Vorschau: Atlas Fallen (Rollenspiel)

von Matthias Schmid



Atlas Fallen (Rollenspiel) von Focus Entertainment
Weniger Soulslike wagen!
Entwickler:
Release:
10.08.2023
10.08.2023
10.08.2023
Jetzt kaufen
ab 33,99€

ab 29,99€
Spielinfo Bilder  
Deck 13 ist zurück: Das deutsche Entwicklerstudio, das uns Lords of the Fallen, Venetica und die beiden The Surge-Spiele bescherte, hat eine neue IP entwickelt und will sie schon Mitte Mai auf die Spielerschaft loslassen. Atlas Fallen ist ein großes Fantasy-Action-RPG mit halboffener Spielwelt und rassigen Hack'n'Slay-Kämpfen – wir konnten die PC-Version bereits mehrere Stunden lang spielen und sind angetan. Wie sich der Titel technisch schlägt, wie Spielwelt und Kampfsystem angelegt sind und warum überraschend wenig Soulslike drin steckt, das und noch mehr verraten wir in unserer Vorschau.

Seelenspiele


Seit rund zehn Jahren befasst sich Deck 13, eines der namhaftesten deutschen Spielestudios, mit beinharten Action-Rollenspielen, die man gemeinhin unter dem Begriff "Soulslikes" zusammenfasst: Mit Lords of the Fallen aus dem Jahr 2014 waren die Frankfurter sogar richtig früh dran mit so einer Art Spiel. Zwei gelungene The Surge-Abenteuer später heben sie eine neue Marke aus der Taufe, "die Spielende in eine halboffene, sandbedeckte Welt voller alter Geheimnisse und Bedrohungen entführt, in der sie auf zwei mysteriöse Kämpfer treffen, die mit sanddurchtränkten Waffen gegen legendäre Kreaturen kämpfen.“ Im O-Ton der Pressemitteilung klingt das noch etwas holprig und bemüht, wer die Welt von Atlas Fallen aber betritt, der hat sofort das Gefühl, dass hier jemand Bock hatte, eine eigenständige Fantasy-Welt auf die Beine zu stellen: mittelalterlich anmutende Siedlungen, windschiefe Burgen, die sich an schroffe Felsformationen klammern, sandige Wüsten und gigantische Höhlen voller bodenloser Abgründe. Am Horizont thront ein erhabener Titan, derweil kämpft man als Spieler mit wuchtigen Nahkampf-Kombos gegen Sandwürmer, Riesenkrebse & Co. Sofort stürmen die Vergleiche auf erfahrene Zocker ein: Der Gigant in der Ferne lässt an die Xenoblade Chronicles-Reihe denken, die große halboffene Spielwelt und das spaßige Surfen über den Sand sind mit dem kürzlich erschienenen Forspoken vergleichbar. Die bleischwere Stimmung im kargen Felsendort wiederum weckt Erinnerungen an NieR und der Inszenierung der Kämpfe wohnt eine große Portion Darksiders inne.

Schmutziger Sand-Look, ein Hauch von Mittelalter-Mad-Max, dazu Männer und Frauen mit Umhängen und Gesichtsmasken. Das ist die Stimmung in Atlas Fallen.
Schmutziger Sand-Look, ein Hauch von Mittelalter-Mad-Max, Männer und Frauen mit Umhängen und Gesichtsmasken. Das ist die Stimmung in Atlas Fallen.
Nach mehreren spaßigen Stunden mit Atlas Fallen hat mich vor allem überrascht, dass sich das Spiel mehr wie ein großes Action-Adventure und nicht wie ein Soulslike-Rollenspiel anfühlt. Nach Lords of the Fallen und The Surge 1+2 dachte ich mir: Ich bin kein großer Kenner und Fan dieser heutzutage so beliebten Spielart, den Test sollten dann mal die Soulslike-affinen Kollegen Boris oder Eike übernehmen. Eine Preview-Reise in das geschundene Land mit den Sandmonstern traute ich mir aber durchaus zu. Und dann bin ich in den ersten zwei Stunden (auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad) kein einziges Mal gestorben! Klar, es gibt Elemente wie man sie aus Soulslikes kennt, aber für mich stecken da mehr Darksiders, Kingdoms of Amalur oder Immortals: Fenys Rising drin. Meine Vorschau-Reise beginnt in einer felsigen Höhle, wo mir die ersten Feinheiten des vielschichtigen Kampfsystems beigebracht werden: Mit perfekt getimten Paraden verwandle ich Feinde in Salzsäulen, dabei weist ein kluger kleiner Indikator stets darauf hin, wann und aus welcher Richtung eine Attacke zu erwarten ist. Meine Schläge füllen derweil kleine grüne Punkte am unteren Bildrand auf, die ich dann in Gesundheits-Boosts verwandeln kann. Atlas Fallen arbeitet also nicht mit einer beschränkten Anzahl an Tränken, die erst am Lagerfeuer wieder aufgefüllt werden, sondern belohnt offensives Spielen mit Heil-Items. Das gefällt mir.

