Special: Buchtipp für Spieler (Sonstiges)

von Jörg Luibl



Buchtipp für Spieler
Sonstiges
Entwickler: 4Players
Publisher: -
Release:
kein Termin
kein Termin
kein Termin
kein Termin
kein Termin
kein Termin
kein Termin
kein Termin
kein Termin
Spielinfo Bilder  
Letzte Woche haben wir "Das Spiele-Buch" von Erwin Glonnegger vorgestellt, das eine prächtig bebilderte Zeitreise in die Welt der Brett- und Legespiele anbietet. Wer nach diesem Einstieg vielleicht Lust auf eine Alternative oder weitere Recherchen bekommen hat, sollte sich "Spiele der Menschheit" ansehen. Das im Primus Verlag erschienene Buch vertieft das Thema mit 19 Aufsätzen von der Geschichte des Würfelglücks über asiatische Besonderheiten bis hin zur Rolle der Frau in Spielen.

Bilder aus der Schweiz

"Spiele der Menschheit", hrsg. von  Ulrich Schädler: 29,90 Euro, 224 Seiten, 27,4 x 23,6 x 2,2 cm.
Wo liegt eigentlich La Tour-de-Peilz? Bei unseren Nachbarn in der Schweiz. Und was hat das mit der Spielewelt zu tun? Dort befindet sich in einer Burg aus dem 13. Jahrhundert eine in Europa einzigartige Ausstellung: Die des Schweizerischen Spielmuseums. Da geht es nicht um Puppen, Autos oder Actionfiguren, sondern um Würfel-, Brett-, Lege- und auch Automaten-Spiele, die man noch mit einer Kurbel in Gang brachte, um vielleicht mit drei Orangen ein paar Cents zu gewinnen. Heute geht das in Las Vegas alles einfacher, aber die Wurzeln der Glücksspielmetropole liegen in der Antike.

Ulrich Schädler, der Direktor dieses Museums, hatte angesichts des 20-jährigen Jubiläums im Jahr 2007 einen Bildband samt Aufsätzen herausgegeben, der in 5000 Jahre Kulturgeschichte des Spiels entführt. Als Videospieler fühlt man sich gleich im Vorwort heimisch, denn das könnte man fast 1:1 auf die digitale Welt zwischen Tetris, Tomb Raider & Co übertragen:

"Für Erwachsene kann Spielen ritueller Akt, symbolische Handlung, friedlicher Wettstreit, geistige und charakterliche Herausforderung, Erholung oder einfacher Zeitvertreib sein. Wie auch immer, im Spiel schafft sich der Mensch einen Freiraum der der Phantasie, der die Grenzen der Realität transzendiert und in dem er sich als Ganzes, im Guten wie im Bösen, entfalten kann."

"Entweder lästere die Götter oder höre auf zu spielen!"

Auch die Geschichte der "Geldspielautomaten" wird in einem Aufsatz besprochen.
Allerdings geht es hier um Spiele, die man im wahrsten Sinne des Wortes anfassen kann: Gleich zu Beginn dreht sich alles um die spannende Geschichte des Würfels - angefangen bei der simplen binären Form zwischen 0 und 1, für die man auch Muscheln oder Steine nutzen konnte. Etwas ausgefeilter sind da schon die "Astragale", denn diese auch Knochen erstellten Würfel boten je nach Lage mehrere Ergebnisse. Schädler verweist auf den ersten kubischen und damit klassischen Würfeln aus dem Irak und nimmt den Leser mit auf eine Reise von Ägypten über die Türkei, Griechenland und Italien.

Auch der schlechte Ruf des Würfelspiels sowie die schon in der Antike ausgesprochenen Verbote und die philosophischen Abhandlungen von Galileo Galilei bis Blaise Pascal werden thematisiert. Besonders interessant: Da man dem Würfel selbst in der Neuzeit nicht traute, wurde noch im 19. Jahrhundert von amerikanischen Herstellern ein Zufallsgenerator entwickelt, der wesentlich zuverlässigere Ergebnisse liefern sollte - allerdings konnte sich die auf Seite 19 abgebildete Scheibendrehkonstruktion der McLoughlin Bros. nicht durchsetzen. Im Gegenteil: Der Würfel ist selbst in Videospielen quicklebendig.

Von Schach bis Kai-Awase

Sehr interessant ist die Entwicklung des Würfelspiels sowie seine gesellschaftliche Rolle.
Wie schon in "Das Spiele-Buch" wird auch hier der Herkunft von "Mensch ärgere dich nicht" im Orient nachgespürt - auch Pachisi, Backgammon, Mancala, Lotterie und Schach werden mit Aufsätzen renommierter Autoren ausführlich behandelt. Der Sprachstil ist ein guter, aber nicht immer ganz so locker zu lesen wie bei Erwin Glonnegger; man merkt so manchem Text den wissenschaftlichen Unterbau an. Dafür bekommt man hier allerdings einen sehr fundierten Ausblick auf den aktuellen Stand der Forschung.

