button für "Formationen" gibt, so dass man seine Hand voll Figuren offensiv oder defensiv aufstellen kann, so dass der Heiler ganz hinten steht - was spätestens mit dem Start des Kampfes keinerlei Rolle mehr spielt, denn jeder läuft nach seinen vordefinierten Taktiken umher, es gibt keine Flankierungsboni oder Hinterhalte, sondern letztlich immer ein buntes Tohuwabohu, bei dem es um knallhartes "Damagedealen" an vorderster Front geht. Auch die acht Werte einer Figur, von Health über Energy bis Speed gehen für die Planung oder Entwicklung komplett unter.
Wenig Miniaturencharme
Die Ernüchterung rührt auch daher, dass die Gefechte so extrem auf das Aktivieren von effizienten Komboketten reduziert werden, dass man lediglich
Im Gefecht geht es ansehnlich, aber stark automatisiert zur Sache.
auf die Abkühlleiste schaut. Ja, es gibt auch Bereichsschaden, Ausweichmanöver, Buffs und Debuffs sowie Magietypen, die sich gegenseitig kontern. Das ist also kein Selbstläufer, bei dem man alles anklicken kann und gewinnt. Man muss beim Anlegen seiner fünfstufigen Ketten auf die Art der Gegner reagieren und sich mit alternativen Kombos vorbereiten. Aber schon im Laufe der "Kampagne", die übrigens den Namen nicht verdient, weil es lediglich ein Tutorial über 30 Stufen ohne Story ist, wird man der immer gleichen Aktionen müde.
Was bleibt mir als Miniaturenliebhaber? Wenig. Zwar sind die freischaltbaren Figuren recht ansehnlich, aber auf einen Klick kann ich Zauberer, Minotaurus & Co mit "Classic" schon viel zu gut vorbemalen. Wer etwas Individualität hineinbringen will, kann den Körper oder die Waffen der Figuren selbst nicht modifizieren, aber dafür auf diverse Paletten mit zig Farben und Materialien zugreifen. Hinzu kommen freischaltbare Vorbemalungen wie "Dark Leopard" oder "Good and Evil". Apropos: Ubisoft berieselt mich von Anfang an sehr penetrant mit Freischaltbarem sowie unsinnigen Erfolgen wie "The Spender", weil ich z.B. gerade 3500 Credits der virtuellen Währung investiert habe. Und natürlich deutet dieses System darauf hin, dass es im finalen Spiel zig Mikrotransaktionen geben wird.