Momentum & Essenzsteine


Auch unter der Erde gibt es Spannendes zu entdecken in der Fantasy-Welt von Atlas Fallen.
Auch unter der Erde gibt es Spannendes zu entdecken in der Fantasy-Welt von Atlas Fallen.
Generell haben mich die vielen Details und Feinheiten der Kampf- und Spiel-Mechaniken in den ersten Stunden zwar nicht erschlagen, aber doch überrascht: Zum einen ist da dieser mysteriöse Handschuh an meinem Arm, dem eine Art Geist innewohnt und mit dem mein Held nicht nur Speicher-Ambosse aktivieren, sondern auch grün schimmernde Sand-Plattformen aus dem Boden sprießen lässt. Ich kann Rüstungen anlegen und diese in verschiedenen Kategorien hochleveln, dazu habe ich eine Primär- sowie eine Sekundärwaffe, die ich mit sogenannten "Essenzsteinen" pimpen kann. Die werden aktiv, sobald die Momentum-Anzeige – eine Art Kombo-Leiste am unteren Bildrand – die Stelle erreicht hat, wo ich sie platziert habe. Ein interessantes Konzept: So erhaltet ihr generelle Boosts wie mehr Angriffskraft oder könnt mächtige Spezialattacken auslösen – und zwar in exakt der Reihenfolge, wie ihr es im Steine-Menü selbst angeordnet habt. Dazu gesellen sich verschiedene Perks, die vom Schatztruhen-Tracker bis zu verkürzten Cooldown-Zeiten reichen. Außerdem gibt es Idole mit weiteren Spezialfähigkeiten, die Option, selbst Essenz-Steine zu schmieden, besonders harte Finisher am Ende einer Komboserie und einiges mehr. Mich hat das ziemlich an das etwas überfrachtete, aber eben auch vielschichtige Waffen- und Ausrüst-System von God of War Ragnarök erinnert, wo man sich auch erstmal in die ganzen Mechaniken und Gimmicks hineinwühlen musste...

Darksiders stand Pate für das Spielgefühl bei den Kämpfen. Kein schlechtes Vorbild.
Darksiders stand Pate für das Spielgefühl bei den Kämpfen. Kein schlechtes Vorbild.
Die Action selbst überzeugt mit wuchtigen Manövern und einer Mischung aus Luft- und Bodenkampf: Neben den oben erwähnten Paraden gibt es eine Ausweichrolle sowie einen Air-Dash. Der hilft nicht nur beim Überqueren von zerstörten Brücken oder dem schnellen Umhersausen in der Landschaft, sondern ist auch nötig, wenn man nach oben katapultierte Feinde in der Luft verfolgen und dann mit einem Schmetterschlag zurück auf die Erde befördern möchte. Gut getimte Blocks wechseln sich mit Button-Mash-Kombos ab, ich bearbeite verschiedene Körperteile von großen Monstern (da haben sich die Entwickler auch noch ein System einfallen lassen), schicke dann einen Sand-Tornado los, gehe in die Offensive und heile mich anschließend oder ergreife die Flucht. Level-Nummern über den Feinden weisen in der weiten Spielwelt derweil darauf hin, dass so manches Monster vielleicht noch eine Spur zu tough ist…