Sehr empfehlenswert ist nicht nur der Beitrag von Koichi Masakuwa: Er führt in die Besonderheiten der asiatischen Spielwelt ein und lässt den Leser weit über den bekannten Tellerrand von Go und Mahjong hinaus blicken. Wer kennt das japanische Muschelspiel Kai-Awase oder das Hundert-Dichter-Spiel, das europäische Kartenspiele auf sehr kreative Art abwandelt? Ähnlich wie in so manchen Videospielen kennzeichnet ostasiatische Brettspiele ein eigenwilliges und originelles Spieldesign mit edlem Äußerem und hochwertiger künstlerischer Gestaltung - Okami lässt grüßen.

Grafik ist nicht wichtig? Oh doch!

Vor allem die historischen Hintergründe weisen in so manchem Aufsatz auf für erstaunliche Parallelen zu aktuellen Debatten: Die deutsche Spielproduktion wird z.B. in "Spiel und Kommerz" von Marion Faber unter die Lupe genommen - schon im 19. Jahrhundert versuchte man populäre Themen zu bedienen, indem man gezielt Spiele mit aktuellem Bezug wie etwa zu den Kolonialreichen oder Nansens Nordpolfahrt entwickelte.  Wenn es heutzutage mit Medal of Honor nach Afghanistan geht, ist das aus kulturgeschichtlicher Perspektive also nichts Neues.
Alle Bilder zeigen Exponate des Schweizerischen Spielmuseums.
 Auch nicht, dass die schnelle Produktion ihren Preis in fehlender Qualität forderte, denn auch damals war die "Grafik" wichtig - hier ein Berliner Kritiker um 1900: "Leider steht der größte Teil dieser Spiele in künstlerischer Hinsicht weit unter dem Niveau der Mittelmäßigkeit; es wäre zu wünschen, dass die Fabrikanten erstklassige Künstler (...) heranziehen würden."

Nazi-Zensur und Frauenrolle

Ganz knapp gelangte übrigens das bei Parker in den USA erschienene Monopoly in den 30er Jahren auf den deutschen Markt, denn es sollte wegen "seines jüdisch-spekulativen Charakters für die deutsche Jugend nicht geeignet" sein. Es kam allerdings nicht zu einem Verbot und wurde dann in Offizierskasinos der Wehrmacht gespielt. Hier regierten ansonsten die Propagandaspiele: Titel wie "Oh, welche Lust Soldat zu sein!", "Bomben auf England" oder "Wehrschach Tak-Tik" sprechen für sich. Auch auf dem Brett wurde der Krieg traditionell verharmlost und das Spiel als Rekrutierungsmedium à la America' Army  missbraucht.

Abschließend noch ein Verweis auf den lesenswerten Aufsatz "Frauen - Ausgeschieden!" von Laetitia Aeberli, deren Thesen sich ebenfalls auf die Videospielwelt übertragen lassen. Denn in den Spielen, egal ob real oder digital, spiegeln sich auch
Buchtipp für Spieler: In Zukunft werden wir regelmäßig interessante Bücher rund um die Welt der Spiele vorstellen - egal ob Romane, Sachliteratur oder Wissenschaftliches. Dabei beschränken wir uns nicht nur auf aktuelle Videospiele oder Lizenzbelletristik, sondern wollen auch über den Tellerrand blicken und das Spiel als kulturelles Phänomen betrachten.
immer Rollenverständnisse: Jungen bauen und erobern angeblich lieber, während Mädchen vor allem mit Symbolen und Mosaikspielen sowie Alltagssimulationen ihren Spaß haben. Schön, dass man hier auch auf Computerspiele im Allgemeinen und Die Sims im Besonderen hinweist. Auch das Phänomen Tomb Raider sowie die "sexistische Karikatur" der Frau wird erwähnt. Eine Ursache dafür, dass Frauen in den Statistiken mancher Spiele unterrepräsentiert sind, liegt laut Autorin auch daran, dass Spiele von und für Männer gemacht werden - Wettbewerb und Gewalttätigkeit stehen im Vordergrund. Interessant: Im Videospielbereich entsteht gerade eine Gegenströmung weiblicher Designer, die das emotionale Erlebnis beschwören - Flower lässt grüßen.

