Test: Unavowed (Adventure)

von Jan Wöbbeking



Unavowed (Adventure) von Wadjet Eye Games
Who you gonna call?
Entwickler:
Publisher: Wadjet Eye Games
Release:
08.08.2018
08.08.2018
07.07.2021
Spielinfo Bilder Videos

Immer diese Dämonen. Kaum ist der Körper von ihnen besessen, streift man auch schon massenmordend durch New York und wacht irgendwann mit einem fetten Kater auf. Gut, dass es in Wadjet Eye Games‘ frischem Adventure einen Geheimbund gibt, der dem Spuk per Exorzismus ein Ende setzt und dem unschuldigen Protagonisten eine neue Identität verschafft – inklusive humorvoller Seitenhiebe im Stil der Ghostbusters. Willkommen bei den Unavowed!



Genau richtig!

Schon die Eröffnung macht klar, dass sich die Adventure-Spezialisten bei WadjetEye eine Menge Gedanken gemacht haben. Statt einen plumpen Charakter-Editor vorgesetzt zu bekommen, entscheidet man sich im Dunkel der Exorzierung für Geschlecht und Vorgeschichte. „Wer bist du?“, „Erinnere dich!“. Allzu angenehm ist das Verdrängte natürlich nicht, wenn man kurz danach durch die Gedärme seiner Opfer watet – und sich als einzigen Ausweg für den Beitritt zur Geheimgesellschaft entscheidet. Derart dramatisch bleibt die Stimmung aber nicht lange: Schnell wird klar, dass es sich bei den Unavowed um die Guten handelt, die ihrer Berufung mit einem Augenzwinkern nachgehen. Eine Art Men in Black fürs Übernatürliche, die seit Urzeiten die Wogen im interdimensionalen Chaos glätten und nebenbei lockere Sprüche klopfen. Die Neuauflage der Ghostbusters hat bewiesen, dass man beim Abwägen zwischen Humor und Spannung auch meilenweit daneben greifen kann, doch Unavowed trifft genau  den richtigen Ton.

Ab und zu muss man sich entscheiden, auf welche Weise man Probleme löst - z.B. indem man einem versehentlich heraufbeschworenen Wesen genügend Menschenfleisch für den Rückweg verschafft. Das braucht doch eh keiner mehr nach dem Blutbad! Okay, die Polizei könnte Klauenabdrücke finden...
Ab und zu muss man sich entscheiden, auf welche Weise man Probleme löst - z.B. indem man einem versehentlich heraufbeschworenen Wesen genügend Menschenfleisch für den Rückweg verschafft. Das braucht doch eh keiner mehr nach dem Blutbad! Okay, die Polizei könnte sonderbare Abdrücke finden...
Ob nun der Feuerball schleudernde Eli, die esoterisch angehaucht philosophierende Mandana oder die später hinzukommenden Geisterversteher: Ich habe sie allesamt sofort ins Herz geschlossen. Da sich in Folge des Unglücks weltweit übernatürliche Katastrophen häufen, kann das Team meine Hilfe gut gebrauchen. Sogar einige durch die Dimensionen marodierende Geschöpfe wie ein loderndes Feuerwesen oder ein Seemonster-Feldherr offenbaren coole Persönlichkeiten, während sie die Helden verfolgen. Um sie zu besiegen oder Umgebungspuzzles zu lösen, kommen die Spezialfähigkeiten meiner Kollegen zum Einsatz, die ich wie einen Gegenstand aus dem überschaubaren Inventar benutze. Eröffne ich Mandana einen Weg, an dem sie nah genug mit ihrem Säbel an den Feind gelangt oder kommen Elis Blitz- und Feuerkünste zum Einsatz? Letztere werden auch dann praktisch, wenn ein elektronisches Schloss überlistet werden muss. Näher gehe ich lieber nicht ins Detail. Nur so viel: Es ist ein Sicherungskasten involviert, in dem man Drähte umsteckt – nicht gerade einfallsreich.

Halbherzige Rätsel-Tricks

Charakterfähigkeiten wie die Pistole der schroffen Ex-Polizistin Vicki sind also im Prinzip eine schöne Idee, in der Praxis bleibt es aber oft bei altbekannten, eher schlichten Lösungen. Nach dem Abklappern der Umgebung stößt man in vielen Fällen irgendwann zwangsläufig auf die passende Lösung. Eine versteckter Schlüssel hier, ein Familiendrama dort – und schon lassen sich neue Infos über gehirngewaschene Gesprächspartner oder in der Zwischenwelt feststeckende Geister deuten. Ein Tipp: Hakt ruhig mehrmals bei Zeugen nach, wenn ihr neue Beweise gefunden habt, um auf weitere Namen und Infos zu stoßen.