Dörfer, Wüste & Kristalle


Wenn Sandwürmer mit Lasern schießen, dann ist den praktisch, wenn die Spielfigur flink ausweichen kann. Wie praktisch, dass man in Atlas Fallen zum Sand-Surfer wird.
Wenn Sandwürmer mit Lasern schießen, dann ist den praktisch, wenn die Spielfigur flink ausweichen kann. Wie praktisch, dass man in Atlas Fallen zum Sand-Surfer wird.
Richtig gut gefallen haben mir der generelle Aufbau der Spielwelt und das Entdeckergefühl: Man hat sofort das Gefühl, eine interessante Terra incognita mit verschiedenen Landschaftstypen vor sich zu haben – einen großen interessanten Spielplatz, der erkundet bzw. erobert werden möchte. Per Druck auf den linken Stick wird gesprintet bzw. auf sandigem Untergrund über die Dünen gesurft, ständig lockt – ein bisschen wie in Breath of the Wild – die Aussicht, hoch droben auf einer Felsnadel eine Schatztruhe zu finden oder im Wald leisetreterisch den Spuren eines Tieres zu einem besonderen Ort zu folgen. Oder man meistert eine der Kristall-Finde-Aufgaben. Die gehen so: Ihr löst, per Druck auf die Nach-unten-Taste auf dem Pad, an bestimmten Stellen die Sand-Manipulationsfähigkeit des Handschuhs aus. Dann sprießt ein Kristall aus dem Boden, bündelt die Sonnenstrahlen und wirft einen Lichtstrahl zu einem Ort, der viele Meter entfernt ist. Also flitzt man dorthin bevor die Lichtlinie erlischt, wiederholt das Prozedere und erhält nach dem vierten oder fünften Mal einen Schatz oder sogar ein Quest-relevantes Item. Das funktioniert gut und macht Laune – ein Mal, zwei Mal, mir altem Assassin's Creed-Liebhaber vielleicht sogar zehn Mal – aber das sollte es dann bitte auch gewesen sein. Die Zahl dieser Kristall-Aufgaben in den ersten zwei, drei Stunden suggeriert mir jedoch, dass die Entwickler eine deutliche höhere Zahl des Aufgaben-Typs verborgen haben – und das wäre nicht so gut.

Macht neugierig: Die Spielwelt erfindet das Fantasy-Rad nicht neu, weckt aber sofort die Entdeckerlust.
Macht neugierig: Die Spielwelt erfindet das Fantasy-Rad nicht neu, weckt aber sofort die Entdeckerlust.
Eine mit Icons überflutete Mini-Map müsst ihr hingegen nicht befürchten. Die Karte zeigt zwar Questgeber und manche Missionsziele an, ein bisschen eigenes Nachdenken und Suchen war bisher aber immer nötig. Zudem liegt es an euch, wie häufig ihr Spürsinn des Handschuh-Dschinns bemüht, der dann einen Schwarz-Weiß-Filter über das Bild legt und die Richtung zum aktuell gewählten Ziel weist. Mir ist im Quest-Menü aufgefallen, dass es dort nicht nur die Haupt- und Nebenmissionen gibt, sondern auch einen Quest-Typ, der Aufträge umfasst, "die einen zu interessanten Orten" führen. Das klingt einerseits verführerisch, könnte aber dem weiter oben so lustvoll beschriebenen Spaß am Entdecken einen Riegel vorschieben, wenn es so weit geht, dass mich die Aufgaben der NPCs letztlich doch zu allen spannenden Orten der Karte schicken. Ein Urteil darüber kann ich mir aber natürlich erst zum Test des Spiels im Mai erlauben.

