Vorschau: Das Schwarze Auge: Book of Heroes (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



Das Schwarze Auge: Book of Heroes (Rollenspiel) von Wild River Games
Weder episch noch diabolisch
Entwickler:
Publisher: Wild River Games
Release:
09.06.2020
Spielinfo Bilder Videos
Im August 2019 wurde Das Schwarze Auge: Book of Heroes angekündigt. Das Action-Rollenspiel wird vom kleinen finnischen Studio Random Potion entwickelt und soll im Frühjahr 2020 für den PC rein digital für etwa 30 Euro erscheinen. Dazu gibt es eine prominente Randnotiz: Als Publisher zeichnet Wild River verantwortlich, das internationale Gaming-Label des Distributors EuroVideo, das neben Marc Forster auch Will "The Fresh Prince" Smith gehört. Ist hier ein Geheimtipp im Anmarsch?


Wunder und Magie?

Weil ich Das Schwarze Auge schon als Pen&Paper auf dem Tisch gespielt habe und die Nordland-Trilogie von Attic noch in Erinnerung habe, hat mich dieses Spiel neugierig gemacht - vier Rassen, zwölf Klassen, dazu das klassische Regelwerk, also ab nach Aventurien! Und was sagte Marc Wadenga, Head of Games bei Wild River, noch bei der Ankündigung? Das hier: "Wir freuen uns, dieser Welt mit all ihren Wundern, ihrer Magie und ihren reichhaltigen Geschichten, mit Book of Heroes ein neues Kapitel hinzufügen zu können." Natürlich begegnet man diesen Aussagen als Journalist immer mit Skepsis, aber was man mir als Fantasyfan dann präsentierte, war einfach nur ernüchternd.

Selbst wenn ich natürlich berücksichtige, dass laut Producer Michael Hengst ein "kleines Zehn-Mann-Team" hier - trotz der namhaften Lizenz - kein episches Rollenspiel à la Baldur's Gate 3, Divinity: Original Sin 2 oder Pillars of Eternity 2 inszenieren will, sondern einen kooperativen Dungeon-Crawler, in dem vier Helden gemeinsam in Draufsicht losziehen, um fette Beute zu machen, war der vorgespielte Modus für Solisten ein Graus. Nicht nur, dass es keinerlei natürliche Figurenreaktionen gab: Die computergesteuerten Gefährten handeln ja komplett automatisch, ohne taktische Befehle oder Pausefunktion, so dass sie letztlich wie wild und teilweise dämlich durch den Dungeon hetzen. Der Anführer schleicht? Die anderen nicht. Sie steigen nicht mal auf! Identifikation? Null.

Dungeons ohne Anziehungskraft

In der Draufsicht erkundet ihr Dungeons mit bis zu vier Freunden.
In der Draufsicht erkundet ihr Dungeons mit bis zu vier Freunden.
Warum bietet man diesen hanebüchenen Solomodus überhaupt an? Da hätte ein Tutorial zum Aufwärmen für den Multiplayer gereicht! So macht sich dieses Action-Rollenspiel sofort angreifbar, denn eine "Kampagne" wird natürlich bewertet. Beim eigentlichen Kern des Spiels, dem anvisierten kooperativen Erlebnis mit Fremden oder Freunden, sieht es zwar etwas besser aus: Man wählt einen Charakter samt gewisser Moral und persönlichem Hintergrund, der eine individuelle Quest à la "Finde den Banditen mit dem Amulett" beinhaltet, und startet ein privates oder öffentliches Spiel. Die Kulisse wirkt samt zoom-, aber nicht drehbarer Kamera sauber, es gibt nette Beleuchtungen, aber das ist alles andere als spektakulär. Und von einer Magie oder einem "Sense of Wonder", was ja alles auch über Artwork und Musik entstehen kann, wie u.a. Darkest Dungeon oder Legend of Grimrock bewiesen haben, ist nichts zu spüren.