Für mich als leidenschaftlicher Video- und Brettspieler war das eine unheimlich spannende Lektüre. Die große Leistung dieses Buchs besteht darin, dass es den Bogen von der Antike in die Moderne spannt und dabei nicht nur die Spiele als solche mit ihren Regelwerken präsentiert, sondern auch ihren Stellenwert innerhalb der jeweiligen Epoche sowie ihre gesellschaftliche Rolle. Damit gelingt der Spagat zwischen historischer Recherche und moderner Betrachtung, denn das Spiel wird hier in all seinen Facetten betrachtet - auch das Videospiel wird hier als aktueller Status quo berücksichtigt. Die Aufsätze sind trotz des wissenschaftlichen Fundaments gut lesbar und lassen Interessierte in den Stand der Forschung schnuppern, während man sich durch die edlen Exponate des Schweizerischen Spielmuseums blättert. War das Spiele-Buch von Erwin Glonnegger noch ein wunderbarer Schmöker für den Einstieg in die Geschichte des Kulturgutes Spiel, ist dieses Buch der ideale zweite Schritt für alle, die sich intensiver damit beschäftigen wollen.       

Kommentare

Jörg Luibl schrieb am
Danke für die Anregungen.
Zum Punkt Buchtipp: Da wollen wir sehr offen heran gehen und über den Tellerrand schauen - deshalb soll es da ja auch Besprechungen (halb-) wissenschaftlicher Arbeiten zur Spielethematik geben. Natürlich gibt es eine Flut an Lizenzromanen, die schrecklich geschrieben sind. Und da die Rubrik ja "Buchtipp" heißt, wollen wir uns erstmal empfehlenswerte Lektüre anschauen. Es kann aber sein, dass auch mal ein Roman dabei ist. :wink:
Zu den Brettspieltests: Das sehe ich ganz genau so.
Chamäleonmann schrieb am
In der Rezension ist zu lesen, daß in Zukunft weitere Bücher besprochen werden sollen, wobei unter anderem von Romanen und Lizenzbelletristik die Rede ist.
Ich möchte darum bitten bzw. dazu anregen, daß dieser Bereich eher sekundär behandelt werden sollte. Zugegebenermaßen habe ich mich selbst bisher wenig mit diesen Werken beschäftigt, sehe die meiste lizensierte bzw. von Computerspielen inspirierte Prosa aber als reine Merchandising-Produkte, die versuchen aus einem etablierten Franchise weiteren Profit zu schlagen.
Natürlich könnte eine Untersuchung der Versuche, das vor allem mathematisch, physikalisch, geometrisch oder topologisch getriebene Gameplay eines Spiels in eine literarische Form zu übertragen, durchaus interessant sein, allerdings scheinen sich diese Bücher doch meistens ausschließlich auf die Ausweitung der vorhandenen Story zu konzentrieren. Da aktuelle Computerspiele ohnehin dazu neigen, sich zu eng an der narrativen Struktur von Filmen und Büchern zu orientieren, wäre es in meinen Augen interessanter, eher sachliche Literatur zum Thema zu besprechen. Gerade im deutschprachigen Raum ist mir bisher kein Portal bekannt, daß gezielt auch Bücher zum Thema Gamedesign oder Gamewriting bespricht, daher würden mir diese Themen wesentlich besser gefallen. Darüber hinaus gibt es viele interessante Abhandlungen zum kulturellen und sozialen Einfluss elektronischer Spiele, auch weit über die offensichtlichen Themenkomplexe hinaus ("Porn and Pong" wäre hier nur ein Beispiel).
Den Plan, hier demnächst auch Brettspiele zu besprechen, finde ich hingegen hervorragend. Es hat mich immer wieder gewundert, warum viele Magazine neben Computerspielen eher dazu neigen, auch Musik/Filmen usw. Seiten zu widmen, anstatt Brettspiele oder die Funktionsweise von Spielen an sich genauer zu hinterfragen. Da bei Brettspielen und Computerspielen bereits konzeptuell ein viel engerer Zusammenhang besteht, sollte die Gelegenheit genutzt werden, um genauer auf Design und elementare...
ArcticAge schrieb am
Also ich bin auch ein begeisterter Brettspieler!
Was ich momentan am liebsten Spiel ist
"Battelstar Galactica"
Kennt das wer?
Hammer geil am besten mit 8 Leuten un dann 4 Zylonen und ein Sympathisant gegen 3 Menschen hammer geil xD
RyanairPoppovic schrieb am
Der Wayne hat geschrieben:Und welche wertung hatt das jetzt?? habter die vergessen? ich weiß gar nich ob mann das jetzt kaufen soll oder nich!
Mamaaaaaaaaaaaaaaaaaa, Popo abwischen..........
tekkenfever schrieb am
Bin begeistert!!! Es freut mich wirklich, dass ihr vielfältig bei 4Players arbeitet. Weil es heißt ja nun mal "Für-Spieler" und das passt genau darein und der Artikel macht Lust auf mehr und ich denke darüber nach dieses Buch zu kaufen und kann mir auch vorstellen, dass das in meinem Bekanntenkreis große Runden ziehen könnte. Vielen Dank für den Drift in internationale Spielgeschichte.
schrieb am