Dieser amphibische Geselle erweist sich als äußerst anhänglich.
Dieser amphibische Geselle erweist sich als äußerst anhänglich.
Seltsam, dass Wadjet Eye dem Spieler eine derart minimalistische Steuerung aufzwingt. Dank der kompletten Auslegung auf die Maus und nur einer Taste fürs Untersuchen und Benutzen kann man zwar entspannt vom Sofa aus spielen. An meinem Schreibtisch hätte ich für die Hotspot-Anzeige allerdings lieber auf die Leertaste getippt, statt rund eine halbe Sekunde die rechte Maustaste zu halten. Hilfe-Systeme gibt es übrigens nicht. Aufgrund des meist niedrigen Schwierigkeitsgrades und der in die Dialoge eingeflochtener Hinweise ist das aber auch nicht nötig.

Feuer und Gedärme

Vor der Mission muss man sich übrigens in der U-Bahn dafür entscheiden, welcher Kollege diesmal nicht aussteigen darf – nicht besonders glaubwürdig. Die in Kapitel aufgeteilten Fälle bringen neue Partner ins Team und mich näher an die Geheimnisse über den blutrünstigen Dämon. Er hatte meinen Ex-Cop offenbar lange genug in seiner Gewalt, um einen bizarren Kult aufzubauen. Dessen überlebende Ex-Mitglieder schauen natürlich reichlich sparsam aus der Wäsche, wenn ich ihnen über den Weg laufe, mich aber an nichts erinnern kann. Die englischen Sprecher bringen ihre Entgeisterung und andere Emotionen gut betont rüber. Eine deutsche Übersetzung gibt es leider nicht einmal in den (deaktivierbaren) Untertiteln.

Echt mal.
Echt mal. Kein Grund, hier so herumzupoltern!
Immer wieder sackt mein Alter Ego zusammen und erlebt einen Flashback vergangener Intrigen und Gräueltaten. Je nach Wahl des Protagonisten und seines ehemaligen Jobs (Polizist, Schauspieler oder Barista) kann man Passanten davon überzeugen, das Grüppchen in eigentlich abgesperrte Bereiche vorzulassen – was zu Gesprächen über alte Zeiten führt, die Ermittlungen ein wenig vielseitiger gestaltet und dem Spiel eine gewissen Wiederspielwert verschafft. Apropos Gespräche: Die Entwickler haben einen schöne Weg gefunden, dass sich die Inszenierung trotz der (schicken) Retro-Kulisse nicht muffig, sondern erfreulich frisch anfühlt. Wenn am Tatort mal Stille entsteht, starten meine Partner ähnlich lockere Gespräche wie in der Uncharted-Reihe – über ihr altes Leben, philosophische Themen oder einfachen Smalltalk übers allgemeine Befinden. Auch im Hauptquartier kann man nach Lust und Laune nachbohren oder sich lieber gleich in den nächsten Fall stürzen. Wer möchte, kann im Menü übrigens einen Kommentar von Entwickler David Gilbert und Artist Ben Chandler aktivieren.

Kommentare

cM0 schrieb am
Sehr schön dass ihr diesem kleinen Titel einen Test und sogar ein kurzes Video widmet. Gekauft habe ich es direkt zum Release, gespielt wird es ab morgen Nachmittag. Schön dass es im Test überzeugt hat, aber von Wadjet Eye habe ich auch nichts anderes erwartet. Außerdem löblich dass sich das Spiel etwas weiter entwickelt, man also mehr Wahlmöglichkeiten hat, aber auch dass die Auflösung gestiegen ist.
Jeder der Spaß an solchen Spielen hat sollte sich auch die anderen Wadjet Eye Spiele ansehen, besonders die in der gleichen Welt spielende Blackwell-Reihe. Auch die Spiele bei denen Wadjet Eye nur die Publisherrolle übernommen hat, sind ohne Ausnahme empfehlenswert.
Atlan- schrieb am
Ohne deutsche Untertitel, ist es für mich dann doch auf Dauer zu anstrengend.
schrieb am