Immerhin soll man nicht nur Monster verkloppen, um an Silber zu kommen, sondern an Türen lauschen, Fallen mit Markern versehen, Bier vergiften, Statuen untersuchen und kleinere Rätsel über Druckplatten oder Symbole lösen, so dass zumindest etwas Rollenspielflair im Team aufkommen kann. Wer in einem Dungeon stirbt, verliert übrigens alle dort gefundene Ausrüstung. Außerdem sammelt man keine Erfahrung samt Levelaufstieg wie in D&D, sondern verteilt Aktionspunkte. Aber warum hat man das Schleichen im Multiplayer deaktiviert? Überall findet man faule Kompromisse. Zu Beginn der Erkundung soll ein Dungeon Master übrigens kurz etwas sagen, aber dann bleibt er still - dabei hätte gerade eine weitere Kommentierung für Stimmung sorgen können...

dsjfhksjdfhg
In der Taverne sucht ihr neue Quests und managt eure Ausrüstung.
Im Kampf geht es nicht um schnelles Geklicke à la Diablo oder Echtzeit-Timing samt Ausweichen, Block und Konter, sondern da werden auf Grundlage des DSA-Regelwerks Nah-, Fernkampf sowie Magie inszeniert, so dass alles recht gemütlich abläuft - wenn man es freundlich ausdrücken will. Wie taktisch oder fordernd das ist, muss sich noch zeigen. Als Basis dient die unter Aventurien-Reisenden bekannte Taverne "Der Schwarze Keiler", die allerdings noch schrecklich statisch anmutet. Es gibt eine Weltkarte, auf der man sich zu weiteren Gebieten bzw. Dungeons teleportieren kann, wobei der Bedrohungslevel zwischen 1 und 10 variiert; zum Release soll es deutsche Texte geben. Aber was hilft das, wenn man weder als klassischer Rollenspieler mit Storyfokus noch Freund spannender Dungeon-Crawler gut unterhalten wird?

 

AUSBLICK



Was für eine Ernüchterung! Da hat man eine prominente Lizenz mal eben an ein unerfahrenes Team in Finnland vergeben, das sich scheinbar nicht wirklich mit der Entwicklung des Spieldesigns oder diesem Genre auseinander gesetzt hat. Wie kann man denn 16 bis 18 Jahre nach Action-Rollenspielen wie Dungeons & Dragons: Heroes, Baldur's Gate: Dark Alliance oder Champions of Norrath so ein steriles und langweiliges Abenteuer veröffentlichen wollen? Ja, das wird Midprice. Ja, das ist ein kleines Team. Aber das ist weder Fisch noch Fleisch, weder episches Rollenspiel noch spektakuläres Hack&Slay. Das ist für echte DSA-Fans zu inkonsequent, für lockere Beutejäger zu uncool. Und wer kam auf die Idee, dieses kooperative Multiplayer-Konzept um einen eigenen Solomodus zu erweitern, bei dem die Gefährten automatisch, ohne Befehle und damit wie blöde durch Dungeons hetzen? Ich empfehle: streichen! Lediglich die wenigen Rollenspieltugenden, wie das Lauschen an Türen, die Fallen sowie Rätsel verhelfen diesem Abenteuer im Team noch zu einem ausreichenden Ausblick.