 

AUSBLICK



Dieser mehrstündige Vorab-Ausflug in die Welt von Atlas Fallen hat gutgetan. Zum einen weiß ich jetzt endlich, was für eine Art von Abenteuer Deck 13 da in der Mache hat. Zum anderen sagen mir das Entdecken eines weiten, wilden Landes, das schnelle Sandsurfen und das Hack'n'Slay-Kämpfen mit Sandgimmicks und wuchtigen Kombos weit mehr zu als das nächste düstere Soulslike, wo schon der erste Zwischenboss 20 Anläufe erfordert. Dabei ist Atlas Fallen kein Leichtgewicht: Vor allem das Momentum-System mit den frei platzierbaren Essenzsteinen hat viel Potenzial und auch die Systeme drumherum wirken durchdacht und anspruchsvoll. Nicht so begeistert war ich vom Design der käfer-, schlangen- oder krebsartigen Standardfeinde, die mir bislang in den Dünen begegnet sind – das bedeutet nicht, dass die Fights keinen Spaß gemacht haben, aber hier darf Deck 13 in den späteren Abschnitten ruhig noch charismatischere Monster auftischen. Die man im fertigen Spiel dann übrigens auch kooperativ bekämpfen kann. In puncto Grafik und Produktionsqualität bin ich angetan, aber nicht begeistert: Die leistungshungrige PC-Vorab-Version sieht durchgehend gut aus, vor allem die Wüsten- und Felspanoramen sind sehr stimmungsvoll. Im Detail sind die Texturen und Modelle dann aber doch ein Stück von aktuellen Top-Produktionen entfernt, auch die Gespräche mit Personen in den Dörfern oder ihre Animationen bei Zwischensequenzen lassen noch Luft nach oben. Unterm Strich bin ich aber guter Dinge, dass Atlas Fallen ein richtig spaßiges Spiel wird – ob es wie die The Surge-Spiele die 80er-Hürde nehmen kann, wird sich an Punkten wie der Geschichte und dem Quest-Design entscheiden.

Einschätzung: gut
Atlas Fallen ab 29,99€ bei kaufen
Atlas Fallen ab 29,99€ bei kaufen

Kommentare

LeKwas schrieb am
P0ng1 hat geschrieben: ?20.03.2023 11:35Auch wenn der Releasezeitraum kurz nach The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom (12.5.2023) sehr ungünstig gewählt wurde.
Wobei sich das, glaub ich, noch etwas in Grenzen halten könnte, das eine ist Switch-exklusiv, das andere erscheint nicht für die Switch - auch wenn es Leute mit beiden Plattformen gibt, die zwischen einem von beidem abwägen müssen, und die werden wohl eher zu Zelda neigen. Für's Marketing wird es wahrscheinlich trotzdem insgesamt schwierig, gegen den Zelda-Circlejerk anzuschwimmen.
Würden sie es nach hinten verschieben, dann liefe Atlas Fallen Gefahr, im Hype rund um Starfield unterzugehen, und das wäre, glaub ich, noch sehr viel schlimmer.
P0ng1 schrieb am
Atlas Fallen klingt wirklich sehr interessant, sieht teilweise wirklich wie eine Darksiders Nachfolger aus, welches übrigens ein tolles Spiel ist, gerade Teil 1 ist super. Das Spiel bleibt jedenfalls auf meiner Liste.
Auch wenn der Releasezeitraum kurz nach The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom (12.5.2023) sehr ungünstig gewählt wurde.
Minimax schrieb am
Das Problem ist, das jeder der ein Soulslike macht immer meint das es superschwer werden müsste. Es geht auch um das Ausrüstungsgebastel und Sachen wie Moveset. Surge II war hier gut z.B. der Rundumschlag des Hammers, falls es mehr als ein Gegner war.
Ja mal gucken. Bis jetzt klingt es mir ein bisschen sehr nach God of War - was okay war aber doch etwas seicht.
nawarI schrieb am
Die Vorschau hat mich jetzt sehr neugierig gemacht.
Ich fänds gut, wenn wir mal von den ständigen Souls-Likes wegkommen würden. Ich hab ja nix gegen ein schweres Spiel, aber viele Macher übertreiben es dann, dass das Spiel dann unfair schwer wird.
Fänd ich schon fast lustig, wenn jetzt schon ein Spiel kommt, das sich so ähnlich anhört wie Forspoken und gleich so viel besser wird.
kamm28 schrieb am
Oh ja, bitte, mehr Action-Rollenspiele, die keine Soulslikes sind! Es reicht in der Hinsicht langsam.
Direkt mal vorbestellt, um das zu honorieren.
schrieb am