Einschätzung: ausreichend

Kommentare

LeKwas schrieb am
Warum bietet man diesen hanebüchenen Solomodus überhaupt an?
Naja, glaubt hier denn jemand ernsthaft, dass nach Release eine ausreichend große Playerbase für so einen Nischentitel bestehen bleibt? Das war doch auch schon bei Sword Coast Legends ein Problem trotz der international weithin bekannten D&D Lizenz, und für die wahrscheinlich meisten Spieler dürfte der Solomodus das einzige sein, was diese zu Gesicht bekommen können.
Mangogul schrieb am
Die alte Nordlandtrilogie war der Hammer. Das was hier manche schreiben ... nicht so.
Man brauchte tatsächlich bestimmte Kleidung, bei bestimmten Wetter, was ja auf der Reisekarte gezeigt wurde, um nicht KRANK zu werden. Stiefel und Schuhe haben sich abgelatscht und man hat beim Wandern Schaden genommen.
Ich habe das in den 90ern gespielt und vor ein paar Jahren habe ich nochmals die komplette alte Trilogie gespielt.
Die neue HD Umsetzung hat einfach manche Zauber abgewandelt, so dass sie nicht mehr dem Regelwerk entsprechen. Als ich das gemerkt hab, hab ich es auch nicht weiter gespielt. Ganz abgesehen davon, dass es eh schlecht programmiert wurde.
DSA habe ich früher auch als Pen und Paper gespielt und es ist eigentlich unfassbar, dass es bis auf Attic ( von denen kommt nämlich die alte Trilogie ) bis heute noch niemand geschafft hat, ein gutes Spiel dafür zu entwickeln.
Drakensang war auch nur so .. naja. Das war mir zuwenig Rollenspiel.
Und DSA hat eines der am besten ausgearbeiteten Fantasy-Regelwerke die es gibt. Wenn nicht das beste.
rhymee schrieb am
Grimmbold hat geschrieben: ?12.02.2020 12:01 >> Angeblich sollte das ja als D&D-Titel erscheinen - aber WotC hat die Lizenz nicht rausrücken wollen.
Das ist doch eh die Geschichte von DSA:
"Hallo TSR, wir sind Schmidt Spiele, wir haben keine Ahnung von RPGs, aber wir haben gesehen, dass Nerds dafür Geld ausgeben. Bekommen wir eine Lizens? Für viel weniger Geld als ihr wollt?" - "NÖ!" - BITTTEEE!" - "NAHEIN!" - "MENNO! Machen wir halt was eigenes, wie schwer kanns denn sein! Was finden Nerds [in den 80ern] denn Cool? Ivanhoe & Excalibur, Röde Orm, 3 Musketiere und Winetou! OK! Schmeissen wir alles in eine Zeitlinie, noch Orks dazu und Magie - Magie muss sich reimen!"
Tada, DSA ist geboren...
:lol: Word! In dem Sinne werden die Spiele ja der Pen&Paper-Vorlage gerecht :D
LeKwas schrieb am
Todesglubsch hat geschrieben: ?13.02.2020 11:33Naja, jetzt ist Drakensang ein Online-Hack'n'Slay, da wird kein Teil mehr kommen.
Das Spiel hat allerdings auch keine DSA Lizenz mehr und ist ein reines Spinoff.
Es gab mal ein offizielles DSA-Browsergame mit Lizenz namens 'Herokon Online'. Dieses aber war nur sehr kurzlebig, und nach der Insolvenz der Silver Style Studios in Berlin (deselben Leute haben z.B. auch das stark verbuggte RPG 'The Fall: Last Days of Gaia' gemacht) gingen die Server offline.
Todesglubsch schrieb am
Hans_Wurst80 hat geschrieben: ?12.02.2020 12:51 Die Nordlandtrilogie hat wahrscheinlich mehr Schwächen als Stärken, da geh ich schon mit. Daher wäre mir eben auch ein an Drakensang orientiertes Spiel deutlich lieber. Was hab ich das Mitte der 2000er gern gespielt.
Ja, die beiden Drakensangs waren in Ordnung. Klar, etwas mehr Feinschliff wäre schön gewesen und ein paar Designmacken gab es auch. Wieso gab es im ersten Teil beispielsweise so viele Begleiter - aber keiner hatte Charakter?
Im zweiten Teil dann das genaue Gegenteil: zu wenig Begleiter und der einzige Magier kann einem auch noch weggenommen werden. Außerdem war die Story im zweiten Teil zwar sehr DSA-like, aber eben nicht die Story des Hauptcharakters, sondern Ardos (hieß er so?) Geschichte.
Der erste Teil hatte dafür ein paar Lorebrüche: Einerseits gab's keine weiblichen Zwerge, weil sie ja sehr selten sind, Lore-blabla (wahrer Grund: kein Geld mehr für ein weiteres Charaktermodell). Andererseits hatte man kein Problem, wenn ein Zwergenheld die Hauptquest eines Drachenorakels erfüllt. Da war die Lore plötzlich egal.
Oh und vom Add-on zum zweiten Teil will ich garnicht erst reden. Zusammengeflickter Resterampenmatsch.
Naja, jetzt ist Drakensang ein Online-Hack'n'Slay, da wird kein Teil mehr kommen.
schrieb am